Gemeinderat,
22. Sitzung vom 12.12.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 93
unserer Stadt, sterben, weil das "First Responder"
- System nicht ausreichend funktioniert?
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Bitte,
Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Dr Elisabeth Pittermann:
Ich weiß nicht, wie man realistisch zu dieser Zahl kommt. Ich habe selbst
zahlreiche Herzalarme erlebt. Ich habe sie im Spital erlebt, wo gegenüber U-Bahn-Stationen,
Kaufhäusern und Sportplätzen optimale Voraussetzungen bestehen, um Patienten zu
reanimieren. Von dem Zeitpunkt an, wo ein Mensch zusammenbricht, der andere das
sieht - denn man ist ja nicht ständig dabei - und festgestellt wird, dass es ein
Kammerflimmern ist und Maßnahmen ergriffen werden, ist es sehr selten, dass die
Reanimationsmaßnahmen wirklich zur Überlebenschance des Patienten massiv
beitragen. Die meisten Patienten, die gerettet werden, sind jene, die auf
Herzüberwachungsstationen liegen, wo sofort die Apparate alarmieren, wenn es
zum Kammerflimmern kommt, wo vor Ort alles vorhanden ist, und dann haben sie
die größten Chancen.
Ich habe Ihnen gesagt - und das ist das
Entscheidende! -, das Fenster ist 3 Minuten! In den 3 Minuten muss einer
verstehen, dass, wenn jemand umfällt, er nicht gestolpert ist, sondern dass er
bereits bewusstlos ist und dass er somit gefährdet ist, dass er keinen
Kreislauf mehr hat, dass der Kreislauf sistiert ist, das kann man durch den
Puls messen. Dann müssten sofort Reanimationsmaßnahmen einsetzen, zumindest
müsste eine Herzmassage durchgeführt werden, denn wenn Sie auch nach
3 Minuten mit dem Defibrillator kommen und überhaupt keine Herzmassage und
Beatmung betrieben haben, ist der Mensch bereits irreversibel geschädigt. Sie
müssen sofort, sobald Sie erfassen, dass ein Kreislaufstillstand eingetreten
ist, Maßnahmen setzen. Und das ist fast nie zu erreichen!
Die Defibrillatoren werden jetzt sehr stark
angepriesen. Es wird damit gezeigt, was alles möglich ist. Sie haben die
Möglichkeit natürlich auch bei Stromunfällen, wo man mit Reanimationsmaßnahmen
viel länger eine Chance hat und wo es immer geheißen hat, Reanimationsmaßnahmen
bei Stromverunfallten sollen bis zum Auftreten von Totenflecken durchgeführt
werden, weil die Chancen größer sind. Sie haben größere Chancen bei
Ertrunkenen, weil die Körpertemperatur absinkt und das Hirn daher weniger rasch
irreversibel geschädigt ist. Aber zu glauben, wenn Menschen irgendwo in
Wohnungen oder auf Straßen zusammenbrechen - 3 Minuten sind ein irrsinnig
kurzer Zeitraum und bis dahin muss der Kreislauf suffizient hergestellt sein
und dazwischen sollte er auch hergestellt sein. Nach 5 Minuten ist der
Mensch zum Leben nicht mehr erweckbar. Zwischen 3 und 5 Minuten können Sie
einen Menschen als Appalliker in das Leben zurückführen. Das sind jene, wo die
Maßnahmen noch rechtzeitig eingesetzt haben, aber bereits zu spät waren, um die
Hirnschädigung zu verhindern.
Sonst aber sind sehr, sehr viele der Geretteten, die
nicht von Herzstationen stammen, jene, die einen Kreislaufkollaps gehabt haben,
aber nicht mit Sistieren des Herzschlags.
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Danke.
- Die zweite Zusatzfrage hat Herr GR Dr Hahn.
GR Dr Johannes Hahn (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Frau Stadträtin, ich danke wieder für die
fachliche Kurzvorlesung. Mich interessieren aber im Wesentlichen die Ergebnisse
oder die Nichtergebnisse. Wenn wir sozusagen vom Beginn der Kette reden, dann
möchte ich an das andere Ende gehen.
Ich habe vor 14 Tagen die Situation der
Herzchirurgie am AKH thematisiert. Sie haben wieder ein Schreiben bekommen,
weil Sie in der Zwischenzeit gesagt haben, bis Anfang Dezember wird ein
brauchbares Konzept vorliegen, wie dort der Engpass beseitigt werden kann. In
dem Schreiben steht wieder drinnen, dass vor 2 Tagen ein 55-jähriger Mann
im Grunde genommen - man muss das leider so sagen - sinnlos gestorben ist, weil
es nicht möglich war, rechtzeitig zu operieren.
Also, wir haben hier organisatorische Defizite und
ich darf Sie auch hier nochmals von dieser Stelle aus fragen: Wie stellen Sie
sich vor, dass im Bereich der Herzchirurgie am AKH, wo es offensichtlich um
personelle Engpässe geht, die in Ihrem Bereich ressortieren, also im
Pflegebereich, diese Engpässe kurzfristig abgestellt werden können
beziehungsweise beseitigt werden?
Amtsf StRin Dr Elisabeth Pittermann:
Ich habe dem Herrn Generaldirektor den Auftrag gegeben, sofort dafür zu sorgen,
dass ein Zustand hergestellt wird, dass kein Patient zu Schaden kommt.
Krankenstände sind nicht immer vorher berechenbar und es kann nicht jeder in
jedem spezialisierten Bereich einspringen.
Das sind leider die Möglichkeiten, die es gibt und
Sie wissen, wir haben zu wenig Pflegefachkräfte in Wien. Ich habe mich bemüht,
mehr Pflegefachkräfte zu bekommen. Ich gebe das Bemühen auch nicht auf, ich
möchte auch die Schulen erweitern. Ich finde es absolut unmöglich, dass man die
potenziellen SchülerInnen für Pflegeschulen schon vorher sehr stark evaluiert.
Es kann jeder mit Maturazeugnis seine Universität besuchen, nur alle anderen
Berufe, die man im Leben ergreifen kann, hängen nicht an den eigentlichen
Bedingungen, die für die Aufnahme nötig sind, wie zum Beispiel ein
abgeschlossener Hauptschulabschluss und zehn Schulstufen, sondern da wird
vorher noch evaluiert. Ich weiß nicht, ob man damit immer etwas Gutes tut. Man
sagt zwar, man hebt damit wahnsinnig die Qualität. Ich glaube, dass da auch
berufsständische Interessen dahinter stehen. Das muss sicher österreichweit
auch überdacht werden, dass wir mehr Pflegefachkräfte bekommen. Aber wir haben
einen echten Mangel an diplomierten Krankenpflegefachkräften und das macht sich
leider immer wieder bemerkbar.
Es ist aber mein strikter Auftrag, gerade in die
Bereiche des AKH möglichst viel an Pflegefachkräfte hineinzugeben, weil ich
dort die Infrastruktur habe, die in meinen Augen sinnvoll rund um die Uhr
genützt werden soll.
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Danke.
- Als Nächster ist Herr GR Mag Kowarik zum Wort gemeldet.
GR Mag Helmut Kowarik (Klub der Wiener
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