Gemeinderat,
6. Sitzung vom 25.10.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 100
Ich
habe nie verstanden, mit welcher Beharrlichkeit manche den Standpunkt
vertraten, dass der Vertrag den Ist-Zustand bis ins Detail festschreiben soll,
als ob die Situation nicht schon in einer Woche anders aussehen kann, weil das
Unternehmen auf Wunsch oder Anregung der Bezirke etwa das Intervall gewisser
Linien wieder verkürzt hat. Allein die Informationen, die mir in Bezug auf
einen einzigen Tag zugegangen sind, zeigen mir, wie dynamisch die Entwicklung
ist und wie stark die Kooperation zwischen den Bezirken und dem Unternehmen
ist, weil man eben in diesem Bereich versucht, auf Wünsche, was die Verkürzung
von Intervallen betrifft oder was Stationen betrifft, einzugehen.
Das geht weit über eine Carrier-Tätigkeit hinaus, sondern es
geht hierbei eigentlich schlechthin um das Wesen der Zusammenarbeit zwischen
den WIENER LINIEN und der Stadt. Manche haben das offenbar bis heute nicht
begriffen. Ich kann in diesem Zusammenhang nur auf eine Bestimmung in diesem
Vertragswerk verweisen, in der es ausdrücklich heißt, dass dieses
Verkehrsmanagement unter Einbindung des Magistrats und der Bezirke wie bisher
stattzufinden hat. Das ist eine Schlüsselstelle des Vertragswerks. Hier erfolgt
die festeste Verbindung zwischen unternehmerischer Managementfunktion und der
politischen Aufgabenstellung einer Leitlinienvorgabe.
Was die andere Frage, die hier mehrfach angeklungen ist,
betrifft, nämlich wie die Aufgabenverteilung innerhalb der Stadtverfassung
zwischen Mitgliedern der Stadtregierung, Ausschuss und Gemeinderat geregelt
wird: Diese Frage kann durch den Vertrag nicht geregelt werden. Da gelten die
allgemeinen Spielregeln. Was danach im Rahmen der Entwicklung zu geschehen hat,
hat jeweils entsprechend zu geschehen.
Es wurde hier von GR Margulies, glaube ich, sogar noch in
einem Zwischenruf die Behauptung aufrechterhalten, dass keine Ziele
festgeschrieben seien. Ich bitte ihn, den Vertrag zur Hand zu nehmen. In Artikel 4
Abs. 1 ist im Detail dargestellt, wie für die einzelnen Verkehrsträger -
Bus, Straßenbahn und U-Bahn - die Platzkilometer in den einzelnen Jahren weiterentwickelt
werden sollen. - Also, was sollen wir noch in einen Vertrag hineinschreiben, um
nicht dann die Kritik zu ernten, dass darin überhaupt keine Entwicklung und
keine Zukunftsperspektive im Detail festgelegt werde?
Ein zweiter Punkt, der für die Beurteilung des Vertrags
wesentlich ist: Die WIENER LINIEN, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind
ein Unternehmen, das sich in seiner Verkehrsdienstleistung und in seiner
Infrastrukturdienstleistung auf Wien konzentriert und nicht, so wie manche
internationale Konzerne, quer durch Europa hausieren geht, um eine Betriebsleistung
aufzureißen. Das ist eine völlig andere Situation, und der Vertrag mit einem
derartigen international tätigen Partner müsste natürlich völlig anders
ausschauen als hier, wo es sich um einen Vertrag mit einem Unternehmen handelt,
das auf diesen Bereich konzentriert ist und das vor allem zu 100 Prozent
im Eigentum der Stadt steht. Wir schließen einen Vertrag mit einem Unternehmen
ab, das uns gehört, und nicht mit einem Privatunternehmen. Offenbar spielt da
bei manchen auch ein Aspekt, der jetzt unterdrückt wird, eine Rolle.
Ein weiterer Punkt: Das, was durch diesen Vertrag geschieht
- weil auch die Frage angesprochen wurde, wie eilig das denn sei und worum es
bei diesem Vertrag denn überhaupt gehe -, bedeutet im Sinne des Rechtssystems
der Europäischen Union die Konzessionserteilung - nicht die Konzessionserteilung
im Sinne des österreichischen Rechts, sondern die Konzessionserteilung im
Rahmen des europäischen Rechts. Und die verlangt Eile, zumal es für uns wichtig
ist, im Rechtssystem der Europäischen Union etabliert zu sein.
Zweitens. Es
ist mehrfach mit Recht betont worden, dass es bei diesem Vertrag um einen
Finanzierungs- und Managementvertrag geht und nicht um einen Sanierungsvertrag.
Wenn man sich natürlich an den desolaten Bedingungen der Stadt Berlin
orientiert und möglicherweise an den Schwierigkeiten, die die Berliner Verkehrsunternehmen
haben, dann kann man natürlich verleitet sein, in eine solche Rolle zu rutschen.
Ich räume ein, dass der Besuch des früheren Vizebürgermeisters und nunmehrigen
Klubobmanns Görg in Berlin eine solche Verleitung für die Österrei-chische
Volkspartei mit sich gebracht hat. (Ruf
bei der ÖVP: Ha, ha, ha!) Es ist bei diesem Besuch auch über die Auswirkungen
des dortigen Vertrags berichtet worden, der ja hier von Kollegin Rothauer so
gelobt worden ist, eines dicken Vertrags - ich weiß nicht, ob er
700 Seiten hat oder weniger -, bei dem es im Er-gebnis darum gegangen ist,
dass es von 27 000 ehemaligen Beschäftigten im Jahr 2004 nur mehr
12 000 geben wird; jetzt sind es nur noch 14 000. Ich halte es wirklich
für bemerkenswert, dass der damalige VBgm Görg bei seinem Besuch bei Diepgen
und anderen in Bezug auf diesen Vertrag gemeint hat, er könnte sich die
Regelung, die dort als Vorbild hingestellt worden ist, auch für Wien
vorstellen. Dabei war näm-lich davon die Rede, dass notfalls auch Mechaniker
als Busfahrer aushelfen müssten.
Wenn man das als
Maßstab für die Qualität eines Unternehmens anerkennt, wie das laut einer Mitteilung
in der "Presse" seitens des Klubobmanns der Österreichischen
Volkspartei geschehen ist, dann frage ich mich, Frau Kollegin Rothauer, wie Sie
sich hier herstellen und in Bezug auf die Frage der Qualitätsanforderungen
derartige Kritik an diesem Vertragswerk üben können. In diesem Vertrag steht natürlich
nicht drinnen, dass wir es zulassen wollen, dass Mechaniker notfalls als
Buslenker einspringen können. (GR Gerhard
Pfeiffer: Ist da was Unanständiges dabei?) Sie können sich auch vorstellen,
was das für die Verkehrssicherheit bedeuten würde, wenn wir das zu unserem
Maßstab machen würden. (Beifall bei
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