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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 12.12.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 93

 

Seliger-Gemeinde, mit Vertretern der Sudeten-deutschen Arbeiterbewegung, mit Vertretern auch der Tschechischen Arbeiterbewegung, die wir heute auch in Wien vorfinden. Und ich darf Sie in besonderem Ausmaß auf ein Gespräch aufmerksam machen, das Sie auch mit jemandem führen können, der über große Erfahrungen in diesem Bereich verfügt und der nicht, auch nicht im Entferntesten, in den Geruch kommt, Deutschnationaler oder Nationalsozialist zu sein: Hubert Pfoch, der Präsident des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, ein langjähriger Bezirksobmann der SPÖ in Ottakring, der über exzellente Kontakte zur Seliger-Gemeinde in Deutschland und auch in Österreich verfügt, kann Ihnen sehr viel und sehr detailreich über die äußerst differenzierte Geschichte der Sudetendeutschen erzählen.

 

Und wenn Sie dies nicht wollen, so gibt es eine sehr dicke und große Publikation, die Sie auch nachlesen könnten, wo sich die Geschichte der Sudetendeutschen und insbesondere die Geschichte der Sudetendeutschen Arbeiterbewegung in höchst differenzierter Form darstellt.

 

Jawohl, es hat unter den Sudetendeutschen eine bedauernswert große Zahl an Nationalsozialisten gegeben, aber es hat unter den Sudetendeutschen auch eine große Zahl an Sozialdemokraten gegeben, an christlichen Arbeitnehmern gegeben, an Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus gegeben. Ähnliches ist auch für die ungarische Volksgruppe zu sagen. Und alle, alle, ob sie Nationalsozialisten gewesen sind, ob sie Sozialdemokraten gewesen sind, ob sie Widerstandskämpfer gewesen sind, ob sie christliche Arbeitnehmer gewesen sind oder ob sie Kommunisten gewesen sind, sind vertrieben worden. Und heute noch ist dies gerade bei den Vertriebenen zu erkennen und spiegelt sich auch wider.

 

Ich kann Sie daher nur bitten, Ihre historische Sicht etwas zu schärfen. Ob Sie mir glauben oder nicht, ist belanglos. Aber vielleicht versuchen Sie, sich mit den historischen Fakten auch nur einigermaßen vertraut zu machen.

 

Und ich ersuche Sie daher, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich für mich es jedenfalls auf Grund dieser historischen Fakten für unzulässig erachte, dass die Vertriebenen per se als rechtsradikal oder neonazistisch denunziert werden! (Beifall bei der SPÖ, bei der FPÖ und bei der ÖVP. - Aufregung bei den GRÜNEN.)

 

Ich darf es mir heute auch ersparen, ausführlich über die Benes-Dekrete zu referieren. Meine Auffassung ist aus dem Vorhergehenden zu erkennen. Ich darf lediglich auf die Ausführungen verweisen, die im Europäischen Parlament und letztlich auch im Frowein-Gutachten zu erkennen sind und die eine politische Geste der Tschechischen Republik zur Aufarbeitung der Geschichte als für angebracht erachtet, sodass letztlich auch die Frage der Vertriebenen in Europa - so wie viele andere historische Fragen - einer ordentlichen Lösung zugeführt wird.

 

Vor diesem Hintergrund, sehr geehrte Frau Gemeinderätin, habe ich aus historischer und Wiener Sicht, bezogen auf die Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz und in Kontinuität bisheriger Beschlüsse, hier im Wiener Gemeinderat der Erreichung einer Paketlösung, die de fakto eine einmalige Zahlung an den Vertriebenenfonds bedeutet, zugestimmt.

 

Zu Ihren Punkten 4 bis 7:

 

Das "Haus der Heimat" ist nach einer den Ländern übermittelten Information des Herrn Bundesministers Mag Grasser eine Begegnungsstätte mit Zentralbibliothek, Ausstellungsräumen und Festsaal, die dem Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs und seinen Mitgliedsverbänden zur Verfügung steht. Die in Rede stehenden Zahlungen werden von der Finanzverwaltung aufgebracht.

 

Ich darf Ihnen auch hier in aller gebotenen Deutlichkeit sagen: Wann immer in dieser Stadt, egal ob auf der Universität, in anderen Räumlichkeiten, auf Straßen oder Plätzen dieser Stadt, den österreichischen Grundkonsens und das österreichische Rechtswesen verletzende Veranstaltungen von Nationalsozialisten stattfinden, wann immer hier in unserer Stadt den Holocaust leugnende oder auch sonstige rechtsradikale Veranstaltungen stattfinden, werden Sie mich ganz unbestreitbar auch in der ersten Linie der Kritiker finden, denn da ist es mir völlig egal, wo dies stattfindet. Und wenn es auf der Universität stattfindet, so hat man auf der Universität dagegen zu protestieren, so wie ich das seit mehr als 30 Jahren in meinem politischen Leben auch tu’! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Und wenn, so wie ich das aus persönlicher Erfahrung kenne, an den Universitäten solche Veranstaltungen stattfinden, dann werden wir dagegen protestieren, dagegen auftreten und versuchen, solche Veranstaltungen auch hintan zu halten, aber wir werden mit Sicherheit nicht die Universitäten auflösen! Das sei Ihnen auch gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Nun zu Ihren Fragen 8 bis 12:

 

Vom Grundsatz her gehe ich davon aus, dass sich Veranstalter jedweder Veranstaltungen an die Rechtsordnung halten. Wenn sich aber herausstellen sollte, dass der Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs, Teile dessen oder einzelne Exponenten beziehungsweise die Veranstalter im "Haus der Heimat" zum rechtsextremen Hort mutiert sind, so ist es zunächst die Aufgabe der zuständigen Behörden, strafbare Handlungen zu ahnden und letztlich auch zu unterbinden. Aber es wird unsere gemeinsame politische Aufgabe auch sein, uns mit den nun dann in der Tat auch so zu identifizierenden rechtsextremistischen, neonazistischen, rassistischen oder anderen Autoren, Referenten oder Veranstaltungen auseinander zu setzen. Dass dies stattfindet, da brauchen Sie sich im Hinblick auf meine Grundhaltung keine Sorgen zu machen, sehr geschätzte Frau Gemeinderätin! (Beifall bei der SPÖ. - Aufregung des GR Günter Kenesei.)

 

Was Ihre Frage 9 betrifft:

 

Wie mir berichtet wird, hat der Finanzausschuss des 23. Bezirks aus seinen dezentralen Mitteln die Förderung des gesamten Jahresprogramms für den Kulturkreis 23

 

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