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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 121

 

Wenn wir uns erinnern, einst kamen sie als junge, kräftige, arbeitsfreudige und gern gesehene Arbeitskräfte aus dem einstigen Jugoslawien oder aus der Türkei nach Österreich. Begonnen hat die verstärkte Einwanderung - das ist lange her - zu Zeiten des Wirtschaftswunders. Das Wirtschaftswunder ist inzwischen kein Wunder mehr und daher auch nicht mehr ganz so glorreich, wenn es Österreich, zumindest wirtschaftlich gesehen, auch nicht so schlecht geht. Aber die ArbeitsmigrantInnen sind inzwischen nicht mehr ganz so gerne gesehen wie am Anfang.

 

Noch dazu sind viele von ihnen alt geworden. Es sind alternde Menschen, die entgegen ihrem ursprünglichen Wunsch und unserer Hoffnung - das muss man wohl sagen - nicht alle wieder in ihre Heimat zurückgegangen sind, sondern sich hier eine neue Heimat geschaffen haben. Wir haben es ihnen nicht unbedingt sehr gemütlich gemacht. Da werden Sie mir sicher Recht geben. Trotzdem haben einige von ihnen hier eine neue Heimat gefunden. Damit wird eine neue Bevölkerungsgruppe die Politik beschäftigen müssen. Das sind die Migrantenseniorinnen und -senioren.

 

Dass bisher nicht allzu viel auf dem Gebiet geschehen ist, zeigt, dass es kaum Studien und Erhebungen gibt. Hier hinkt die Politik leider wirklich vehementest nach. Viele der in den Studien angegebenen Daten, die ich gefunden habe, sind zum Teil aus Deutschland übernommen, was man sicher nicht immer eins zu eins übersetzen kann, aber in manchen Dingen sehr wohl auf Österreich übertragen könnte.

 

Einer Studie zufolge sind unter den Migrantinnen und Migranten, die über 60 sind, erstaunlicherweise mehr Männer als Frauen. Es sind auch mehr alleinstehende Männer als Frauen, und zwar weil sie zum Teil nicht geheiratet haben, möglicherweise auch Witwer sind, oder weil, aus welchen Gründen auch immer - nehmen wir an, vielleicht war eine Teilschuld die Quote -, Ehen nicht zu Stande gekommen sind, Ehen auseinander gebrochen sind oder wie auch immer. Es sind jedenfalls im Verhältnis zur österreichischen Bevölkerung bei den Migranten mehr Männer als Frauen über 60.

 

Zusätzlich hat die Studie ergeben, dass der Gesundheitszustand der Migrantenseniorinnen und -senioren schlechter als der der gleichaltrigen österreichischen Bevölkerung ist. Womit hängt das zusammen? - Das hängt zum Teil mit der Arbeitssituation zusammen. Geben wir zu, wir haben sie für Schwerarbeit geholt. Wir haben sie zum Teil wirklich für unsere Drecksarbeit geholt. Sie waren Akkordarbeiterinnen, Fließbandarbeiterinnen und -arbeiter. Es ist auch der Gesundheitszustand der Frauen der Studie zufolge schlechter, als der der gleichaltrigen österreichischen Frauen.

 

Dazu kommt eine Wohnungssituation, die oft schlechter ist, als die der österreichischen Bevölkerung im gleichen Alter. Machen wir uns doch nichts vor, sie haben die schlechteren Wohnungen! Sie haben Bassenawohnungen. Sie haben lange Zeit nur Kellerwohnungen zu überhöhten Preisen und in Untermiete bekommen, was lange Zeit bedeutet hat, dass sie nur ein halbes Jahr in einer Wohnung bleiben konnten. Stellen wir uns diese Situation vor, alle halben Jahre aus der Wohnung ausziehen zu müssen, sich immer eine neue Bleibe schaffen zu müssen! Auch das stelle ich mir nicht gerade gesundheitsfördernd vor!

 

Durch das neue Fremdengesetz hat sich da allerdings einiges geändert, denn Voraussetzung war eine stabilere Wohnsituation für eine Aufenthaltsgenehmigung. Das hat sich auch geändert. Die Halbjahresuntermieten haben sich geändert. Damit entstand natürlich eine Aufenthaltsverfestigung.

 

Ein weiterer Punkt, der vielleicht manchen Migranten und manche Migrantin davon abgehalten hat, in die Heimat zurückzukehren, war auch die finanzielle Situation zum Zeitpunkt der Pensionierung, denn es war sicher öfters der Fall, dass die Pension, die sie bekommen haben, auf die sie einen Anspruch hatten, durch weniger Arbeitsjahre, durch ein niedriges Einkommen, nicht die Mindestpension erreicht hat. Sie konnten um Ausgleichszulage ansuchen. Diese wurde auch gewährt, allerdings war die Voraussetzung dafür ein ständiger Wohnsitz in Österreich. Ein Auslandsaufenthalt bis zu drei Monaten ist möglich, aber nicht länger.

 

Möglicherweise - darauf sollten wir stolz sein - ist im Krankheitsfall eine bessere Versorgung in Österreich möglich.

 

Nicht zuletzt ist natürlich auch die Familiensituation ausschlaggebend. Sie sind mit ihren Kindern gekommen. Die Kinder sind hier in die Schule gegangen, haben hier einen Beruf gelernt, arbeiten hier, es ist möglicherweise für sie wirklich die Heimat geworden und die Alten wollen nicht allein in ihr Herkunftsland zurückgehen.

 

Viele haben sich wahrscheinlich - auch darauf können wir stolz sein – an einen westlichen Lebensstandard gewöhnt.

 

Auch wenn sehr viele, die ursprünglich selbst in ihre Heimat zurückkehren wollen, aus obgenannten Gründen hier bleiben möchten, müssen wir uns, oder gerade deswegen, müssen wir uns natürlich mit diesem Thema beschäftigen. Leider hat man aber - da spreche ich in erster Linie natürlich die Regierungspartei in Wien an, denn sie ist eigentlich sehr bemüht, die Pensionisten zu betreuen - an diese Bevölkerungsgruppe noch nicht wirklich gedacht.

 

Die Hürden, die wir für die älteren Migranten aufgebaut haben, sind nicht unbeträchtlich. Nehmen wir an, jemand hat in seiner Pension weniger Einkommen als er zur Zeit seines Verdienstes hatte - das ist meistens so -, so ist die teure Untermietwohnung oder die teure Wohnung überhaupt, meistens Bassenawohnung, jetzt noch schwieriger zu bezahlen. Das kann eine Notsituation ergeben, die Menschen in die Obdachlosigkeit treiben kann. Es gibt zwar einen vorsichtigen Zugang zu Gemeindebauten in Notsituationen,

 

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