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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 25.10.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 23 von 106

 

Dabei sind wir nicht allein. Die Politik braucht die Schule dazu, braucht die Eltern dazu, braucht die Wirtschaft dazu. Das heißt, das, was wir tun können - und das ist sozusagen die erste Konsequenz -, ist, die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

 

Jetzt liegt die PISA-Studie auf dem Tisch, das Faktum gibt es, die Zahlen gibt es, und die zweite Frage, die ich mir gestellt habe, war: Warum gibt es denn diese Zahlen? Was steckt hinter diesen Zahlen? Warum lesen die Buben weniger und schlechter als die Mädchen? - Als Frauenpolitikerin würde ich sagen, wahrscheinlich deshalb, weil Männer besser schauen als denken und lesen können, aber das wäre viel zu pauschal gesagt, und ich möchte da natürlich die Anwesenden speziell ausnehmen.

 

Mit all diesen Fragen muss man sich in der Pädagogik beschäftigen. So ist zum Beispiel auch die Legasthenie ein Thema, mit dem man sich intensiver beschäftigen muss, um zu schauen, wie denn die Legasthenie bei den SchülerInnen und in der österreichischen oder Wiener Bevölkerung verbreitet ist. Ist das etwas, was in letzter Zeit häufiger wird, oder ist das ein Bild, das es sowieso schon immer gegeben hat, auf das wir aber vielleicht zu wenig Rücksicht genommen haben?

 

Diesbezüglich möchte ich hervorheben, dass sich Expertinnen und Experten mit diesen Fragen beschäftigen, und zwar am 7. und 8. November - die interessierte Öffentlichkeit wird das wissen -, und ich möchte dabei betonen, dass wir eine dieser Expertinnen zum Thema Leseforschung hier im Hause haben, nämlich Frau Kollegin GRin Klicka. Als gstandene Lehrerin tratscht sie jetzt gerade, aber sie macht nicht nur die Eröffnung und ist die ganze Zeit dort anwesend, sondern sie hat dieses Projekt auch mitinitiiert, nachdem sie von dem jetzt schwarz gestalteten Buchklub der Jugend als Rote einfach entfernt wurde. - Soweit auch zum Einfluss der Politik zum Thema Lesen.

 

Ich wünsche euch für euer Projekt viel Erfolg, und ich habe mir gedacht, ich sage das heute sehr öffentlich, damit wir auch wissen, dass wir eine Expertin in unserem Kreis haben, die mir auch geholfen hat, mich für die heutige Aktuelle Stunde noch besser vorbereiten zu können.

 

Mit der Volkshochschule kann ein weiterer Beitrag geleistet werden, wofür die Politik moderne, zeitgemäße Rahmenbedingungen anbieten soll. Das machen wir. Zum Beispiel Stichwort: Hauptbibliothek. Das ist für uns ganz wichtig. Es wird viel Geld in die Hand genommen.

 

In der Schule gibt es viele Beiträge.

 

Einen Punkt möchte ich abschließend noch erwähnen, gerade zum Thema Männer und Lesen. Gerade in Bereichen, wo es Zäsuren im Leben gibt, sollte es Lesemotivation geben. Da würde ich anregen, speziell beim Bundesheer ein Projekt "Lesen statt Saufen" zu machen. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, um die Bundesheerzeit auch positiv und gut zu verbringen.

 

Letztendlich möchte ich sagen, dass wir als Sozialdemokraten eine tolle Aktion haben, die man nachahmen sollte. Die Wiener Kinderfreunde schenken zu Weihnachten an Tausende Kinder Bücher. Das soll als kleine Anregung dazu dienen, dass Sie statt Alkohol oder Kalender heuer zu Weihnachten vielleicht auch ein Buch weiterschenken. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Der nächste Debattenbeitrag kommt von Frau GRin Jerusalem. - Bitte schön.

 

GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr verehrten Damen und Herren!

 

Ich habe für Sie eine gute und eine schlechte Nachricht. Sie können sich das jetzt aussuchen, aber ich sage Ihnen zuerst einmal die schlechte. Das ist die normale Vorgangsweise.

 

Die schlechte Nachricht ist: PISA hat uns eine Mitteilung gemacht über den Zustand des Lesens bei den 15- und 16-Jährigen, der sehr, sehr beunruhigend ist, und die Politik ignoriert das bislang. Bislang haben die, die eigentlich dazu in der Lage wären, da Maßnahmen vorzuschlagen, noch nichts oder kaum etwas gesagt. Da das jetzt kein Polit-Hick-Hack werden soll, werde ich auf die Potemkin’schen Dörfer und ganzen Dorflandschaften der Frau Ministerin Gehrer gar nicht eingehen, aber da wird schon noch etwas kommen müssen.

 

Zu Ihnen, Herr GR Strobl, möchte ich Folgendes sagen, denn Sie tun auch eine Sache immer aber so was von komplett ignorieren und anders darstellen, dass ich dazu ein Wort vermerken möchte: Gesamtschule. Wenn Sie sich die Ergebnisse wirklich im Detail anschauen wollen, dann sehen Sie, dass die Länder, die vor Österreich liegen (GR Walter Strobl: Ich habe mit Deutschland verglichen!), alles Länder mit einem Gesamtschulsystem sind, und zwar durch die Bank. Und was Sie als ÖVP und sogar die FPÖ ja rasend freuen müsste, ist, dass diese Länder sogar in der Förderung der Besten, also in der so genannten Begabtenförderung, ebenfalls viel, viel, viel besser abschneiden als Österreich.

 

Eine einzige Zahl: In Finnland sind 18 Prozent in der Gruppe der besten Leserinnen und Leser und nur 2 Prozent bei den Schlechtesten - Gesamtschulsystem, Herr GR Strobl -, und in Österreich sind es ganze 9 Prozent in der Gruppe der Besten, also nur genau die Hälfte, und 4 Prozent in der Gruppe der Schlechtesten. Dasselbe gilt für Kanada, Australien, Irland, Schweden: Gesamtschulsystem, Gesamtschulsystem, Gesamtschulsystem. Daher bitte auch nicht anders darstellen. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPÖ.)

 

Zum nächsten Redner, zum Herrn Abg Rudolph. Also, wenn wir die Marke Rudolph in Zukunft in unseren Schulen anwenden, dann können wir sicher sein, dass innerhalb weniger Jahre überhaupt kein Mensch mehr in der Schule zu einem Buch greifen wird, denn dann haben wir alle vergrault, die man vergraulen kann. (Beifall der GRin Mag Sonja Wehsely.) Es stellt sich nämlich heraus, dass diejenigen, die am wenigsten gerne lesen und die sagen, sie lesen eigentlich überhaupt kein Buch, dieselben sind, die darauf verweisen, dass ihnen die Schule das Lesen abgewöhnt hat, weil so viel Druck und Zwang auf sie ausgeübt wurde. - So schaut

 

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