Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 134
(Beginn um 9.01 Uhr.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: So,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Einen wunderschönen guten Morgen. Ich darf die
zweitägige Sitzung, die 35. Sitzung des Gemeinderates, für eröffnet
erklären.
Ich darf mitteilen, dass Herr GR Mag Neuhuber, Herr
GR Oxonitsch für heute und Herr GR Dr Serles entschuldigt sind.
Soweit es sich um Erkrankungen handelt, wünsche ich
beste Genesung.
Bevor wir zur Tagesordnung kommen, gebe ich gemäß
§ 15 Abs. 2 der Geschäftsordnung bekannt, dass 33 schriftliche
Anfragen vom Grünen Klub eingelangt sind. (GR
Chorherr: Oh!) Die 33 sind nur von euch, Christoph.
Bevor wir zur Postnummer 1 und 2 der Tagesordnung,
betreffend den Entwurf Voranschlag der Bundeshauptstadt Wien für das Jahr 2004
und die Überprüfung von Gebühren und tarifmäßigen Entgelten durch den
Gemeinderat kommen, schlage ich vor, die Beratung dieser beiden Geschäftsstücke
zusammen zu ziehen und die Verhandlung nicht nach den zehn Gruppen des
Voranschlagsentwurfes, sondern nach unseren Geschäftsgruppen zu gliedern.
Nach einem einleitenden Referat des Berichterstatters
zu diesen Geschäftsstücken, Herrn VBgm Dr Rieder, folgt die allgemeine Beratung
und die Spezialdebatte über die Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaftspolitik
und Wiener Stadtwerke.
Und am Dienstag,
das heißt morgen, wird nach dem Schlusswort des Herrn amtsführenden Stadtrates
über die Anträge zu den zwei genannten Geschäftsstücken abgestimmt werden. Ich
nehme an, Sie sind mit dieser Vorgangsweise einverstanden.
Ich ersuche nun den Berichterstatter, Herrn
Vizebürgermeister, die Verhandlung über die Postnummer 1 und 2 einzuleiten.
Bitte.
Berichterstatter VBgm Dr Sepp Rieder: Guten
Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vorsitzender!
Der Voranschlag 2004, der heute und morgen Gegenstand
der Diskussion sein wird, ist in der Tat kein Routinebudget, auch wenn wir die
Ansätze fortschreiben und im System bleiben, weil einfach die Ausgangslage doch
eine grundlegend andere ist im Vergleich mit den vorangegangenen Jahren.
Kurz zusammengefasst: Wir werden 2004 mit deutlich
weniger Einnahmen stark steigende Ausgaben zu bewältigen haben. Die schwierige
Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation legt es konjunkturpolitisch nahe, ein
massives Investitionspaket für die Wirtschaft, für die Infrastruktur, für die
Wirtschaftsförderung und für beschäftigungswirksame Maßnahmen zu finanzieren,
und vor allem werden wir im Jahre 2004, dem Jahr der Erweiterung der
Europäischen Union, unsere Technologie- und Innovationspolitik noch intensiver
als bisher fortsetzen, und fortsetzen müssen.
Wir werden das tun, um Wien, wie gesagt, in dieser
Situation der Erweiterung der Europäischen Union als zentralen
Wirtschaftsstandort in einem neuen Wirtschaftsraum und als ein Kompetenzzentrum
mit der Qualität einer West-Ost-Drehscheibe nicht nur zu behaupten, sondern
auch zu stärken und auszubauen. Und wir legen dem die Überlegung zu Grunde,
dass genau dieser Abschnitt der Jahre bis 2007 wahrscheinlich eine Zäsur in der
Entwicklung dieses Wirtschaftsraumes sein wird, und es daher darauf ankommt,
jetzt zu handeln, und nicht seine Zukunft zu verspielen. Das übrigens
vielleicht auch in das Tagebuch der Zauderer in der Bundesregierung.
Was ist es jetzt konkret, das die Veränderungen der
Ausgangslage ausmacht:
Erster Punkt: Auf Grund der Budgetbegleitgesetze des
Bundes wird Wien im Jahre 2004 um 47 Millionen EUR weniger an
Einnahmen aus den Ertragsanteilen der gemeinschaftlichen Bundessteuern und den
Bedarfszuweisungen haben.
Zweiter Punkt: Kommt es, wie anzunehmen und zu hoffen
ist, zur Steuerreform 2005 und wird das ein Volumen von etwa, wie jetzt
angenommen, 2,5 Milliarden EUR umfassen, so würde das bei den
diesjährigen Spielregeln des Finanzausgleiches und der bisherigen Aufteilung,
und wie es auch in den Äußerungen des Finanzministers anklingt, für Wien in den
Jahren bis 2006 ein Minus von 139,7 Millionen EUR bedeuten. Das
heißt, die Mindereinnahmen eines Jahres, nämlich des kommenden Jahres, können
nicht durch Einnahmensteigerungen in den nächsten Jahren abgedeckt werden. Und
selbst wenn es zu einer wesentlich deutlicheren Entwicklung des
Wirtschaftswachstums kommen sollte als sich derzeit abzeichnet, so ist erst mit
einer zeitlichen Verzögerung eine Einnahmensteigerung zu erwarten.
Was ergibt sich daraus: Eine um einiges vorsichtigere
Budgetierung als es vielleicht bisher notwendig gewesen ist und wir tragen dem
Rechnung, indem wir zum Ordinarium des Voranschlages einen Zusatzrahmen von
100 Millionen EUR mit einer Sperre zur Seite stellen.
Dritter Punkt: Ich möchte auch das klarstellen: Die
Stadt und das Land Wien ist selbstverständlich nicht gegen eine Steuerreform,
sondern im Gegenteil, wir halten sie aus sozialen Gründen, aber auch im
Interesse der Kaufkraftstärkung für überfällig.
Wogegen wir sind, ist etwas anderes: Wir sind
dagegen, dass der Finanzminister die Bundesländer, Städte und Gemeinden, wie
selbstverständlich, mit den Mindereinnahmen der Steuerreform zur Kassa bittet,
sich es aber selbst richtet, indem er sich nämlich Mehreinnahmen aus den
ausschließlichen Bundessteuern verschafft. Der Finanzminister verschafft sich
für 2004 und für die Folgejahre aus der Mineralölsteuer und den Energieabgaben
saftige Mehreinnahmen, und zwar sowohl auf dem Rücken der Haushalte der
Konsumenten und der Autofahrer, aber letztlich auch der Wirtschaft, weil die
Europäische Kommission seinen Überlegungen und seinem Plan, die Industrie durch
Rückzahlungsmaßnahmen zu entlasten, jetzt einen Strich durch die Rechnung
gemacht hat.
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