Gemeinderat,
41. Sitzung vom 26.03.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 87
Kopfschütteln sowohl hier herinnen als auch bei der
Bevölkerung auslösen können.
Sie sagen, es gibt keinen Pflegeskandal, es ist nur ein
Pflegemangel oder es sind bedauerliche Einzelfälle. Jetzt weiß ich schon, die
Sozialdemokratie hat mit dem Wort "Skandal" immer ein gewisses
Problem, denn ein Hort dessen, wo sich irgendwie der Skandal immer wieder
findet, ist nämlich offensichtlich die Sozialdemokratie, Skandal findet sich
dort, wo sie verantwortlich in Positionen sitzt, denn sonst hätten Sie nicht
eine derartige Aversion, wenn irgendwo dieses Wort "Skandal"
auftaucht. Offensichtlich assoziiert sofort jeder – sowohl in der SPÖ als auch
außerhalb –, Skandal ist gleich SPÖ, SPÖ ist gleich Skandal.
Schrecken Sie sich nicht immer so davor, wenn
irgendein Problemfall in dieser Stadt ein Skandal ist. Das ist ein durchaus
hinlänglich bekanntes Wort und spiegelt eine Situation wider, von der man sagt,
das ist über einen Missstand hinausgehend, eigentlich ist das ein –
Anführungszeichen – "Skandal", was da passiert ist. Also tun Sie
nicht immer so: Oh, das ist ein Skandal? Nein, das ist ja gar kein Skandal. Wir
schauen einfach nicht hin, dann ist es kein Skandal. Das kann ja nicht die
Funktion sein.
Wir haben das bei dem Flächenwidmungsskandal gehabt,
da sind das Fehlleistungen einzelner Beamter gewesen. Ich kann alles schönreden
und umschreiben, unterm Strich kommt heraus, dass dort alte Leute gequält
worden sind, um es auf den Punkt zu bringen und in eine verständliche Sprache,
die man auch draußen spricht. Dort haben Leute nicht die Behandlung bekommen,
die man ihnen eigentlich angedeihen hätte lassen sollen. Reden Sie einmal mit
den Leuten in der U-Bahn, in der Straßenbahn oder sonst wo darüber, da wird
Ihnen jeder sagen, das ist aber ein Skandal, wenn man mit denen so umgeht.
Also schrecken Sie sich bitte nicht so vor dem Wort
und nehmen wir zur Kenntnis: Es hat in Lainz wieder einmal einen Skandal
gegeben, in dem Fall heißt es halt Pflegeskandal.
Jetzt führen Sie viele Argumente an, dass das
eigentlich alles nicht so ist, wie es behauptet wird. Also es ist eh alles in
Ordnung, wir haben eh schöne Geriatriezentren. Ja, haben wir. Favoriten,
10. Bezirk, unbestritten. Da bin ich sofort bei Ihnen. Das ist ein
topmodernes, wunderbares Zentrum. Nur mit dem einen kann man halt leider Lainz
nicht auslöschen. Lainz gibt es. 70 Prozent der untergebrachten Personen
sind in Großheimen untergebracht – das ist einfach so –, und davon wieder weit
über 50 Prozent, nämlich 57 Prozent, in Großraumzimmern. Das sind
nicht die Vierbettzimmer, von denen Sie jetzt gesprochen haben, die für eine
Kommunikation unter den Personen, die dort untergebracht sind, durchaus das
eine oder andere Mal zielführend sind, sondern es sind Großraumzimmer mit sechs
und acht Betten, und bei acht Betten ist die Kommunikation nicht wirklich der
Ausgangspunkt, sondern da ist eher nur mehr die Unterbringung das vorrangige
Ziel.
Das Geriatriezentrum Favoriten, das Geriatriezentrum
Floridsdorf – das sind so die Vorzeigeprojekte. Ich komme mir immer so vor, als
würde ich einen Reiseprospekt nehmen, in dem ich eine Ferienanlage mit
herrlichen Bungalows sehe. Ich buche das natürlich, fahre dorthin und werde am
Rande der Anlage in einer Strohhütte untergebracht. Der Hoteldirektor sagt: Den
Strand haben Sie, die Palmen haben Sie, die Sonne haben Sie, mein Gott, das
Zimmer ist halt nicht so super. Das nennt man im klassischen Sinn Prospektbetrug.
Das ist im privatwirtschaftlichen Leben normalerweise ein strafrechtlicher
Tatbestand. Darauf reiten Sie ja immer so gerne herum, zumindest wenn es um die
Schadenersatzpflicht geht. Zumindest ist das schadenersatzpflichtig.
Fangen wir einmal an. Was war am Beginn dieses
Skandals, den Sie nicht wahrhaben wollen oder nicht als solchen benannt haben
wollen? Am Anfang kam, wie in allen solchen Fällen: Geht nicht auf das
Pflegepersonal los! Es stimmt außerdem nicht, und wer weiß, ob das überhaupt
stimmt, was ihr sagt. Also zuerst ist einmal der sozialdemokratische Reflex:
Wir leugnen es. Skandal, SPÖ, ist gleich leugnen. Da ist einmal die Flucht nach
vorne: Das gibt es alles nicht. Dann kommt halt leider die Wahrheit
scheibchenweise ans Tageslicht, und dann beginnt das Herumeiern. Na ja, das
sind bedauerliche Einzelfälle. Das ist ein Pflegemangel. Da muss man genau
recherchieren. Da muss man sich überlegen, wo da die Fehler gewesen sind, ob
das in der Organisation oder an den Strukturen liegt. Da werden wir versuchen,
etwas zu ändern.
Siebenmal ums Kreuz wird diskutiert, anstatt dass man
sagt: Ja, das ist leider passiert. Es ist so. Wir werden es abstellen. – Das
schaffen wir nicht.
Jetzt weiß ich schon, mit einer Stadträtin an der
Spitze – mittlerweile ist sie der Debatte wieder abhanden gekommen –, die
einfach sagt, selbst Unfähigkeit wäre kein Grund, dass jemand von der
Beamtenschaft hinausgeworfen werden kann, mit so einer Stadträtin wird es halt
nicht wirklich so gut funktionieren. Die wird sich nicht hinstellen und sagen,
ja leider, das ist passiert, wir werden uns bemühen, die hat ja bis jetzt
offensichtlich noch nicht mitgekriegt, worum was es da geht und dass eigentlich
der Herr Bürgermeister schon längst das Gesundheitsressort in die Hand genommen
hat und dass sie eigentlich nur mehr das Beiwagerl ist oder der Platzhalter,
bis eine bessere Person gefunden wird. Offensichtlich ist das der Frau
Pittermann überhaupt noch nicht klargeworden oder zumindest klargemacht worden,
denn vielleicht muss man es ihr sagen, wenn sie nicht von allein draufkommt.
Dann sagt die Sozialdemokratie,
die Vorschläge des Kontrollamtes werden jetzt eh laufend umgesetzt. Bitte, es
gab die ersten Hinweise, dass diese Großheime, dass diese Großraumzimmer weg
gehören von unserer Seite hier herinnen im Jahr 1991. 1993 hat es den Beschluss
betreffend "Hilfe im hohen Alter" gegeben. Da ist nochmals massiv
darauf hingewiesen worden, dass diese Großheime, diese Großraumzimmer einfach
weggehören, dass die nicht Standard sind. Es ist mittlerweile
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular