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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 58 von 121

 

Beispiel auf dem Gebiet der Integration mittlerweile nicht mehr befolgt werden oder dass Konzepte wie jene bei der kooperativen Mittelschule nicht befolgt werden. Und so weiter und so fort.

 

Meine Damen und Herren! Diejenigen unter Ihnen, die Fachleute sind auf dem Gebiet Schule, Lernen, Unterricht – da zähle ich einige von Ihnen dazu –, haben sich die Ergebnisse der PISA-Studie mit Sicherheit aufmerksam angesehen. Da kann man immer noch zu unterschiedlichen Ansichten kommen, ich glaube, unbestritten ist aber, dass ein herausragendes Ergebnis zum Beispiel war, dass die Individualisierung des Unterrichts maßgeblich dafür ist, wie gut ein Land abschneidet. Das ist vielen Ländern sehr viel besser gelungen als Österreich im Bereich einer gemeinsamen Schule, aber selbst dort, wo es sie nicht gibt, ist die wesentliche Kennzahl die Individualisierung.

 

Wir in Wien und auch im Bund sind in die Gegenrichtung unterwegs. Wenn wir so kürzen, wie derzeit gekürzt wird, kann man die Individualisierung abschreiben. Das ist vollkommen unmöglich, denn weder habe ich kleine Klassen noch habe ich zwei Lehrerinnen und Lehrer drinnen. Es ist alles weg. Wir sind nicht unterwegs in Richtung Individualisierung, sondern in Richtung Frontalunterricht. Das ist das Ergebnis. Damit sparen Sie nicht nur die Schule, sondern auch die Zukunft kaputt, denn das alle wären ja Investitionen in die Zukunft Österreichs.

 

Ich freue mich, nein, ich freue mich eigentlich nicht, aber ich kann Ihnen ankündigen, die Ergebnisse der nächsten Pisa-Studie – sie sind ja unterwegs, wir werden sie irgendwann im Herbst oder im Winter vor uns liegen haben; diesmal geht es nicht ums Lesen, diesmal geht es um Mathematik – werden uns keine große Freude machen, denn die Ergebnisse sind schlecht.

 

Wir werden in den nächsten Jahren zur Kenntnis nehmen müssen, dass mit den zunehmenden Sparmaßnahmen sich eben auch die Leistungsergebnisse der Schülerinnen und Schüler verschlechtern werden. Und da rede ich noch gar nicht von dem, was den Grünen so besonders wichtig ist, nämlich endlich eine Gleichwertigkeit des kognitiven Lernens mit dem sozialen und mit dem emotionalen Lernen an den Schulen herbeizuführen und zu installieren. Das ist uns Grünen ganz besonders wichtig, genauso wie ein ganzheitliches Lernangebot. All das sind Dinge, die ganz weit weg sind und von denen wir uns immer weiter entfernen.

 

Ich möchte jetzt einen Antrag einbringen, der sich auf die Kürzungen im Pflichtschulbereich bezieht. Ich möchte Ihnen die Begründung ersparen, denn das ist in etwa das, was ich jetzt gesprochen habe. Es ist ein Beschlussantrag, der in seinem Antragstext so formuliert ist, dass alle Parteien mitgehen können. Es steht meiner Meinung nach nichts drinnen, wozu eine Partei sagen könnte, das stimmt mit unseren Vorstellungen so gar nicht überein, da können wir nicht mitgehen. Und deswegen lese ich jetzt diesen Antragstext kurz vor:

 

"Der Wiener Gemeinderat hält es für unabdingbar, die Qualität des Wiener Pflichtschulwesens wieder auszubauen, und ersucht daher alle zuständigen Gremien und verantwortlichen PolitikerInnen, darauf hinzuwirken, dass folgende Ziele erreicht werden: Chancengerechtigkeit, die individuelle Förderungen aller SchülerInnen muss gewährleistet sein, Begabungsförderung, Integration, ein dem Bedarf entsprechendes ganztägiges und kostenloses Schulangebot mit hoher Lern- und Lebensqualität, der Erwerb kognitiver, sozialer und emotionaler Bildung, mehr ganzheitliche Lernangebote, mehr Mitbestimmungs- und Gestaltungsrechte für SchülerInnen und LehrerInnen, gut ausgebildete und motivierte PädagogInnen. Die Wiener Pflichtschule soll eine Schule sein, in die die Kinder und Jugendlichen gerne gehen."

 

Wir werden eine sofortige Abstimmung beantragen und hoffen, dass Sie mitstimmen können mit diesem Antrag, der wirklich so formuliert ist, dass er dazu einlädt, dass alle Parteien auch tatsächlich mitstimmen können.

 

Ich möchte, da wir uns ja darauf verständigt haben, ein gewisses Zeitlimit nicht zu übersteigen, auf viele Dinge nicht eingehen, über die ich gerne reden würde, zum Beispiel über das gescheiterte Modell für die Finanzierung der Pflegeeltern, das aus mir unbekannten Gründen einfach entsorgt worden ist, oder darüber, warum Kinder, die sich in Krisenzentren flüchten und untergebracht werden wollen, bei der Stadt Wien nicht aufgenommen werden, weil ihre Eltern nicht bereit sind, den Beitrag zu zahlen. All diese Dinge, bei denen es einem ja wirklich kalt über den Rücken hinunterrinnt, werde ich jetzt nicht besprechen, aber auf anderem Wege versuchen, diese Mängel zu bekämpfen.

 

Ich möchte aber über die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sprechen. Wir haben darüber in den vergangenen Monaten, ja eigentlich Jahren, bereits oft gesprochen, zum einen wegen verschiedener Vorfälle im Rahmen des Kompetenzzentrums, wo es um die Auseinandersetzung gegangen ist: Handelt es sich um Rassismus – ja oder nein? Ich lasse das heute vollkommen beiseite, weil es nunmehr um eine sehr, sehr wichtige Sache geht. Wobei ich nicht sagen will, dass mir das andere nicht wichtig war, das war mir auch wichtig, aber jetzt geht es um Kinder und deren Wohl.

 

Es hat die MA 11 in einer Weisung verfügt, dass für Kinder oder Jugendliche, die älter als 14 Jahre und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind, kein Obsorgeantrag von Seiten der MA 11 gestellt werden soll. Für Jugendliche über 14 – so lautet es ganz offiziell – ist kein Obsorgeantrag erforderlich. Ich halte diese Weisung für gesetzeswidrig. Sie entspricht weder dem Jugendwohlfahrtsgesetz noch der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes, vor allem aber, denke ich mir, schadet man diesen Kindern maßgeblich.

 

Ich möchte Ihnen jetzt ganz kurz auch etwas vorlesen: Grundwerte wie Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie, Chancengleichheit, Toleranz und Integration zu leben, heißt, die verschiedenen sozialen und spezifischen Interessenslagen von Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel Frauen, Jugendlichen, SeniorInnen, AusländerInnen und so fort zu berücksichtigen. Die offene Kommune errichtet auch keine ethnischen Mauern. MitbürgerInnen aus anderen Staaten stellen

 

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