Gemeinderat,
40. Sitzung vom 03.03.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 78
einmal wissen: Wo sind die Business-Pläne, wo sind die Szenarien, die uns zwingend vorschreiben, dass Wien ein zweites Musicalhaus braucht? Wo steht geschrieben, dass Musical eine Wachstumsbranche ist? Sie kennen die Probleme des Stella-Konzerns in Deutschland, der mehrmals in Konkurs gegangen ist. Wo sind die großen, neuen Musicals, die hier produziert werden?
Auch reden Sie immer davon, dass die Produktion von geistigem
Eigentum in Österreich gefördert wird. Das stimmt überhaupt nicht, wir fördern
mit der hohen Subventionierung der Musicals in Österreich die Produktion von
geistigem Eigentum in London und in New York! Wenn Sie sich die Relation der
Lizenzeinnahmen unserer eigenen Musicals - der wenigen, die wir exportiert
haben, von "Freudiana" ist mir nicht in Erinnerung geblieben, dass
das so groß wurde -, also die geringen Lizenzeinnahmen, zu denen es hier
gekommen ist, in Relation zum Subventionsaufwand stellen, dann werden Sie
feststellen, dass das gewaltig auseinander klafft.
Das heißt, in so einen Kulturzweig, in so einen
Kommerzbereich zu investieren, ohne auch entsprechende Unterlagen zu haben,
halte ich finanzpolitisch und wirtschaftspolitisch eigentlich für einen
Wahnsinn. Ich verstehe auch nicht, warum der Finanzstadtrat dem zustimmt. Ich
kann mich auch nicht der Argumentation des Herrn Stadtrates anschließen:
"Jeder Euro, der in Kultur investiert wird, ist automatisch in
Ordnung." Nein, überhaupt nicht! Wenn Geld für Kultur zur Verfügung steht,
dann hat man sich zu fragen, was die notwendigen Prioritäten sind, und dann
sind die Mittel einzusetzen. Aber es geht nicht zu sagen: Hurra, ich freue
mich, ob das sinnvoll ist oder nicht! Geld hat für den Steuerzahler kein
Mascherl.
Ich komme zum Kulturpolitischen. Herr StR
Mailath-Pokorny ist ein Sozialdemokrat. (GRin Mag Marie Ringler: Hört man!)
Linke gibt es in der SPÖ offensichtlich nicht mehr. Das muss ja ein Genuss für
jeden SJ-Obmann sein - oder was es dort an Resten immer noch geben mag -, sich
mit dieser sozialdemokratischen Kulturpolitik auseinander zu setzen. Ich selber
stehe, glaube ich, kaum in dem Verdacht, ein Klassenkämpfer zu sein; ich war es
das letzte Mal mit 16 und 17 Jahren, dann habe ich mich davon etwas
wegentwickelt. (GRin Mag Sonja Wehsely:
Ja?) Na sicher, wer mit 17 nicht links ist - Sie kennen den Spruch, ich
möchte ihn nicht zu Ende führen. (GRin Renate Winklbauer: Kann man sich gar
nicht vorstellen!) Ich bin also nicht in dem Verdacht, ein Klassenkämpfer
zu sein - aber 35 bis 40 Millionen EUR in hoch subventioniertes
Musical zu investieren, das ist nicht konservativ, das ist reaktionär! Das ist
reaktionär, weil es rückwärts gerichtet ist. (Demonstrativer Beifall der GRin Mag Marie Ringler. - Beifall bei der
ÖVP.)
Der ohnehin schon übersubventionierten
Musikunterhaltungsindustrie in Wien auch noch die Betriebssubvention zu
erhöhen, ist eine SPÖ-Umverteilungspolitik von den mittleren und kleinen
Kulturschaffenden hin zu einem großen Kommerzkultur- Tanker, und die
Vereinigten Bühnen - ich muss das in aller Deutlichkeit sagen - sind der
Prototyp dieses veralteten Kulturkolchosenmodells. (Beifall bei der ÖVP.) Das heißt: Hoch subventioniert, das Risiko
zu 100 Prozent sozialisiert, nämlich beim Steuerzahler, der trägt es
nämlich - da wird immer vom Risiko geredet, von neuen Märkten, auf die man
schauen muss, und von Eigenproduktion; ich bin absolut dafür, Eigenproduktionen
und etwas Neues im Musicalbereich zu machen, nur bitte auf Kosten privater
Investoren und sicher nicht auf Kosten der Steuerzahler! Also: Hoch
subventioniert, 100 Prozent sozialisiertes Risiko; dagegen werden die
Gewinne privatisiert, und zwar nach Verträgen, die einem offensichtlich so
peinlich sind, dass man sich bis heute nicht traut, sie zu veröffentlichen,
gegenüber denen nämlich, die diese Verträge zahlen und die Verluste tragen: Den
Steuerzahlern.
Die Jobs werden nach nicht nachvollziehbaren
Kriterien vergeben - von einer Ausschreibung, von der Sie am Anfang Ihrer Periode
gesprochen haben, ist ja überhaupt keine Rede mehr -, und das Ganze geschieht
noch dazu in einer intransparenten, in einer scheinbar intransparenten
Struktur: Da gibt es den Finanzstadtrat, da gibt es die Vereinigten Bühnen, da
gibt es die Wiener Holding und so weiter, das alles ist irrsinnig kompliziert.
In Wirklichkeit ist es ganz einfach: Wir subventionieren viel zu teuer Musical
in dieser Stadt - Punkt. (Beifall bei der
ÖVP.)
Ich bin ein überzeugter Marktwirtschaftler, wo immer
Marktwirtschaft sinnvoll ist, und ich bin zu hundert Prozent dafür,
kulturpolitische Investitionen zu treffen, wo die Finanzierung vor allem in
Europa über den Markt nicht funktioniert, wie das zum Beispiel im Theater, im
Film, im Tanz und so weiter der Fall ist. Das Gefährliche - und das ist genau
das, was bei den Vereinigten Bühnen passiert und was die Sozialdemokraten
dieser Stadt so ungemein gern tun - ist die Vermischung von Marktwirtschaft mit
Subventionspolitik, das heißt die Simulation von Markt. Das ist wie beim DKT,
nur ist es der Vorteil beim DKT, dass das kein echtes Geld ist und dass am
Abend, wenn man mit dem Spielen fertig ist, die Häuser und das Geld wieder
eingesammelt werden und zurück in die Box kommen. Was Sie hier machen, ist
genau die Simulation von Markt, bei der es dann scheinbare Gewinne und
derartige Dinge gibt.
Die Frage - und der müssen Sie
sich auch stellen, Herr Stadtrat -, ob Musical wirklich eine zu
subventionierende Kulturform ist, muss man sich schon stellen. Musical ist hoch
professionelle Unterhaltungsmusikkultur, und wenn man sich dazu bekennt, das zu
fördern, nämlich auch in dem Ausmaß, und wenn man überdies bereit ist, dieses
Ausmaß noch zu erhöhen, dann frage ich mich ganz ehrlich: Warum subventionieren
wir nicht auch andere hoch kommerzielle Musikformen oder künstlerische Formen?
Popgruppen - das wäre doch auch eine Idee: Wieso subventionieren wir nicht
Popgruppen? Warum erfinden und subventionieren wir nicht wieder die Wiener
Eisrevue? Oder vielleicht noch besser: Warum machen wir nicht einen eigenen
Zirkus, den Wiener Gemeindezirkus (GR Dr Matthias Tschirf: Die Fiaker!),
in dem dann die Fiaker durchfahren können und es Heurigensänger geben kann? (Heiterkeit
bei der ÖVP und den GRÜNEN.) Das alles kann man subventionieren, und ich
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