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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 102 von 122

 

stark ausgrenzt, und ob wir nicht darüber einmal reden sollten.

 

Sie hat gemeint, sie möchte die Tradition des "Roten Wien" fortsetzen. Nun, das würde ich auch empfehlen! Es fragt sich nur: Wie geht das, und wie muss eine Politik heutzutage aussehen? Welche modernen Instrumente der Sozialpolitik braucht man, um diese Politik fortsetzen zu können?

 

Frau GRin Stubenvoll hat über die Chancen für sozial Schwache gesprochen. Es wird ja auch noch Nachrednerinnen und Nachredner geben, und es würde mich schon interessieren, einmal etwas über die Chancen zum Beispiel jener Obdachlosen, die psychisch krank sind, zu hören. Oder handelt es sich bei dieser Gruppe von Menschen nicht vielleicht um solche, die nicht nur keine Chancen haben, die nicht nur arm sind, sondern die darüber hinaus auch noch zwischen allen Sesseln sitzen, nämlich deswegen, weil sie, ohne es zu wissen, ganz unglückseligerweise zwischen Ressorts zu sitzen kommen? Da gibt es verschiedene Ressorts, die meiner Meinung nach eigentlich beide zuständig sind, aber es sieht eher so aus, dass, wenn zwei oder drei Ressorts zuständig sind, letztlich dann keines von ihnen zuständig ist.

 

Was die psychisch kranken Obdachlosen betrifft, so gibt es im Wesentlichen niemanden, der sich so richtig um sie kümmert. Psychisch krank, das hieße ja, dass sich die Gesundheitsabteilung zuständig fühlen müsste. Psychisch krank, das hieße ja, dass sich der PSD zuständig fühlen müsste. Er fühlt sich aber nicht zuständig! Jetzt hat man ohnehin schon von Seiten der MA 12 als Notanker einen Vertrag mit "pro mente" abgeschlossen, um dieses Defizit ein bisschen ausgleichen zu können. Trotzdem - und das interessiert wahrscheinlich die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen alle und ganz im Besonderen - sind einfach viele Obdachlose, und von denen wiederum viele, die wirklich auf der Straße stehen, die nirgendwo hingehören und nirgendwo sind, psychisch krank, sie brauchen dringend Menschen, die auf sie zugehen, die hingehen, die sie abholen, an der Hand nehmen und dafür sorgen, dass sie in irgendeiner Form betreut werden.

 

Eine spezielle Strategie für diese Personengruppe ist mir unbekannt. Sollte es so sein, dass diese Strategie gegen die Armut, gegen die soziale Ausgrenzung, eine Strategie für diese spezielle Personengruppe irgendwo existiert, dann sagen Sie es mir bitte! Zeigen Sie es mir bitte! Zeigen Sie mir, wie dieses Problem in Zukunft gelöst werden soll und in welcher Art und Weise das budgetär vorgesehen ist.

 

Eine zweite Gruppe sind die AIDS-kranken Obdachlosen. Fühlt sich irgendjemand für die AIDS-kranken Obdachlosen zuständig? In den Heimen, in den Unterbringungsmöglichkeiten der MA 12 werden sie nicht aufgenommen. Der Fonds "Soziales Wien" - anderes Ressort, andere Baustelle, ich weiß schon, Gesundheitsabteilung - fühlt sich auch nicht zuständig. Kann man irgendwann einmal feststellen, wer in dieser Stadt, welches Ressort in dieser Stadt sich für AIDS-kranke Obdachlose zuständig fühlt? Oder bleibt es dabei, dass das ein privater Verein macht, der noch dazu vielfach gescholten und sogar öffentlich gescholten wird? - Wenn Sie mir nachher nur einfach sagen, wie die Chancen für diese AIDS-kranken Obdachlosen aussehen und wer sich in Hinkunft für sie zuständig fühlen wird, dann bin ich schon zufrieden.

 

Eine weitere Personengruppe sind die verelendeten suchtkranken Obdachlosen. Auch da ist es so, dass keine Strategie, kein Konzept, kein sichtbares Konzept besteht, wie man die Armut, die Obdachlosigkeit dieser Personen und die Verelendung bekämpfen will. Wir haben nach wie vor keine Konsumräume, die wir aber brauchen. Wir haben in dieser Stadt nach wie vor kein Heroinkonzept unter ärztlicher Betreuung, obwohl wir seit Jahren darüber reden, obwohl es mittlerweile von vielen Seiten heißt, dass das eine gute Sache wäre. (Zwischenruf des GR Gerhard Pfeiffer.) - Herr Pfeiffer! Ich befürchte, dass ich heute keine Lust habe, mich mit Ihnen über das ärztliche Heroinprojekt zu unterhalten. (GR Gerhard Pfeiffer: ... auf meiner Seite!) Auf Ihrer Seite ist vieles nicht, das weiß ich, das hat sich in den letzten Jahren bis zu mir herumgesprochen. (GR Gerhard Pfeiffer: Auf meiner Seite ist Österreich!)

 

Ich möchte mich noch kurz einer weiteren Personengruppe zuwenden, die uns sicher auch allen - Herrn Pfeiffer vielleicht nicht, aber vielen anderen von uns - am Herzen liegt: jenen jungen Menschen, die aus der Schule herauskommen und keinen Hauptschulabschluss haben und diesen dann später nachmachen wollen und sollen. Diese Menschen sind irgendwo "Hilfshackler" oder Gelegenheitsarbeiter geworden, und es muss unser aller Interesse sein, dass sie den Hauptschulabschluss nachmachen. Aber auch sie sitzen wieder zwischen verschiedenen Sesseln, nämlich dem der Stadt Wien, der Abteilung für Soziales, der Schule, des AMS und des Bundes. Irgendwie gelingt es nicht einmal, diese Personengruppe statistisch zu erfassen, sodass man sie überhaupt erreicht, sodass man diesen Personen überhaupt Angebote machen kann.

 

Jetzt weiß ich schon: Der Stadtschulrat führt einige Gruppen, die sogar kostenlos sind. Das ist eine ganz tolle Sache, das kann man gar nicht laut genug loben. Es gibt Volkshochschulen, es gibt auch private Kurse. Es gibt aber auch - und ich bitte Sie, jetzt weiter zu nicken - noch eine ziemlich lange Warteliste von jungen Menschen, die auch gerne solche Kurse besuchen würden, aber leider noch nicht drangekommen sind.

 

Eine letzte Gruppe von Menschen, die sich auch zwischen irgendwelchen Ressorts befinden, die arm sind und um die sich im Wesentlichen niemand besonders kümmert, sind die Migrantinnen und Migranten. Maria Vassilakou und ich haben da schon öfters Vorstöße gemacht, es sind mittlerweile eine ganze Reihe von Gemeinderäten beziehungsweise Abgeordneten der GRÜNEN, die immer wieder über dieses Problem stürzen: GR Margulies, Claudia Sommer-Smolik, Cecile Cordon. Immer wieder stellen wir den Antrag, dass auch Migrantinnen und Migranten ein Recht auf Sozialhilfe

 

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