Gemeinderat,
7. Sitzung vom 19.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 138
Stadtregierung haben wir nunmehr einen Anteil an
Atomstrom von rund 16 Prozent im Wiener Netz, und Wienstrom denkt gar nicht daran, von sich aus
irgendetwas daran zu ändern.
Der deutsche Energiekonzern E.ON ist einen anderen
Weg gegangen. Er hat wegen der massiven Proteste der Bevölkerung in Österreich
und Bayern den Stromliefervertrag mit Temelin aufgekündigt. Wenn jetzt alle
Energieunternehmen sich weigern, Verträge mit der Tschechischen Republik
abzuschließen, dann wäre der Betrieb von Temelin unmöglich. Temelin würde auf
seinem Atomstrom sitzen bleiben.
Wenn sich darüber hinaus Energieversorgungsunternehmen
generell weigern würden, und zwar zunehmend immer mehr
Energieversorgungsunternehmen, Atomstrom zuzukaufen, dann wäre auch allen
anderen Atomkraftwerken, insbesondere jenen in den Ostblockstaaten, die
Geschäftsbasis entzogen und ein Atomausstieg in den ehemaligen Ostblockstaaten
wäre ein unumgänglicher Schritt.
Sie alle wissen, dass Atomstrom weder umweltfreundlich
noch, wie so manche Befürworter gerne behaupten, billig ist. Und die Folgen von
Tschernobyl sind uns allen noch in reger Erinnerung. Temelin ist nur
50 Kilometer von der Staatsgrenze entfernt und liegt noch dazu auf einer
Erdbebenlinie. Also ein Reaktorunfall hätte für Wien insbesondere weit verheerendere
Folgen.
Was die Kosten anbelangt - aber das ist ja nur ein
Nebenschauplatz, die Sicherheitsaspekte sind sicher die weit wichtigeren -, hat
Lloyd errechnet, dass 1 Kilowattstunde Atomstrom bei der Einrechnung aller
Lagerungs-, Entsorgungs- und Schadensbeseitigungskosten auf mindestens
25 S käme, und da wirft man uns vor, wenn wir uns für erneuerbare Energie
einsetzen, Fotovoltaik wäre teuer.
Die SPÖ hat es in der Vergangenheit verabsäumt
sicherzustellen, dass Wienstrom
keinen Atomstrom zukauft. Die SPÖ hat es ebenso über Jahre hinweg verabsäumt,
im Sinne eines Antiatomkurses positiv auf unsere Nachbarstaaten einzuwirken.
Und so halbherzig, wie die Wiener SPÖ sich mit dem
Klimaschutzprogramm gegen Atomstrom und für die erneuerbare Energie eingesetzt
hat, so halbherzig ist die SPÖ auf der gesamten Bundesebene auch in der
Temelin-Frage. (GR Paul Zimmermann: Das
stimmt aber nicht!) Da beklagt zwar die Bundesumweltsprecherin der SPÖ eine
Reihe von ungelösten technischen Problemen und bekennt auch, dass jede neue
Panne die Ängste und Sorgen der Österreicher aufs Neue bestätigt, aber die SPÖ
ist nicht wirklich bereit, etwas Konstruktives dagegen zu tun.
Und wenn Sie sagen, uns liegt gar nichts daran, die Sicherheit
der Österreicher zu gewährleisten, wir machen das nur, ich weiß nicht, aus
welchen Gründen, weil wir halt etwas gegen Tschechien haben, dann ist das nur
die letzte Ausrede, die Sie haben, weil Sie nicht wirklich begründen können,
warum Sie sich uns anschließen und ein vehementes Nein zur Atomkraft aussprechen.
Jetzt wäre es Zeit, Farbe zu bekennen, sich massiv
für den Atomausstieg der EU und auch der Aufnahmewerber einzusetzen. Sie haben
uns 1994 versprochen, wenn wir erst in der EU sind, dann können wir aktiv mitgestalten.
Dann tun Sie es doch! (GR Paul
Zimmermann: Das ist auch geschehen! Vergessen Sie das wirklich? - GR Godwin
Schuster: Sie waren doch die Ersten, die dagegen waren! - GR Paul Zimmermann:
Vergessen Sie das nicht!) Das sind doch lauter so halbherzige Aktionen. Sie
sagen, man soll das Energiekapitel nicht abschließen, aber ein Veto kommt nicht
in Frage. Sie lavieren sich in dieser Frage seit Jahren durch. (Beifall bei der FPÖ. - GR Godwin Schuster:
Wasser predigen und Wein trinken!)
Der jetzige Zeitpunkt könnte gar nicht besser gewählt
sein, um etwas zu tun. Immerhin gibt es sechs EU-Staaten, die nie in die
Kernenergie eingestiegen sind, und von acht AKW-Betreiberländern haben bereits
fünf einen Ausstieg beschlossen. Auch unter den Beitrittsländern sind fünf
atomfreie und für drei gibt es bereits Schließungsverpflichtungen.
Wenn es der EU gelungen ist, in der Slowakei eine
Überzeugung herbeizuführen, dass das Schrott-AKW in Bohunice Schritt für
Schritt stillgelegt werden soll, warum ... (GR
Paul Zimmermann: Das ist falsch!) Da ist in der Slowakei immerhin eine
Bereitschaft signalisiert worden, da wird Schritt für Schritt aus diesem Atomkraftwerk
Bohunice ausgestiegen. Es ist daher nicht einzusehen, warum wir nicht bei Tschechien
das Gleiche versuchen sollen, nämlich die bestmögliche aller Verbesserungsvarianten,
einen Atomausstieg, zu erreichen. (Beifall
bei der FPÖ.)
Verweigern Sie doch nicht länger einen deutlichen
Sicherheitskurs in dieser Frage. Fordern Sie in weiterer Folge auch Wienstrom auf, keinen Atomstrom mehr
zuzukaufen, wie es einer Umweltmusterstadt an sich zustünde. In dieser wesentlichen
Frage haben Sie nämlich die Wienerinnen und Wiener im Stich gelassen.
Stattdessen - das haben meine Kollegen schon gesagt - werden die Wiener
Haushalte mit einer ungerechtfertigten Stromsteuer belastet. Statt Ökostrom
fließt Atomstrom und von einer kostengerechten Einspeisungsvergütung für
erneuerbare Energie ist noch immer nichts zu sehen oder zu hören. Sie haben die
Wienerinnen und Wiener im Wahlkampf mit vielen falschen Versprechungen und mit
unrichtiger Gräuelpropaganda gegen die Bundesregierung getäuscht. Ihre Fantasie
dabei war wirklich grenzenlos. (GR Godwin
Schuster: Zitieren Sie doch etwas!) Sie haben ein Märchen von einem
sozialistischen Gegenmodell erzählt, nach den Wahlen kommt jedoch das Belastungspaket
und das böse Erwachen.
Sie haben beispielsweise ein Horrormärchen über die
angebliche Gefährdung des Wassers erzählt. Die bösen Bundesforste verkaufen
Grund und Boden und dadurch ist das Wiener Wasser gefährdet. Sie wissen genau,
dass das nicht stimmt, dass das eine falsche Aufhetzung der Bevölkerung ist. Es
gibt ausreichend
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