Gemeinderat,
6. Sitzung vom 25.10.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 100
Personennahverkehrsdienstleistungen
durch Gebietskörperschaften als Aufgabenträger nur nach einer EU-weiten
Ausschreibung möglich sein. Der Vorschlag einer Verordnung wurde von der
Kommission im Juli 2000 erlassen und diese geht natürlich dem nationalen Recht
vor. Entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen müssten, damit diese überhaupt
rechtlich wirksam werden könnten, vor Verabschiedung der Verordnung erfolgen.
Allerdings wird es noch sehr viele Monate dauern, vielleicht sogar noch ein halbes
Jahr, bis diese Verordnung seitens der EU verabschiedet wird, und das, sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister, wissen auch Sie.
Was diese
Verordnung letztendlich beinhalten wird, meine sehr geehrten Damen und Herren,
wissen die meisten von uns nicht. Sie, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister,
dürften jedoch wesentlich mehr Informationen haben, denn einem Pressedienst vom
16. Oktober entnehme ich Folgendes:
"Die
wichtigsten vom Verkehrsausschuss der EU angenommenen Abänderungsanträge. Es
ist für eine Stadt zulässig, den Personennahverkehr durch ein Eigenunternehmen
besorgen zu lassen, wenn dieses nicht auf anderen Märkten als Konkurrent
auftritt. In diesem Fall ist die Direktvergabe von integrierten Verkehrsleistungen
von U-Bahn, Straßenbahn und Bus ohne Ausschreibung möglich. Wird dieses Konzept
der Eigenregie nicht realisiert, so kann die Stadt trotzdem den U-Bahn- und Straßenverkehr
direkt vergeben, nicht aber den Busverkehr, der in diesem Fall ausgeschrieben
werden müsste.
In die
EU-Verordnung flossen darüber hinaus noch Regelungen zur Verhinderung von
Lohndumping, zur Sicherung eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie
Sicherheitsbestimmungen hinsichtlich des Personals und der Fahrgäste ein. Die
Einhaltung kollektivvertraglicher Regelungen ist künftig ein Auswahlkriterium
für potenzielle Betreiber." - So Ihr Pressedienst, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister.
Wenn diese
Änderungen tatsächlich in die Verordnung einfließen, frage ich mich, wozu wir
diesen Vertrag überhaupt benötigen? - Sollten diese Änderungen tatsächlich
beinhaltet sein, dann ist der Weiterbestand der Wiener Linien und deren Bediensteten ausreichend abgesichert.
Sehr geehrter
Herr Vizebürgermeister! Als vorsichtiger Politiker denken Sie genau wie ich:
Wer weiß, was denen in Brüssel noch alles einfällt! und schützen die Gemeinde
Wien beziehungsweise die Wiener Linien
vor Brüssel mit einem zusätzlichen Vertrag. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht.
Aber warum diese Eile? Wegen der Streikdrohung der Gewerkschaft? - Ich glaube
nicht, dass die Gewerkschaft bei Kenntnis dieser gravierenden Änderungen ihre
Streikdrohung aufrechterhalten hätte. Es ist nicht denkunmöglich, dass die
Verordnung aus Brüssel die Bediensteten der Wiener
Linien besser absichert, als dieser überhastete Vertrag. Unseres Erachtens
nach wäre es sinnvoller gewesen, diesen Vertrag allenfalls noch präziser auszuarbeiten
und die anderen Fraktionen in Gespräche mit einzubeziehen.
Herr Kollege
Tschirf hat in der letzten Sitzung des Finanzausschusses beantragt, diesen
Vertrag von der Tagesordnung abzusetzen, um mit den einzelnen Fraktionen
diesbezügliche Gespräche zu führen. Leider, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister,
haben Sie in dieser Sitzung die Meinung vertreten, dass die Auffassungsunterschiede
so groß wären, dass Parteiengespräche kein Ergebnis brächten. Mit unserer Fraktion
. ich darf das nochmals wiederholen - haben keine Gespräche stattgefunden. Alle
Oppositionsparteien haben dann dem Antrag des Kollegen Tschirf zugestimmt.
Bedauerlicherweise hat die sozialdemokratische Fraktion diesen Antrag niedergestimmt.
Was sind nun
unsere Bedenken, unsere Kritikpunkte, über die wir mit Ihnen zumindest gerne
diskutiert hätten? - Das ist einmal die Finanzierungsform. Einem Pressedienst,
ebenfalls vom 16. Oktober, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, der sich
auf Sie beruft, entnehme ich unter anderem Folgendes: "Die Stadt Wien
verpflichtet sich, die Verluste des Unternehmens mit jährlich
4,052 Milliarden abzudecken."
Sehr geehrter
Herr Vizebürgermeister! Dies stimmt natürlich nur zum Teil. Tatsächlich
verpflichtet sich die Stadt Wien, für die Verkehrsdienstleistung jährlich
4,052 Milliarden S zu bezahlen, unabhängig vom Betriebsergebnis.
Bedingt durch die Ausgliederung der Wiener Stadtwerke kenne ich eventuelle
Verlustvorträge der Wiener Linien nicht. Aber was wäre, wenn in
einem Jahr einmal ein großer Gewinn in der Bilanz ausgewiesen werden müsste,
wie es zum Beispiel vor einigen Jahren bei Wiengas
der Fall war - im Zuge einer Betriebsprüfung wurden die Vorräte neu bewertet,
und das Betriebsergebnis war kein Verlust, sondern ein Gewinn von fast
1 Milliarde S, ich glaube, das waren damals 960 Millionen S
-, oder wenn durch geschickte wirtschaftliche Einmaltransaktionen - wie zum
Beispiel vor einigen Jahren das "Pickle"-Leasing - ein Gewinn
ausgewiesen werden würde? - Bei fehlenden entsprechenden Verlustvorträgen
könnten wir die Hälfte oder ein Drittel dieser 4 Milliarden S gleich
direkt an den Herrn Finanzminister weiter überweisen. Das kann doch nicht der
Sinn dieses Vertrags sein. Aus diesem Beispiel erkennt man, dass eine Koppelung
der jährlichen Zahlungen an das Betriebsergebnis, in welcher Form auch immer,
anzudenken gewesen wäre. (Beifall bei der
FPÖ.)
Ebenso sollten
Ausstiegs- und Valorisierungsmöglichkeiten neu überdacht und insbesondere der
Wechsel von eventuellen Besitzverhältnissen hier mit berücksichtigt werden. Durch die Höhe der jährlichen Zahlungen
und die lange Laufzeit erhöht sich der Wert des Unternehmens beträchtlich und
damit natürlich auch der Kaufanreiz für ausländische Interessenten.
Ein weiterer Bereich,
sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, über den wir mit Ihnen gerne gesprochen
hätten, ist die Tarifautonomie. Ich zitiere aus dem Vertrag: "Die WIENER
LINIEN sichern zu, Tariferhö
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