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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 19.12.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 98

 

Jedoch spätestens nach Klärung der Briefbombenserie - wir erinnern uns an einen autistischen Einzeltäter mit "bravem sozialistischen Elternhaus", O-Ton Zilk -: Wo war die Entschuldigung im Nachhinein für diesen Wahnsinn und für diese Einschränkung der Meinungsfreiheit, für diese Beschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte? Nie ist eine gekommen! Das ist bezeichnend für diese Jagdgesellschaft (GR Mag Rüdiger Maresch: Welche Jagdgesellschaft?), für diesen Ausfluss der Political Correctness, wodurch Freiheitsrechte massiv eingeschränkt werden. Und dazu braucht man den privaten Verein Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes!

 

Dieser Verein könnte seine Tätigkeit als "Privat-Stasi" ohne öffentliche Unterstützung nicht ausüben. (Zwischenruf des GR Mag Rüdiger Maresch.) Wir Freiheitliche werden daher auch in Zukunft alles daransetzen, dass die Finanzierung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes endlich ein Ende hat. (Beifall bei der FPÖ. - GR Mag Thomas Reindl: Nicht genügend! Setzen! Ist ja unglaublich, was Sie da für einen Schwachsinn ...!)

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Michael LUDWIG. Ich erteile es ihm.

 

GR Dr Michael LUDWIG (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Es sind im Wesentlichen zwei Anträge und zwei Akte angesprochen worden. Der eine beschäftigt sich mit Orpheus Trust, einer in der Tat sehr wichtigen Kultur- und Kunstinitiative, die für Wien, aber auch für ganz Österreich von großer Bedeutung ist. Diese Initiative beschäftigt sich vor allem auch mit jenen Musikerinnen und Musikern, die in der Zeit des Nationalsozialismus aus unserem Land vertrieben wurden, verfolgt wurden und zum Teil leider auch ermordet wurden.

 

Orpheus Trust hat sehr große Anerkennung in der Stadt Wien gefunden. Das hat sich sichtbar auch dadurch ausgedrückt, dass Orpheus Trust erst vor kurzem den Rennerpreis der Stadt Wien bekommen hat, als sichtbare Auszeichnung für diese Leistungen, aber auch als finanzielle Unterstützung, weil ja der Rennerpreis auch entsprechend dotiert ist.

 

Man sollte aber fairerweise auch erwähnen, dass sich gerade in den letzten Jahren die Unterstützung für Orpheus Trust deutlich erhöht hat. Man kann immer mehr an Subventionen bekommen, das ist überhaupt keine Frage, aber man sollte, Frau Cordon, fairerweise doch anfügen, dass im Jahr 1998 der Verein Orpheus Trust 410 000 ATS bekommen hat, dass die Zuwendungen im Jahr 2001 bereits auf 600 000 ATS gestiegen sind und dass sich dieser Betrag im Jahr 2002 mit 73 000 EUR bereits mehr als verdoppelt hat.

 

Dass das auch im heurigen Jahr gleich geblieben ist, hängt mit der gesamten finanziellen Situation zusammen, die, wie Sie wissen, nicht nur in unserer Macht ist, sondern sehr stark auch von Seiten der Bundesregierung bestimmt wird. Ich möchte Sie deshalb bitten und einladen, Ihre Appelle durchaus auch an jene Institutionen in der Bundesregierung zu richten, die eigentlich eine große Verantwortung hätten, Orpheus Trust zu unterstützen. Denn dieser Verein wird vom Bund mit 27 000 EUR unterstützt, das ist nur ein Drittel von dem, was die Stadt Wien für diesen Verein gibt. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Musikerinnen und Musiker nicht nur in Wien gelebt haben, sondern in ganz Österreich, und eine kulturhistorische Bedeutung für unser ganzes Land und nicht nur für unsere Stadt haben, dann sollten wir, denke ich, unsere gemeinsamen Appelle auch an die Verantwortlichen in der Bundesregierung richten und gemeinsam versuchen, mehr Geld für diesen guten und wichtigen Verein zu erreichen. Hier hat der Bund eindeutig eine Verantwortung, die wir auch einfordern sollten.

 

In diesem historischen Zusammenhang stehend ist auch der zweite Akt, den wir heute zu beschließen haben und den - wie ich meine, in unglaublicher Art und Weise - der Kollege STEFAN angesprochen hat, nämlich die Unterstützung für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Man sollte vielleicht auch erwähnen, in welchem Zusammenhang das Dokumentationsarchiv gegründet wurde. Es wurde nämlich am 13. März 1963, am 25. Jahrestag der Beseitigung der Unabhängigkeit Österreichs durch das NS-Regime, gegründet und wurde von sehr engagierten Zeitzeugen und Historikern ins Leben gerufen. Die Stiftung, über die wir heute befinden und über deren Subvention wir heute zu entscheiden haben, wurde im Jahr 1983 ins Leben gerufen, um diesen Verein auch finanziell entsprechend absichern zu können.

 

Was Sie behaupten, Herr STEFAN, ist einfach eine unglaubliche Entgleisung, glaube ich. Wenn Sie das Dokumentationsarchiv, das sich nicht nur in Österreich, sondern international größter Anerkennung erfreut, als "Privat-Stasi" bezeichnen, dann kann ich das nur damit entschuldigen, dass Sie sich offensichtlich nie damit beschäftigt haben, was die Stasi ist und welche verheerenden Auswirkungen der Staatssicherheitsdienst auf die Menschen, auf die Bevölkerung gehabt hat. (GR Mag Thomas Reindl: Ich glaube, er kennt sich besser bei der NSDAP aus!) Sonst könnten Sie einen so unglaublichen Vergleich in diesem Haus überhaupt nicht anstellen.

 

Man sollte auch klarstellen, dass das, was Sie behaupten, nämlich dass das Dokumentationsarchiv zuständig wäre für die Verfolgung von Menschen in unserer Stadt oder in unserem Land, unglaublich und unrichtig ist. (GR Mag Thomas Reindl: Ein Schwachsinn! - Zwischenruf des GR Dr Helmut GÜNTHER.) Das Dokumentationsarchiv hat überhaupt nicht die Möglichkeiten, irgendwen zu verfolgen. Das Dokumentationsarchiv wird aufgrund der Sammlungen, über die das Archiv verfügt, von der Polizei und von Gerichten zur Informationsausgabe gebeten, und zwar von Amts wegen. Es ist daher keinesfalls so, dass sich das Dokumentationsarchiv zu entschuldigen hat. Wenn Sie da ein Problem in den verschiedensten Verfahrensfragen sehen, dann sollten Sie Ihre Kritik an die entsprechenden Einrichtungen bei

 

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