«  1  »

 

Gemeinderat, 3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 127

 

die Wirtschaftsforscher haben der österreichischen Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Der einzige Unterschied ist nur, die Schülerinnen und Schüler müssen die Konsequenzen für schlechte Zeugnisse immer selber tragen. Für Ihr schlechtes Zeugnis müssen leider die Österreicherinnen und Österreicher die Konsequenzen tragen, aber wir alle hoffen, dass wir das nicht lange tun müssen.

 

Abschließend möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Wien danken, die letztendlich mitgeholfen haben, dieses Budget umzusetzen und derartig positiv zu gestalten. - Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzende GR Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächste Rednerin ist Frau StR Dipl Ing Dr Rothauer gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

 

StR Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Herr Berichterstatter! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Wie die Vorredner aus meiner Fraktion schon ausgeführt haben, gibt es für uns natürlich keinen Anlass, diesen Rechnungsabschluss zu kritisieren. Wir stehen vielmehr zu dem, was wir im letzten Jahr, nämlich der abgelaufenen Koalitionsregierung, geleistet haben. Bei aller Spekulation, die der Kollege Margulies angestellt hat, ob nun das wirtschaftliche Ergebnis wirklich so gut ist, wie es sich darstellt und ob es andere, vielleicht realistischere Ansätze bezüglich der Einnahmensituation gegeben hätte, wo dann der Saldo anders ausgesehen hätte, ist Tatsache, dass in der Ära der Mitregierung der ÖVP sehr gut gewirtschaftet wurde, und dass der Abgang geringer war, nämlich so gering wie noch nie. Wenn Sie sich die Zeitreihen der Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre ansehen, so ist sehr wichtig, dass der Schuldenstand gesenkt wurde.

 

Herr VBgm Rieder hat selber angeführt, dass im Jahr 1995 eine ganz andere Situation war als heute. Er hat ehrlichkeitshalber dazugesagt, dass wir nicht die Schulden halbiert haben, weil das auch mit der Ausgliederung des Wiener Wohnen zusammenhängt, aber dass der Schuldenstand sehr stark zurückgegangen ist. Das ist natürlich zugleich die Periode, wo die ÖVP in der Regierung mitgewirkt hat. Das alles geschah bei einer Rekordhöhe an ausgeschütteten Wirtschaftsförderungsmittel.

 

Im Jahr 1996, meine sehr geehrten Damen und Herren, als die ÖVP in die Regierung eingetreten ist, betrug die Höhe der Wirtschaftsförderung insgesamt 1,2 Milliarden S. Im Jahr 2000, über das wir heute debattieren, waren es 1,95 Milliarden S, im Übrigen wesentlich mehr als veranschlagt war. Das heißt, dass in der Zeit der Koalitionsregierung die für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung gestellten Mittel um 62,5 Prozent angestiegen sind.

 

Aber nicht nur das Ausmaß der Wirtschaftsförderung ist ein Gradmesser für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, sondern auch die Wirtschaftskompetenz, die die Regierung aufzubringen im Stande ist. Da hat gerade die ÖVP in hohem Maße ihre Wirtschaftskompetenz bewiesen und dies auch eingebracht. Wie düster es um die Wirtschaftskompetenz in der Zukunft aussehen mag, beweisen zwei Äußerungen, die in der letzten Zeit gefallen sind, nämlich die des Wirtschaftstadtrats über die momentane Situation des Wirtschaftsstandorts und die des Verkehrsstadtrats, der eben erst seine Regierungstätigkeit begonnen hat. Wir ahnen und befürchten hier ganz Schlimmes.

 

Ich fange einmal bei der Ankündigung des Verkehrsstadtrats an, der als Gegenmaßnahme zum täglichen Verkehrsstau oder Verkehrsgau angekündigt hat, er wolle in den Spitzenverkehrszeiten die Lkw von der Tangente verbannen. Hier wird nicht nur der Gärtner zum Bock gemacht, meine Damen und Herren, sondern es wird auch die stadtwirtschaftliche Dimension in beunruhigender Weise von einem Stadtregierungsmitglied völlig verkannt, und zwar in gefährlichem Maße verkannt. Die Wiener Wirtschaft ist nämlich die Hauptleittragende an dieser Verkehrsmisere und an den verkehrspolitischen Versäumnissen. Bei 50 Millionen S Schaden pro Stunde Verkehrsstau kann der Wirtschaft wohl nicht unterstellt werden, dass sie mutwillig und unverantwortlich für ein zusätzliches Verkehrsaufkommen sorgt. Nicht die vollbeladenen Lkw, meine Damen und Herren, sondern die zu einem Viertel besetzten Pkw sind jene, die eher an einem mutwilligen Verkehrsaufkommen beteiligt sind, noch dazu Pkw-Lenker, für die es vielleicht für ihren eigenen Transport sehr wohl eine Alternative gäbe. Warentransporte zählen nämlich weltweit unbestritten zum notwendigen Verkehr. Das ist sowohl in der Fachdiskussion als auch in der politischen Diskussion unbestritten. Wir haben dieses Bekenntnis auch im noch immer gültigen Verkehrskonzept für die Stadt Wien und das findet überall in diesem Maße Anerkennung.

 

Verkehrsinfrastruktur ist auch einer der wichtigsten Standortfaktoren für einen Wirtschaftsstandort. Verlust an Standortqualität ist nicht nur ein Problem für die örtliche Wirtschaft, sondern vor allem auch ein Problem im Wettbewerb der Metropolen und in der internationalen Auseinandersetzung um Betriebsansiedlungen. Ich sage es mit einem drastischen Slogan: "Wer den Wirtschaftsverkehr einbremst, bremst die Wirtschaft aus!" (Beifall bei der ÖVP.)

 

Noch siedeln sich laut Austrian Business Agency mehr als 50 Prozent der ausländischen Ansiedler in Wien an. Wien hat damit alle anderen Bundesländer gemeinsam überholt. Ich glaube, es müsste uns sehr daran gelegen sein, dass sich daran in der nächsten Zeit nichts ändert, sondern dass wir hier sogar noch besser werden. Wenn aber jetzt zu einer so erschreckenden und den Wirtschaftsstandort abwertenden oder dem Wirtschaftsstandort schadenden Ankündigung des Verkehrsstadtrats noch die Warnung des Wirtschaftsstadtrats hinzukommt, wie schlecht der Wirtschaftsstandort Wien sich entwickelt hätte, mache ich mir ernste Sorgen. (VBgm Dr Sepp Rieder: Ist das das WIFO gewesen oder bin ich es gewesen?)

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular