«  1  »

 

Gemeinderat, 35. Sitzung vom 24.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 134

 

so gemacht, dass wir den strengen Maßstäben von EUROSTAT gerecht geworden sind. Es gibt keinen Fall, wo wir nachträglich korrigieren mussten. Ich füge es noch einmal hinzu: Es ist eine korrekte Vorgangsweise, die wir gepflogen haben, lupenrein und ohne doppelten Boden. Und ebenso lupenrein und ohne doppelten Boden hat der Bund Jahr für Jahr Defizite gebaut, manchmal weniger als erlaubt war, aber jetzt deutlich mehr.

 

Es ist mittlerweile bekannt, dass wir uns mit dieser Tatsache, dass wir im Jahre 2004 die Überschussgebarung nicht in vollem Umfang erstellen können, in einer mehr oder minder guten Gesellschaft mit anderen Gebietskörperschaften befinden. Das ergibt sich aus einem Rechnungshofbericht, der das deutlich macht. Er ist noch nicht veröffentlicht, aber es gibt Veröffentlichungen daraus in Zeitungen, aus denen zu ersehen ist, wer damit gemeint ist. Vermutlich aus diesem Grunde hat sich auch die Aufregung der ersten Stunde mittlerweile deutlich gelegt.

 

In der Person des Finanzministers und seines Staatssekretärs ist allerdings diese Aufregung und Entrüstung – entrüsteter Staatssekretär, entrüsteter Finanzminister, wie kommen die Wiener dazu, da auszureiten – völlig unangebracht, fast heuchlerisch eigentlich und letztlich unglaubwürdig, denn wer selbst den Stabilitätspakt derart verletzt hat, dem steht, glaube ich, nicht das Recht zu, andere wegen der Nichteinhaltung zu kritisieren, vor allem dann nicht, wenn der Finanzminister im Jahre 2004 mit seinem Maastricht-Defizit von 3,28 Milliarden EUR die Neuverschuldung des Bundes im Ausmaß von 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts doppelt so hoch anplant, als sie ihm gemäß dem Stabilitätspakt mit den Ländern und Gemeinden mit 0,75 Prozent zugestanden wäre.

 

Also man muss darauf aufmerksam machen: Der Bund wird 2004 den Stabilitätspakt nicht irgendwie verletzen, sondern er wird das ihm zugestandene Defizitvolumen doppelt so hoch überschreiten, in einem Ausmaß von 3,28 Milliarden EUR. Bei einer derart hohen Überschreitung der Defizitlatte war es, meine sehr geehrten Damen und Herren, von Vornherein gar nicht mehr möglich, insgesamt das Nulldefizit im Jahre 2004 für die gesamte Republik herzustellen. Selbst wenn alle Bundesländer ihre Überschüsse zur Gänze erbracht hätten und wenn alle Städte und Gemeinden, einschließlich Graz, ohne ein Defizit ausgekommen wären, also selbst dann wäre es ab dem Zeitpunkt dieser budgetmäßig dargestellten Überschreitung durch den Finanzminister überhaupt nicht mehr möglich gewesen, das Nulldefizit herzustellen. Und darum meine ich: Finanzminister und Staatssekretär müssen gewusst haben, dass ihre Entrüstung unaufrichtig, heuchlerisch und nicht glaubwürdig gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Auch wenn ich weiterhin – und das gilt für den Bürgermeister und für die Stadt und das Land – auf dem Boden des österreichischen Stabilitätspaktes stehe, weil ich mich einmal mehr zu ausgeglichenen Haushalten bekenne, teile ich die Auffassung jener, die meinen, dass das vom Finanzminister hochgelobte Nulldefizit mit der Überschussgebarung in einem Ausmaß, wie es festgelegt worden ist, unrealistisch und eigentlich nur dadurch bewältigbar ist, dass man zu Ausgliederungen, Veräußerungen von Wohnbaudarlehen oder anderen Konstruktionen – um nicht "Tricks" zu sagen – greift.

 

Ich zitiere jetzt nicht die Äußerung eines sozialdemokratischen Bundespolitikers, sondern was ich hier wiedergebe, ist die Meinung des Rechnungshofes in dem schon erwähnten Rechnungshofbericht, aus dem ich ja, weil er noch nicht veröffentlicht ist, nicht zitieren kann, der aber zu dem Ergebnis kommt: Diese Überschussgebarung konnte in dieser kurzen Zeit einfach nicht bewältigt werden.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich teile, ohne jeden Vorbehalt auch die Aussage desjenigen, der gesagt hat – wörtliches Zitat –: "Das Nulldefizit ist kein numerisches Dogma." Und weiters: "Eigentlich geht es um einen" – wörtliches Zitat – "ausgeglichenen Haushalt über den ganzen Konjunkturzyklus."

 

Auch das, meine sehr geehrten Damen und Herren, erinnert irgendwie an die Aussage eines Oppositionspolitikers, ist es aber nicht. Es war Bundesminister Karl-Heinz Grasser, der das in seiner Budgetrede in der Nationalratssitzung vom 13.10.2003 gesagt hat und der sich damit einmal mehr sehr wendig – um nicht zu sagen "wendehälserisch" – verhalten hat. Eigentlich ist diese Bemerkung seine Grabrede auf das Nulldefizit gewesen, das er damit zu einem Zahlenfriedhof erklärt hat. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Er hat Recht, er hätte nur früher draufkommen sollen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das Nulldefizit eingehalten, aber nie als Selbstzweck verstanden und nie zum Selbstzweck gemacht. Für uns war es immer bestenfalls ein Mittel zum Zweck. Wir haben die Budgets – und das gilt auch für das Jahr 2004 – nicht als kommunale Buchhalter erstellt, die irgendein Nullsummenspiel anstreben, sondern als Budgets für eine Politik, die dem Menschen dient, für den Dienst der Politik am Menschen. Budgets – das sei auch gesagt – entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie sind daher daran zu messen, wie der Voranschlag einzuschätzen ist, und man kann sie nicht daran messen, was man sich wünscht.

 

Jedenfalls ist der Voranschlag ausgewogen, zukunftsorientiert und sozial engagiert und er stellt sicher, dass Wien ein guter Platz sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit bleibt und eine Stadt mit Zukunft ist – auch in einer erweiterten Europäischen Union. Und genau dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, treten wir im Voranschlag 2004 ein, tritt die Stadtregierung in ihrer Regierungspolitik  auch im Jahr 2004 ein, und zwar mit vollem Herzen und mit voller Kraft. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Ich eröffne nun die Debatte über die Postnummern 1 und 2 der Tagesordnung.

 

Erster Redner ist Herr GR Mag Chorherr. 40 Minuten.

 

GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Meine Damen und Herren! Herr Vorsitzender!

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular