Gemeinderat,
3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Wenn wir uns erinnern,
einst kamen sie als junge, kräftige, arbeitsfreudige und gern gesehene Arbeitskräfte
aus dem einstigen Jugoslawien oder aus der Türkei nach Österreich. Begonnen hat
die verstärkte Einwanderung - das ist lange her - zu Zeiten des Wirtschaftswunders.
Das Wirtschaftswunder ist inzwischen kein Wunder mehr und daher auch nicht mehr
ganz so glorreich, wenn es Österreich, zumindest wirtschaftlich gesehen, auch
nicht so schlecht geht. Aber die ArbeitsmigrantInnen sind inzwischen nicht mehr
ganz so gerne gesehen wie am Anfang.
Noch dazu sind
viele von ihnen alt geworden. Es sind alternde Menschen, die entgegen ihrem
ursprünglichen Wunsch und unserer Hoffnung - das muss man wohl sagen - nicht
alle wieder in ihre Heimat zurückgegangen sind, sondern sich hier eine neue
Heimat geschaffen haben. Wir haben es ihnen nicht unbedingt sehr gemütlich
gemacht. Da werden Sie mir sicher Recht geben. Trotzdem haben einige von ihnen
hier eine neue Heimat gefunden. Damit wird eine neue Bevölkerungsgruppe die
Politik beschäftigen müssen. Das sind die Migrantenseniorinnen und -senioren.
Dass bisher
nicht allzu viel auf dem Gebiet geschehen ist, zeigt, dass es kaum Studien und
Erhebungen gibt. Hier hinkt die Politik leider wirklich vehementest nach. Viele
der in den Studien angegebenen Daten, die ich gefunden habe, sind zum Teil aus
Deutschland übernommen, was man sicher nicht immer eins zu eins übersetzen
kann, aber in manchen Dingen sehr wohl auf Österreich übertragen könnte.
Einer Studie
zufolge sind unter den Migrantinnen und Migranten, die über 60 sind,
erstaunlicherweise mehr Männer als Frauen. Es sind auch mehr alleinstehende
Männer als Frauen, und zwar weil sie zum Teil nicht geheiratet haben,
möglicherweise auch Witwer sind, oder weil, aus welchen Gründen auch immer -
nehmen wir an, vielleicht war eine Teilschuld die Quote -, Ehen nicht zu Stande
gekommen sind, Ehen auseinander gebrochen sind oder wie auch immer. Es sind
jedenfalls im Verhältnis zur österreichischen Bevölkerung bei den Migranten
mehr Männer als Frauen über 60.
Zusätzlich hat
die Studie ergeben, dass der Gesundheitszustand der Migrantenseniorinnen und -senioren
schlechter als der der gleichaltrigen österreichischen Bevölkerung ist. Womit
hängt das zusammen? - Das hängt zum Teil mit der Arbeitssituation zusammen.
Geben wir zu, wir haben sie für Schwerarbeit geholt. Wir haben sie zum Teil
wirklich für unsere Drecksarbeit geholt. Sie waren Akkordarbeiterinnen,
Fließbandarbeiterinnen und -arbeiter. Es ist auch der Gesundheitszustand der
Frauen der Studie zufolge schlechter, als der der gleichaltrigen
österreichischen Frauen.
Dazu kommt
eine Wohnungssituation, die oft schlechter ist, als die der österreichischen
Bevölkerung im gleichen Alter. Machen wir uns doch nichts vor, sie haben die
schlechteren Wohnungen! Sie haben Bassenawohnungen. Sie haben lange Zeit nur
Kellerwohnungen zu überhöhten Preisen und in Untermiete bekommen, was lange
Zeit bedeutet hat, dass sie nur ein halbes Jahr in einer Wohnung bleiben
konnten. Stellen wir uns diese Situation vor, alle halben Jahre aus der Wohnung
ausziehen zu müssen, sich immer eine neue Bleibe schaffen zu müssen! Auch das
stelle ich mir nicht gerade gesundheitsfördernd vor!
Durch das neue
Fremdengesetz hat sich da allerdings einiges geändert, denn Voraussetzung war
eine stabilere Wohnsituation für eine Aufenthaltsgenehmigung. Das hat sich auch
geändert. Die Halbjahresuntermieten haben sich geändert. Damit entstand natürlich
eine Aufenthaltsverfestigung.
Ein weiterer
Punkt, der vielleicht manchen Migranten und manche Migrantin davon abgehalten
hat, in die Heimat zurückzukehren, war auch die finanzielle Situation zum
Zeitpunkt der Pensionierung, denn es war sicher öfters der Fall, dass die
Pension, die sie bekommen haben, auf die sie einen Anspruch hatten, durch
weniger Arbeitsjahre, durch ein niedriges Einkommen, nicht die Mindestpension
erreicht hat. Sie konnten um Ausgleichszulage ansuchen. Diese wurde auch
gewährt, allerdings war die Voraussetzung dafür ein ständiger Wohnsitz in
Österreich. Ein Auslandsaufenthalt bis zu drei Monaten ist möglich, aber nicht
länger.
Möglicherweise
- darauf sollten wir stolz sein - ist im Krankheitsfall eine bessere Versorgung
in Österreich möglich.
Nicht zuletzt
ist natürlich auch die Familiensituation ausschlaggebend. Sie sind mit ihren
Kindern gekommen. Die Kinder sind hier in die Schule gegangen, haben hier einen
Beruf gelernt, arbeiten hier, es ist möglicherweise für sie wirklich die Heimat
geworden und die Alten wollen nicht allein in ihr Herkunftsland zurückgehen.
Viele haben
sich wahrscheinlich - auch darauf können wir stolz sein – an einen westlichen
Lebensstandard gewöhnt.
Auch wenn sehr
viele, die ursprünglich selbst in ihre Heimat zurückkehren wollen, aus
obgenannten Gründen hier bleiben möchten, müssen wir uns, oder gerade deswegen,
müssen wir uns natürlich mit diesem Thema beschäftigen. Leider hat man aber -
da spreche ich in erster Linie natürlich die Regierungspartei in Wien an, denn
sie ist eigentlich sehr bemüht, die Pensionisten zu betreuen - an diese
Bevölkerungsgruppe noch nicht wirklich gedacht.
Die Hürden, die wir
für die älteren Migranten aufgebaut haben, sind nicht unbeträchtlich. Nehmen
wir an, jemand hat in seiner Pension weniger Einkommen als er zur Zeit seines
Verdienstes hatte - das ist meistens so -, so ist die teure Untermietwohnung
oder die teure Wohnung überhaupt, meistens Bassenawohnung, jetzt noch
schwieriger zu bezahlen. Das kann eine Notsituation ergeben, die Menschen in
die Obdachlosigkeit treiben kann. Es gibt zwar einen vorsichtigen Zugang zu
Gemeindebauten in Notsituationen,
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