Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 133
sagen, dass unsere Befürchtungen vielleicht noch nicht alle
Wahrheit geworden sind, aber dass der Bericht doch zumindest Anlass zu großem
Stirnrunzeln gegeben hat.
Im Kontext der Frage, welche Schwerpunkte
Kulturpolitik in Wien setzen soll und was das für Unternehmungen, Vereine oder
GesmbHs, die im Eigentum der Stadt stehen, bedeutet, ist die Frage zu stellen,
welche Funktionen diese übernehmen wollen. Ich habe vorhin schon ausgeführt,
dass es schwierig ist, darüber zu diskutieren, welche Funktion welche
Institution übernehmen soll, wenn man nicht genau weiß, welche Schwerpunkte man
setzen will. Und mein Eindruck ist durchaus, dass es in der Stadt tendenziell
keine Schwerpunkte gibt. Auch wenn der Herr Stadtrat immer wieder sagt, das
oder jenes sei ihm wichtig, glaube ich nicht, dass man sagen kann, dass es darüber
einen Konsens gibt, was Schwerpunkte sein sollen.
Nur so ein paar Beispiele dafür, wo es meines
Erachtens nach notwendig wäre, klarer festzuhalten, welche Funktionen
übernommen werden sollen.
Zum Beispiel die Bezirksfestwochen. Die
Bezirksfestwochen dümpeln ein bisschen vor sich hin, wie Sie alle wissen;
manche erfolgreicher, manche weniger erfolgreich (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Durchaus erfolgreich!); immer abhängig
vom Engagement des Bezirks und einzelner Personen. Aber über die Frage, was
diese Bezirksfestwochen sein sollen, abseits einer Versorgungsinstitution für
manche Künstlerinnen und Künstler, darüber haben wir schon lange nicht mehr
geredet.
Oder – auf viel größerer Ebene, aber vielleicht nicht
einmal unbedingt wichtiger, weil die Bezirksfestwochen vielleicht auch eine
wichtige Basisversorgung darstellen könnten –: In welchen Funktionen sehen wir
denn in der Zukunft das Theater an der Wien im Verhältnis zum Ronacher, zum
Raimundtheater und zum Klangbogen. Auch diese Diskussion haben wir nicht
geführt, doch diese Diskussion ist zu führen.
Oder ein Thema, das über die Theaterstudie noch
einmal, glaube ich, deutlicher geworden ist: Welche Funktion sollen denn die
Theater in der Stadt übernehmen? Die Theater sind in den letzten Jahren immer
wieder dafür kritisiert worden, dass sie zwar der einzige Ort sind, an dem
freie Gruppen ihre Produktionen zeigen können, dass aber gleichzeitig ein
ungeheurer Wildwuchs dort stattfindet und kein klares Profil entwickelt wurde,
sodass damit nicht unbedingt jenen geholfen ist, die dort aufführen dürfen. Es
gibt diesen Wildwuchs, es gibt keine Schwerpunkte, und manchmal bleibt auch
alles in der Familie.
Da werden etwa einem Verein für kulturelle
Partizipation so schnell mal 65 000 EUR über den Tisch geschoben, und
ich darf Sie daran erinnern, dass im letzten Kulturausschuss auf meine Frage,
was dieser Verein denn tut, wo er es tut und warum er es tut, keine Antwort
gegeben wurde. 65 000 EUR, das ist ungefähr der Betrag, den die IG Bildende
Kunst bräuchte, um weiter zu überleben. 65 000 EUR ist der Betrag,
den der Verein für kulturelle Partizipation bekommt, 65 000 EUR, von
denen der Verein für kulturelle Partizipation sagt, dass er sie für
Serviceleistungen ausgeben würde, 65 000 EUR für einen Verein, dessen
Serviceleistungen kein mir bekannter Künstler bis dato in Anspruch genommen hat
und von dem mir bis dato immer noch niemand sagen konnte, wo dieser Verein
seine Serviceleistungen denn überhaupt anbietet. Vielleicht könnte es damit
zusammenhängen, dass man, wenn man die Namen der Vorstandsmitglieder eingibt,
auf die Website des VSStÖ kommt?
Sehr geehrte Damen und Herren! Das meine ich mit
Schwerpunktsetzungen. 65 000 EUR für Funktionäre des VSStÖ, für einen
Verein, dessen Arbeit ich nicht kenne und von dem mir auch niemand sagen
konnte, wo sie stattfindet, sind zu viel. Und wenn ich darüber rede, dass wir
uns klar werden sollten, wer welche Aufgaben übernehmen soll, dann meine ich
damit auch den Verein für kulturelle Partizipation.
Kulturpolitik, die nach dem Prinzip "es bleibt
alles in der Familie" stattfindet, kann nicht das Anliegen einer
Stadtregierung sein, und sie ist ganz sicher nicht unser Anliegen, sehr geehrte
Damen und Herren. Und wenn man sich genauer anschaut, was in den letzten Jahren
immer wieder passiert ist, wer aus welchen Gründen Gelder bekommen hat, dann
denke ich, dass wir hier einiges zu tun haben und dass auch Sie, lieber Herr
Stadtrat, einiges zu tun haben, um vielleicht Altlasten aufzuräumen. Da rede
ich noch gar nicht von meinem Lieblingsthema, dem Donauinselfest (GR Dr Michael Ludwig: Sehr erfolgreich!),
das wieder sehr erfolgreich war. Ich habe auch die Broschüre, die ich nach
Hause geschickt bekommen habe, mit großem Amüsement gelesen. Vielleicht gibt es
in den nächsten Tagen ein Rätsel dazu.
Sehr geehrte Damen und Herren! Warum das
Donauinselfest aber tatsächlich relevant ist in dieser Diskussion und warum
auch der Verein für kulturelle Partizipation relevant ist, erkennt man, wenn
man sich den Rechnungsabschluss 2002 genauer anschaut. Denn leider muss man
feststellen, dass, wenn man das Budget um Personalkosten bereinigt, wenn man
also den Teil aus dem Budget herausnimmt, der ja tatsächlich nicht direkt der
Kultur zugute kommt, dann muss man feststellen, dass das Budget um
0,4 Prozent gesunken ist. Das Budget ist also unter einer roten
Stadtregierung seit dem Jahr 2000 um fast 5 Millionen EUR in
absoluten Zahlen zurückgegangen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein Fakt.
Darüber kann man nicht hinwegdeuteln, und da kann man noch so oft behaupten,
dass diese Stadtregierung das höchste Budget und auch das höchste Kulturbudget
aller Zeiten hätte. 5 Millionen EUR ist nicht ganz der Betrag, den
parteiennahe Vereine für das Donauinselfest, das Stadtfest, den Verein für
kulturelle Partizipation und viele andere, die man mehr oder weniger
dazurechnen kann, bekommen haben. 5 Millionen EUR weniger für die
Kultur in der Stadt – das ist ein Betrag, der unseres Erachtens nach viel zu
hoch ist. Also bleibt nur eines: Das Kulturbudget erhöhen oder Schwerpunkte
setzen und Klarheit darüber schaffen, was man wirklich will.
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