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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 133

 

Wir werden uns dagegen wehren, womit und so lange wir nur können, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich habe den Eindruck, dass anstatt Unabhängigkeit tatsächlich wieder mehr Abhängigkeit geschaffen werden soll. Sie brauchen nur die Titelgeschichten zu lesen, zum Beispiel zur Integration. "Integration wird Chefsache" – heißt es im "Standard", nicht in der "Presse" oder in sonst einem bürgerlichen Organ –, "mehr Parteieinfluss wird möglich." Das geht dutzendweise so hin: Wieder mehr Parteieinfluss ist möglich. Wieder mehr Abhängigkeiten werden geschaffen. Und da denke ich mir, vielleicht hat Hans Peter Martin, SPÖ-Spitzenkandidat bei den Europawahlen, ja doch nicht ganz Unrecht, wenn er hier wörtlich und unwidersprochen sagt: "Martin: Das Unabhängige ist der SPÖ wesensfremd." Denken Sie darüber einmal nach, meine Damen und Herren, weil es viele Indizien gibt, dass ihr eigener Spitzenkandidat bei den Europawahlen gar nicht so Unrecht hat mit diesem bisher unwidersprochenen Zitat.

 

Ich überspringe jetzt ein paar Sachen, weil ich zum Schluss kommen will, aber zwei Dinge sind mir doch noch sehr wesentlich.

 

Wer sich das Protokoll einer der letzten Gemeinderatssitzungen genau durchgeschaut hat, der wird eine Stelle finden, wo auf die Frage, warum eigentlich bei einer SPÖ-Alleinregierung Frauen keine Chance haben für künstlerische Funktionen – und das kann man ja nachweisen – folgende Antwort erfolgt: "Mehr als zwei Drittel" – heißt es hier – "aller Leitungsfunktionen in den letzten eineinhalb Jahren sind mit Frauen besetzt worden." – Zwischenruf Marboe an Woller: "Welche?" – Antwort: "Künstlerische und kaufmännische Leitungsfunktionen."

 

Das stimmt nicht. Keine einzige künstlerische ist besetzt worden. Wir haben remonstriert und – siehe da! – "künstlerisch" war im Endprotokoll herausgestrichen. Das ist ja nicht uninteressant. Das heißt, späte Reue, aber doch. Im letzten Protokoll – das ist das erste, wo es noch drinnen steht – kommt man selber zur Einsicht: Das hat nicht gestimmt, wir müssen das "künstlerisch" wieder herausnehmen.

 

Meine Damen und Herren! Offensichtlich haben Frauen im Moment keine Chance auf künstlerische Leitungsfunktionen, denn in drei Ausschreibungen waren Frauen immer gleich gereiht oder sogar vorgereiht, und in allen drei Ausschreibungen sind sie übergangen worden. Da können Sie sich doch nicht herstellen und sagen, Frauen kriegen künstlerische Leitungsfunktionen, und dann "künstlerisch" wieder aus dem Protokoll streichen. Nicht mit uns!

 

Wir haben das anders gelöst. Wir haben nicht dauernd gesagt, Frauen müssen das oder jenes werden, sondern wenn sie tüchtig waren, so wie im Tanzquartier, sind sie es geworden. Aus. Und sie sind heute auch sehr anerkannt. Für uns ist es einfach selbstverständlich, den Frauen jene Chancen zu geben, die sie verdienen, meine Damen und Herren. (GRin Sonja Kato: Dafür hatten Sie dann einen Frauenminister!) Das ist unser Weltbild, und dabei werden wir auch bleiben. (Beifall bei der ÖVP. – GR Gerhard Pfeiffer: 50 Prozent Frauen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 

Wir reden heute von der Kultur. Okay? Wir reden von der Kultur und nicht von der Politik. (GRin Ursula Lettner: Das ist auch Politik!) Ich gratuliere Ihnen, dass es Ihnen geglückt ist, so viele Frauen in der Politik zu haben. (GRin Inge Zankl: Das war doch Ihr Zitat: Keine Politik in der Kultur!) Nehmen Sie nichts von meiner Redezeit weg! Außerdem wollen wir weiterkommen.

 

Meine Damen und Herren! Ich kann nur laut und deutlich wiederholen: Hände weg vom Tanzquartier! Ich finde es ja erfreulich, dass über intensives Befragen der Frau Ringler der Stadtrat sich dann zu einer – na, ich möchte sagen – zögerlichen Distanzierung von seinem Kultursprecher herabgelassen hat, aber so kann es doch nicht wirklich sein. Wir schlagen das "profil" auf und finden da eine Überschrift: "Choreographie der Gewalt". Und dann steht drinnen, man soll das Budget des Tanzhauses kürzen, man soll die Spielzeit um ein Drittel kürzen. Ja, sag, leben wir eigentlich noch in einer Stadt, deren Regierung sich zur Kultur bekennt? Das sind ja keine Erfindungen. "Choreographie der Gewalt"! Und weiter steht, schon das Büro des Herrn Stadtrates ist dann einer anderen Meinung als der Kultursprecher und so weiter. So geht es dahin.

 

Ich glaube, wenn so ein Unfug publiziert wird als Zitat immerhin des Kultursprechers der größten Partei in dieser Stadt, dann hat der zuständige Stadtrat sich auf der Stelle persönlich und nicht auf Umwegen über sein Büro zu distanzieren, damit klar ist, was man unter Kulturpolitik, unter einem Kulturpolitiker versteht: Dass er sich ohne Wenn und Aber hinter die Interessen der Kultur und der Künstler in dieser Stadt stellt und sich nicht instrumentalisieren lässt als Exekutor von parteipolitischen Machenschaften, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich will jetzt die Liste – dafür werden wir vielleicht morgen Zeit haben – der Ablehnungen nicht ausführlich vorlesen, nur die wichtigsten: Gesellschaft für Musiktheater – abgelehnt; Filmcasino Margareten – dabei hat die Frau Ringler Recht, Herr Kollege, die Initiativen zur Förderung und zur Stabilisierung der Kleinkino- und Einzelkinolandschaft sind anzuerkennen, aber warum hilft man dann dem Filmcasino nicht, das dringend einen Baukostenzuschuss braucht – abgelehnt; Kain und Abel, hebräische Kammeroper, europäische Erstaufführung – abgelehnt mit einem einzigen Satz: aus budgetären Gründen; Fest im Schloss Schönbrunn – abgelehnt; Point of Music, Kinder- und Jugendprojekt – abgelehnt; H. C. Artmann – Musikprojekt von Alfred Polanski – abgelehnt. Und so weiter.

 

Wir haben uns das ausgerechnet. Alle diese Anträge zusammen, die ich jetzt erwähnt habe und noch drei weitere, machen zusammen ein Zehntel des Budgets des Rabenhofes aus. Ja, kann man so etwas verantworten?, frage ich Sie. Es ist schön, dass Sie jetzt so bedrückt dreinschauen. Das erfreut mein Herz. (Beifall bei der ÖVP. – GR Mag Thomas Reindl: Wie viel haben

 

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