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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 03.03.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 78

 

Entscheidungsfindung bei den kommunalen Gebietskörperschaften bleibt. Ich glaube, dass wir damit im Bereich Daseinsvorsorge, öffentliche Dienstleistungen, die den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen müssen, schon einen guten Schritt weiter sind. Wir müssen aber trotzdem wachsam sein, dass dieser Neoliberalismus, der in der Europäischen Union Platz greift, nicht überschwappt auf jene Bereiche, wo die Menschen in ihrer tagtäglichen Zufriedenheit massiv getroffen würden. Und wenn man sieht, wie gut Wien dasteht bei dem internationalen Ranking, egal welcher Art, dass vor allem die Lebensqualität, vor allem der öffentliche Verkehr besonders hoch angesetzt sind, dann muss man sagen, dass das eine hervorragende Sache ist, die aber darauf zurückzuführen ist, dass diese Leistungen im öffentlichen Interesse auch in der öffentlichen Gestaltung durch die Stadt Wien verbleiben und nicht einem Wettbewerb ausgesetzt werden, wo dann vielleicht einmal die britische U-Bahn auf den Wiener U-Bahn-Gleisen fährt. So was wollen wir jedenfalls verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender Rudolf Hundstorfer: Danke. – Herr Mag Chorherr.

 

GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Herr Stadtrat, lassen Sie mich auf den konkreten Fall dieses Baus der WIENGAS zurückkommen. Sie wissen ja, dass die Kritik, die ich hier artikuliere, nicht eine ist, die ich jetzt erfinde, sondern dass sie von sehr vielen Architektinnen und Architekten geteilt wird. Es geht um die zentrale Frage: Welche Qualität haben Architekten-, Architektinnenwettbewerbe in dieser Stadt? Und die Kritik hat ja schon begonnen bei der Vergabe der Wiener Messe, der ich viel Glück wünsche, positiv jetzt, aber wo eines der größten Investitionsvorhaben der Stadt Wien auch ohne Wettbewerb, ohne nachvollziehbaren Architekturwettbewerb vergeben wurde.

 

Tatsache ist, lassen Sie mich noch einmal auf den Punkt zurückkommen, und diese Zitate sind jetzt nicht von mir, sondern die wurden der WIENGAS von einem interessierten Bewerber zugeschickt. Bei einem Wettbewerb sollte man einmal vorher wissen: Wer ist die Jury? Antwort der WIENGAS: "Die Bewertungskommission setzt sich aus fünf Bediensteten der WIENGAS zusammen in der ersten Stufe." Da war keine Rede von einem einzigen Architekten. Und auf die Frage, wer in der zweiten Stufe die Jury ist, war die Antwort – ich zitiere aus einem Schreiben der WIENGAS –: "Die auszuarbeitende Projektstudie wird von einer namentlich noch nicht bekannten Jury bewertet." Und: "Das restliche Angebot wird nach Beginn zu noch nicht festgelegten Kriterien von der Bewertungskommission geklärt und sind vorab nicht öffentlich." Und darum geht’s.

 

Und im Übrigen: Die MA 19, jene Abteilung, die für Architektur zuständig ist, die teilweise hervorragende Arbeit leistet, war von diesen Vorgängen nicht einmal informiert.

 

Und insofern frage ich jetzt pro futuro: Fühlen Sie sich für die Töchter, Enkel, Urenkel der Stadt Wien, die in direkter Linie sind, also nicht quasi eingeheiratete oder geerbte, sondern direkte Hundertprozent-Töchter der Stadt Wien, mitverantwortlich, dass Mindestkriterien – wo ich weiß, dass Sie die kennen – eingehalten werden, und finden Sie die Vorgangsweise, die hier gewählt wurde, für eine ideale?

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.

 

Amtsf StR Dipl Ing Rudolf Schicker: Herr Gemeinderat, ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Es war die erste Auswahlstufe etwas, wo es darum gegangen ist, international bei einem Thema, wo die Grenzen für internationale Ausschreibungen überschritten waren, etwas auszuwählen, was nicht Architektur allein ist, und vor allem zunächst einmal die Auswahl darstellen sollte für die Generalplanerleistung, die wesentlich mehr umfasst, nämlich vor allem den Bereich auch der Entkontaminierung, das Einbinden dieses Bereiches in die vorhandenen Strukturen dort vor Ort. Hier war die Auswahl nicht nach einem bereits erstellten Projekt, nach einer Leistung im innovativen Bereich der Architektur, sondern ausschließlich nach der Leistungsfähigkeit derer, die sich dafür bewerben. Das liegt ausschließlich im Bereich der Wirtschaftlichkeit und der rein technischen Beurteilung.

 

Die zweite Wettbewerbsstufe ist jetzt natürlich so aufgebaut, dass die MA 19, die zuständigen Experten von dort in die Jury genauso eingebunden sind wie externe Architekten und Experten, die seitens der Kammer gestellt werden, genauso wie das auch in dem Leitfaden für Architekturwettbewerbe drinnen steht. Diese Zusammensetzung der Jury wird sich demnächst konstituieren und wird dann mit den fünf ausgewählten Architekten und Teams – es sind ja auch Teams darunter – die weitere Vorgangsweise festlegen und die Teams dann entsprechend einladen und abschließend jurieren. Es ist ein Vorgang, der sich durchaus im Rahmen des Leitfadens bewegt, genauso wie sich der Wettbewerb Wien-Mitte im Rahmen des Leitfadens bewegt hat, obwohl wir auch dort nicht in jedem Detail dem Leitfaden gefolgt sind, aus guten Gründen, weil eben schwierige Situationen auch besondere Lösungsansätze benötigen.

 

Und weil Sie die Messe erwähnt haben: Wenn wir den Prozess der Auswahl des Architekten bei diesem spezifischen Projekt einem Wettbewerbsverfahren unterzogen hätten, hätte der Kardiologenkongress wahrscheinlich in einem Zelt stattfinden müssen. Sie haben aber die Zusicherung der Messebetriebsgesellschaft, und wir haben das bisher auf Punkt und Beistrich eingehalten, gemeinsam mit der Messebetriebsgesellschaft, dass alles weitere im Wettbewerbsverfahren durchgeführt wird, das Messehotel. Wir haben das sogar beim Verkauf des Grundstückes noch einmal vertraglich fixiert, was die Oberflächengestaltung im Vorbereich betrifft, und alle weiteren Punkte, die noch folgen.

 

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass wir, seitdem ich Stadtrat bin, 41 Verfahren durchgeführt haben, mit und durch die Expertise der MA 19, und dass wir dabei im Unterschied zur Phase davor keinen einzigen Kritikfall mehr gehabt haben. Die MA 19 hat – das haben wir auch im Kontrollamtsbericht, den ich vorher zitiert habe, schon ausgeführt – ihre Methode der

 

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