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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 121

 

auch schon wiederholend, aber ich glaube, es ist notwendig, Ihnen auch zu erklären, warum meine Insistenz in diesem Bereich so groß ist.

 

Die Informationstechnologie hat sozusagen schon den Anstieg in Richtung Kulmination erreicht. Hier eine besondere Kompetenz erarbeiten zu wollen, bedeutet einen Verdrängungswettbewerb. Hier haben sich schon andere europäische Länder sehr gut positioniert, bereits vor Jahren gut positioniert; ich denke nur an Irland, ich denke an Finnland. Hier wäre es sehr schwer, außer mitzuhalten ein Alleinstellungsmerkmal zu bekommen.

 

Die Nanotechnologie als eine zweite große Zukunftstechnologie hat bis jetzt außer schmutzabweisenden Stoffen und einigen Dingen dieser Art noch nicht so viel an Grundlagenforschung hinter sich gebracht, dass man darauf bereits arbeitsplatzwirksame Technologien aufsetzen könnte. Es ist also etwas, was hoch interessant ist, was man nicht aus den Augen verlieren sollte, aber was erst in der späteren Zukunft tatsächlich auch pekuniär zum Tragen kommen kann.

 

Die Werkstofftechnologie als dritte große Zukunftstechnologie bedarf im Vorlauf und im Nachhinein großer industrieller Anlagen. Das heißt also, zuerst einmal Bodenschätze zu schürfen, auf der einen Seite, um nachher die umgewandelten Werkstoffe auch industriell verarbeiten zu können, auf der anderen Seite. Beides ist in unserem Umfeld nicht vorhanden. Das ist für das Ruhrgebiet oder für solche Regionen eine wertvolle Zukunftstechnologie und ist daher auch nicht so gut.

 

Hingegen ist - und nun komme ich zur vierten großen Zukunftstechnologie - die Biotechnologie für die Region Wien wie maßgeschneidert. Wir haben ein gutes Standing auf diesem Gebiet, da wir schon auf gute Arbeiten in diesem Bereich hinweisen können, weil es hier schon über lange Jahre Firmen gibt und weil auch die Wiener Medizinische Schule noch immer der Welt in Erinnerung ist. Es gibt also ein gutes Standing, und wir haben ein hervorragendes Einzugsgebiet sozusagen in dem Viereck der Region Wien, Brünn, Bratislava und Györ. Hier gibt es einen hervorragenden Einzugsraum für Technologien dieser Art, weil es auch schon im Vorfeld immer ein bisschen so war, dass Pharmazeutisches und Lebensmitteltechnologie in diesem der Metropole doch nahen Bereich schon über Jahrhunderte gepflogen wurde.

 

Wir haben auch hier in Wien selbst zwei der drei wichtigen Säulen für eine Technologie. Die erste Säule ist immer die Grundlagenforschung, hier wurde in Wien bereits sehr viel getan. Der Vienna Bio-Cluster oder das Vienna Bio-Center ist eigentlich eine hervorragende Grundinvestition in diese Forschung, die notwendig ist, die aber - und das muss man auch dazu sagen - nicht sehr viel Geld bringt. Sie bringt Patente, Patente können entweder leicht gestohlen oder zumindest imitiert werden, oder aber viele der Patente werden dann im Ausland dazu verwendet, um dort Arbeitsplätze zu sichern. Grundlagenforschung ist also eine ganz notwendige lokale Kompetenz auf der einen Seite, aber man kann sich aus ihr heraus wiederum nicht den großen Gewinn erhoffen.

 

Die dritte Säule, die notwenig ist, haben wir auch sehr gut ausgeformt im Allgemeinen Krankenhaus dieser Stadt, nämlich die große Anzahl an Patienten, die es ermöglicht, insbesondere pharmazeutische, biopharmazeutische Produkte einer klinischen Erprobung zu unterziehen. Das ist eine ganz notwendige Sache, weil man, wenn man solche Produkte erzeugen will, nur dann in der Welt damit reüssieren kann, wenn sie anerkannt klinisch erprobt sind. Hier haben wir auch eine anerkannte klinische Einrichtung, die auf der ganzen Welt Anerkennung findet.

 

Was wir nicht haben - und das ist lustigerweise oder vielleicht traurigerweise das, was wir brauchen, um damit wirklich viel Geld zu verdienen -, ist die Verfahrenstechnologie. Das ist die Umwandlung der Grundlagenforschung in die Produktion, und das ist die Produktion selbst. Hier gibt es ein echtes Defizit, und dieses Defizit müssten wir jetzt endlich einem Ausgleich unterziehen.

 

Ich sage das deswegen, weil meiner Meinung nach der Herr Vizebürgermeister nach zwei Besprechungen, die wir - einmal sogar gemeinsam mit Bezirksvorsteher Tiller - über dieses Projekt hatten, immer noch nicht das erkennen will, was wirklich notwendig ist: Dass in diesem Bereich keine staatliche oder städtische Intervention besonders gefordert ist, sondern dass hier die Stadt eigentlich nur den Nukleus bieten muss, sozusagen den Anstoß dafür bieten muss, um in der weiteren Folge den privaten Interessensträgern, die einzig und allein die Hoffnung für das Unternehmertum darstellen, auch tatsächlich Raum zu geben.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht also nicht darum, so wie es in der Dr-Bohr-Gasse der Fall ist, Steuergelder für eine einzelne Einrichtung zu investieren, wie es jetzt auch in Heiligenstadt bei dem Bio-Cluster, der dort entstehen soll, bereits geschieht. Es geht nicht darum, ein einzelnes Gebäude zu errichten - oder sollen es auch mehrere sein -, sondern es geht darum, diesen ganzen Raum zu erschließen, um Produktion und Verfahrenstechnologie in einem Umfeld, das für einen Cluster tatsächlich geeignet ist, nämlich die BOKU, die auf der einen Seite da ist, die Personalressourcen, die auf der anderen Seite da sind, und letztendlich der ganze Standort und das gesamte Gelände, das auch da ist, zu verwenden. Es geht nicht nur um einige kleine Grundstücke im Bereich des Bahnhofes Heiligenstadt, sondern es geht um zirka 120 000 Quadratmeter verwertbares Industriegebiet, das sich dort zwischen Bundesbahn und privaten Besitzern etwa jeweils zur Hälfte aufteilt.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darum geht es, hier eine Entwicklungs- und Betreibergesellschaft zu gründen, die tatsächlich ein Interesse daran hat, dieses Gebiet zu entwickeln. Hier geht es auch wieder darum, dass dieser Nukleus, dieser Anstoß seitens der Stadtverwaltung gegeben wird. Nicht Steuergelder zu investieren, um irgendwelche Lenkungseigenschaften daraus zu bekommen, nicht Steuergelder zu investieren, um dort irgendwie die Hand auf dieser Zukunftstechnologie

 

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