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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 145

 

bestehen - zum Beispiel in der Steiermark oder in Oberösterreich -, kamen die Wettbewerbsgewinner aus den produzierenden Bereichen. In Wien kam ein interessantes Projekt zum Zuge, das in einer Firma mit fünf Mitarbeitern entwickelt wurde. Es ist großartig, was dort entwickelt wird, das Problem ist nur, dass das zwar hohe geistige Arbeit voraussetzt, aber arbeitsmarktpolitisch wenig Einfluss auf die schwierige Arbeitsmarktsituation in Wien hat.

 

Man muss daher versuchen, technisch und innovativ hochwertige Industrien nach Wien zu bringen. Die sind weder umweltbelastend noch lärmbelastend und können ihre Arbeitsplätze in jeder Großstadt, in jeder europäischen Großstadt anbieten. Hier haben wir vieles an das Wiener Umland verloren, daher wäre es wichtig, zu dem zu kommen, was der ehemalige VBgm Görg einmal als "Vienna Region" bezeichnet hat.

 

Damit komme ich zu einem Bereich, der heute auch in der Rede des Vizebürgermeisters völlig ausgefallen ist, und zwar ist das der Bereich der Europäischen Integration und auch der Stadtaußenpolitik. Es hat schon in der vorigen Periode 1996 bis 2001 Europaprojekte in Wien gegeben. Eines davon wurde ganz ausgezeichnet abgewickelt, das war das Urban-Gürtel-Plus-Projekt. Das Zweite waren INTERREG-Projekte mit unseren östlichen Nachbarn, einerseits mit Niederösterreich und Burgenland gemeinsam, aber andererseits mit Tschechien, Slowakei und Ungarn. Diese wurden nur zu einem kleinen Teil in Anspruch genommen. Immer wieder wurden kleine Projekte vorgestellt und es wurde gesagt: Wir müssen sie durchführen, denn dafür bekommen wir Geld von der EU, und bevor wir das Geld verfallen lassen, machen wir das lieber.

 

Hier hätte es viele Möglichkeiten gegeben, die Regionen weiterzuentwickeln. Noch im Dezember hat StR Schicker nach Tagungen, die in Brünn, in Pressburg, aber auch in Györ stattgefunden haben und dort von Compress vorbereitet wurden, gesagt, das ist wichtig, und wir werden im Zuge der Erweiterung der Europäischen Union schauen, dass hier eine Europaregion mit dem Mittelpunkt Wien gegründet wird.

 

Ich kann mich erinnern, es ist ungefähr zwei Jahre her, da hat es eine Pressekonferenz zwischen der damaligen Finanzstadträtin Ederer und dem Präsidenten der Wiener Wirtschaftskammer Nettig gegeben. Damals hat es geheißen, das ist ein Bereich von ungefähr 2 bis 3 Millionen Einwohnern, da ist großes wirtschaftliches Potenzial vorhanden, das auch genützt werden sollte. Es sind zwei, drei Jahre vergangen, aber passiert ist in diesem Bereich eigentlich überhaupt nichts. Auch die Ankündigung Schickers, dass er sich für eine Europaregion in Zusammenarbeit mit den genannten Städten, die an unserer Grenze sind und in denen es überall auch ein Büro von Compress gibt, einsetzen wird, hat nicht dazu geführt, dass weitere Projekte in Angriff genommen wurden, denn seit dem, ich glaube, 7. Dezember 2001 hat es vom Planungsstadtrat in diesem Bereich keine Meldungen mehr gegeben.

 

Die Erweiterung der Europäischen Union kommt jetzt in eine Phase, in der es heißt, 2004 käme es zu weiteren Beitritten. Aber jetzt geht es auch um das Eingemachte. Es geht um die Finanzierung einerseits der Landwirtschaft und andererseits des ganzen Bereichs der Strukturpolitik. Der SPD-Bundeskanzler Deutschlands hat plötzlich gesagt, Deutschland könne es sich nicht mehr leisten, die Landwirtschaft in den Beitrittswerberländern auch mit Direktzahlungen zu unterstützen. Ich hoffe, dass das nicht nur eine Ansage eines im Wahlkampf befindlichen Bundeskanzlers war, sondern dass das dazu führen müsste, eine Änderung der Agrarpolitik in der Europäischen Union zu bewirken.

 

Was ist passiert? - Es hat dort niemand darüber nachgedacht, wie man bei der Agrarpolitik, die immerhin 50 Prozent des Gesamtaufwands der Europäischen Union zur Finanzierung benötigt, Änderungen durchführen könnte, nein, es ist etwas anderes passiert: Einen Tag darauf hat Agrarkommissar Fischler in der "Pressestunde" im ORF 2 dem deutschen Bundeskanzler einfach eine Rüge erteilt. Es handelt sich bei Fischler um einen Politiker, der noch nie eine Wählerstimme brauchte, der mit Begeisterung in Brüssel sitzt und dort die Bürokratie aufrechterhält, ohne sich wirklich den Kopf zu zerbrechen, wie es den kleinstrukturierten Landwirtschaften in den kleineren Ländern geht - Österreich ist ein ganz typisches Beispiel dafür -, ohne daran zu denken, dass jetzt Länder an unseren östlichen Grenzen dazukommen, die eine sehr großstrukturierte, aber veraltete Landwirtschaft haben, deren landwirtschaftlicher Bereich zum großen Teil aus der Produktion herausgenommen werden muss.

 

Ich glaube, es ist überhaupt nicht möglich, eine Finanzierung dieses Bereichs durchzuführen. Darüber hinaus werden jetzt jene Länder aufheulen, die derzeit die Gelder, die für die Landwirtschaft heranzuziehen sind, bekommen. Das ist an erster Stelle Frankreich, dessen Bauern die größten Förderungen im Agrarbereich erhalten, gefolgt von Spanien, Portugal und Griechenland.

 

Meine Damen und Herren! Sie können sich noch erinnern, dass, als die Erweiterung um Österreich und die nordischen Staaten erfolgt ist, die Südländer Europa gezwungen haben, als Voraussetzung für ihre Zustimmung einen Kohäsionsfonds einzurichten, um zusätzliche Mittel in Anspruch nehmen zu können. Dieser Kohäsionsfonds wurde eingerichtet und hat dazu geführt, dass die Südländer zusätzliche Mittel erhalten haben. Interessant ist nur, dass Griechenland zum Beispiel von den zusätzlichen Mitteln nur 60 Prozent in Anspruch nehmen konnte, weil beim Kohäsionsfonds eine Eigenmittelaufbringung von insgesamt 20 Prozent notwendig ist und sich die Länder das nicht leisten konnten. Aus diesem Grund wurden die Mittel gar nicht in Anspruch genommen. Daher hat es auch bei den Abrechnungen jährlich immer wieder kleine Rückflüsse an alle Länder gegeben, vor allem auch an die Nettozahler. Das hat bei Österreich dazu geführt, dass man dann zwischen einer und eineinhalb Milliarden weniger als budgetiert wirklich leisten musste.

 

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