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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 23.06.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 122

 

Baunebengewerbe betrugen 1,45 Milliarden EUR und waren ebenfalls höher als im Vorjahr, wenn man, meine sehr geehrten Damen und Herren, netto mit netto vergleicht.

 

Es hat hier bei einer Pressekonferenz einen eigentlich mir unverständlichen Fehler gegeben. Man - ich glaube, es war der Klubobmann Tschirf - hat nämlich gemeint, dass die Ausgaben im Vorjahr höher waren. Der Schönheitsfehler ist allerdings, dass wir 2001 noch brutto verrechnet haben und daher dort die Umsatzsteuer zu den Beträgen dazugekommen ist. Diese Vergleiche sind nicht wirklich überzeugend.

 

Die Investitionsoffensive der Stadt und ihrer Unternehmungen hat gegriffen, und zwar sowohl was die Belebung der Wirtschaft betrifft als auch was die Beschäftigungssituation am Bau betrifft. Seit dem Sommer 2002 sind im entgegengesetzten Trend zur Entwicklung von ganz Österreich die Beschäftigtenzahlen im Wiener Baugewerbe steigend gewesen und die Arbeitslosenzahlen sind zurückgegangen. (GR Dr Matthias Tschirf: Aber sie liegen deutlich höher als im Bund!) In Wien sind die Arbeitslosenzahlen rascher und deutlicher als in den anderen Bundesländern zurückgegangen. Ich denke, dass das ein guter Beweis ist, um zu zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, durch eine konjunkturorientierte Investitionspolitik für eine Verbesserung der Wirtschaftssituation zu sorgen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Grundig Wien ist genau so wenig ein Opfer der Politik wie Elektra Bregenz oder wie möglicherweise Ankerbrot. Grundig Wien ist auch ganz bestimmt nicht das Opfer überzogener Lohnforderungen oder mangelnder Bereitschaft der Mitarbeiter tätig zu sein und nicht das Ergebnis mangelnder Qualifikation. Im Gegenteil, unbestritten wurde am Betriebsstandort Wien gute Arbeit geleistet. Dennoch hat die Gläubigerversammlung keine Chance auf eine Unternehmungsfortführung gesehen und hat den Masseverwalter mit der Liquidierung beauftragt. Das Ergebnis ist, dass Hunderte Mitarbeiter der Produktionsstätte Grundig ihren Arbeitsplatz verlieren.

 

Ich habe vor wenigen Tagen ein Interview mit einer gekündigten Mitarbeiterin von Grundig Wien gelesen. Sie heißt Gerlinde Österreicher und hat hier auf die Frage der "Kronen Zeitung", "Macht es Sie eigentlich wütend, was mit Grundig und zuvor auch mit Semperit und Elektra Bregenz passiert ist?", geantwortet: " Das sind Zeichen der Zeit. Der deutsche Grundig-Konzern lässt die Wiener Niederlassung, die gar nicht schlecht arbeitet, auf und verlegt die Produktion in ein Billigland. Auf wen sollte ich wütend sein? Chefs retten alle zuerst ihre eigene Haut." - Dann kommt die zweite Frage: "Hat die Politik genug zur Rettung von Grundig unternommen?" Darauf sagt Gerlinde Österreicher: "Die Stadt Wien hat eine Insolvenzstiftung für ihre Angestellten eingerichtet. Ich bin aber aus Niederösterreich. Was es für uns und für die Burgenländer gibt, steht in den Sternen." - Ich denke, dass diese Einschätzung durchaus die Meinung nicht nur vieler Grundig-Mitarbeiter, sondern vieler Arbeitnehmer in Wien im Breiten wiedergibt, die Überzeugung, dass die Entwicklung weitgehend durch internationale Trends bestimmt ist, dass internationale Konzernführungen, die ihren Sitz im Ausland haben, sich genau genommen um Betriebsstätten im eigenen Bereich, wo das Hauptquartier ist, mehr kümmern als etwa um jene Betriebsstätten, die anderswo angesiedelt sind. Dort ist die Bereitschaft, in Billigstländer zu verlagern, sehr groß. Dort besteht die Bereitschaft, Entwicklungsabteilungen zu beseitigen, in einer viel höheren Masse. Das ist der Hintergrund, warum viele sagen, das Programm der Bundesregierung, sich von den Technologieunternehmungen des Bundes zu trennen und ins Ausland zu verkaufen, hat nicht nur Bedeutung für die jeweils konkreten Unternehmungen, sondern hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und auf die Technologiechancen unseres Landes, weil zu befürchten ist, dass damit die Konzernführungen diese Betriebsstätten anderswohin verlagern und insbesondere die Entwicklungsabteilungen verlagern.

 

Ich denke, dass auch die Grundig-Mitarbeiterin Gerlinde Österreicher, wie sie es gesagt hat, die Tätigkeit des Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds zu schätzen weiß, statt, als das geschehen ist, sich abfällig über den Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds zu äußern. Ich erinnere mich an öffentliche Erklärungen eines, glaube ich, ÖAAB-Funktionärs, möglicherweise des Nationalratsabgeordneten Maier, der sich schon im Wahlkampf sehr abfällig darüber geäußert hat. Ich erinnere mich auch, Herr Klubobmann Tschirf, an Ihre Bemerkungen im Rahmen der Behandlung der Basisfinanzierung des Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds in der letzten Sitzung des Finanzausschusses. (GR Johannes Prochaska: Zweimal falsch!) Das hat in mir nicht den Eindruck erweckt, dass Sie im selben Maße wie die Frau Gerlinde Österreicher zu schätzen wissen, was das für die Arbeits- und Beschäftigungspolitik in Wien zu bedeuten hat! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Ich möchte daher nur einige Punkte nennen, in Ihr persönliches Stammbuch geschrieben: Der WAFF trägt nicht nur die regionale Insolvenzstiftung, die offene Arbeitsstiftung Wien und die Implacementstiftungen, die es in vielen Bereichen gibt. Ich erwähne nur, Ankerbrot kann durchaus ein nächster Kandidat für diese Stiftungsmaßnahmen sein, so wie es Grundig derzeit ist. Allein mit diesen Maßnahmen können pro Jahr bis zu tausend Personen den innovativsten, modernsten Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik zugeführt werden. Das gilt nicht nur für die Mitarbeiter von Großunternehmen, auch alle Mitarbeiter bei Klein- und Mittelunternehmen haben diese Chance in Wien, die es - das sei noch einmal unterstrichen - in keinem anderen Bundesland in Österreich gibt. Dort gibt es ausschließlich die Maßnahmen des Arbeitsmarktservices, aber eine Sozialpartnereinrichtung wie den WAFF, die von der Stadt Wien mitgetragen wird, gibt es in keinem anderen Bundesland. Wir haben im Fall Grundig für die Unterstützung der potenziell dafür in Betracht kommenden Mitarbeiter 2,8 Millionen EUR vorgesehen. Wir werden selbstverständlich, wenn sich der Fall bei Ankerbrot oder bei einem anderen genau so stellen sollte, ebenfalls mit

 

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