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Gemeinderat, 49. Sitzung vom 22.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 123

 

wirklich echt mutig, muss ich sagen. Wir haben hier doch mehrfach diskutiert, alleine auch im letzten Jahr, dass seit dem Jahr 2000 weit über 1°000 Lehrerinnen und Lehrer in Wiens Schulen eingespart werden mussten. Wir haben mehrfach festgestellt, dass diese Entwicklung zutiefst bedauerlich ist und auch fatale Folgen sowohl für das Bildungssystem also auch für die Bildungsqualität in der Bundeshauptstadt hat.

 

Wir wissen und haben hier auch schon mehrfach darüber diskutiert – ich glaube, da sind wir nicht allein in dieser Meinung, das ist so ein Bereich, wo man sich, denke ich, wirklich über sämtliche Parteigrenzen hinweg einig ist - selbst die FPÖ wird wahrscheinlich meiner Meinung sein -, dass das Wegkürzen von Lehrerinnen und Lehrern allen voran wen gefährdet? Die Kinder. Aber auch die Qualität des Unterrichts, die Vielzahl von Integrationsmaßnahmen, die es in früheren Jahren gegeben hat, gerade auch für Schulen, für Klassen mit einem hohen multikulturellen Anteil. Wie möchte Wien den Weg, der über Jahre hinweg aufgebaut worden ist, jetzt fortsetzen, wenn die Lehrerinnen und Lehrer fehlen, wenn eine Reihe von Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen eigentlich ausbleiben? Und dann kommen Sie her und meinen, 50 Lehrerinnen und Lehrer wären irgendwie ein Schwerpunkt und ein Erfolg. Das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

 

Nein, Herr Stadtrat, das ist kein Erfolg, das ist kein Schwerpunkt, es ist nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Da muss ich noch einmal die Kritik wiederholen, die es auch schon vor ein paar Wochen gegeben hat: Schlecht behandelt. Wiens Schulen können auf dieser Basis, mit so wenig Personal nicht die Leistung und die Qualität aufrechterhalten, die wir uns eigentlich immer auf die Fahnen geheftet haben. Übrigens hat allein der Stadtschulrat ja einen anderen Kostenplan beschlossen, auf dem 700 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich aufscheinen. Na, wer soll das jetzt bezahlen? Woher sollen die Mittel kommen? Wo sind sie in diesem Budget zu finden? – Es wird sie ganz einfach nicht geben.

 

Das heißt, behinderte Kinder bleiben auf der Strecke, das heißt, Kinder mit Schwierigkeiten in Deutsch bleiben auf der Strecke, das heißt aber letztendlich und à la longue auch, dass alle Kinder auf der Strecke bleiben, denn es muss doch jedem einleuchten, dass gerade dann, wenn Lehrerinnen und Lehrer, die eine Reihe von Integrations- und Förderungsmaßnahmen durchgeführt haben, weggekürzt werden und kein Ersatz kommt, der Bereich Schule kein Schwerpunkt ist, sondern ein Debakel.

 

Dritter Bereich: Der Sozialbereich. Auch hier haben Sie hervorgehoben, dass es 93 Millionen EUR mehr gibt, wenn ich das recht verstanden habe. Nun wäre es zwar spannend zu erfahren, wie Sie das jetzt zusammenzählen, damit Sie insgesamt auf diese Summe kommen, nichtsdestotrotz alleine beim Hinschauen auf das Budget stellt man fest: Ja, es stimmt, die Mittel für die Sozialhilfe sind gestiegen. Und das ist auch erfreulich. Der Mut ist dennoch auf der Strecke geblieben, der fehlt auch hier. Denn was man im Sozialbereich letztlich braucht, sind nach wie vor auch Strukturreformen, ansonsten – und das haben Sie selbst ja auch von hier aus erwähnt – kann man nur zuschauen, wie jahrein, jahraus die Zahl der Menschen, die auf die Sozialhilfe angewiesen sind, steigt, sodass wir jahrein, jahraus überlegen müssen, woher wir denn das Geld nehmen sollen. (GRin Erika Stubenvoll: Wer ist denn schuld daran?)

 

Ich möchte von dieser Stelle aus nicht diskutieren, wer schuld ist. Ja, Sie haben Recht, Wien hat nicht den wesentlichen Anteil an Schuld daran, dass die Anzahl der SozialhilfeempfängerInnen steigt und steigt und steigt von Jahr zu Jahr. Ja, die blau-schwarze Bundespolitik ist schuld daran. Die Frage ist nur: Was tut Wien? Welche Reformen nehmen wir in Angriff? Welche Konzepte entwickeln wir für die Zukunft? Wie wollen wir überhaupt den Sozialbereich angehen?

 

Und hier mangelt es, wie gesagt, an Mut, hier mangelt es auch am Willen zu Reformen. Wien könnte zum Beispiel hier sehr wohl einen ersten Schritt setzten in Richtung Umsetzung eines Grundsicherungsmodells für zunächst einmal die Ärmsten in der Stadt. Das tun wir nicht. Es bleibt alles so, wie es ist.

 

Das Budget sieht, wie gesagt, schon sehr toll aus in den Zahlen, doch es ist zu befürchten, dass beim Vollzug gespart wird, so wie es in den letzten Jahren konstant gemacht worden ist. Es geht ja gerade im Bereich der Sozialhilfe in Wien nicht nur darum, was auf dem Papier steht, sondern es geht vielfach darum, was letztendlich der Sozialhilfeempfänger oder die Sozialhilfeempfängerin tatsächlich bekommt, und wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass es hier eine Tendenz gibt, Kann-Bestimmungen konstant und wirklich fast automatisch in Nein-Bescheide umzuwandeln.

 

Also hier denke ich, wäre es schon an der Zeit, ein bisschen umzudenken, sich das ein bisschen genauer anzuschauen. Und wenn Sie schon sagen, die Stadt Wien ist Vorreiterin, ist ein Modellfall für Österreich und möchte zeigen, dass Politik auch anders sein kann und auch anders gehen kann, dann wäre es an der Zeit, ein Grundsicherungsmodell zu überlegen und vielleicht auch zunächst einmal für die Gruppe der Schwächsten in der Stadt umzusetzen.

 

Oder sehen wir uns innerhalb des Sozialbereiches den Bereich der Obdachlosigkeit an. Die Zahl der obdachlosen Menschen in Wien steigt ebenfalls, und es ist sehr wohl an der Zeit, sich vielleicht von dem Modell zu verabschieden, ihnen einfach einen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen. Wie wäre es mit dem Versuch, Dauerwohnplätze einzurichten? Wie wäre es mit einem Plan diesbezüglich? (GRin Erika Stubenvoll: Den gibt es ja!) Haben wir nicht. (GRin Erika Stubenvoll: Aber natürlich!) Gibt es nicht. Gibt es nicht. (GRin Erika Stubenvoll: 500 Plätze zum Beispiel!) Gibt es nicht. Auf dem Papier gibt es viel in der Stadt. Letztendlich geht es darum, sich anzuschauen: Was gibt es realiter? Wo wird es angegangen? Was wird umgesetzt? Wo bleiben die Reformen? (GRin Erika Stubenvoll: Wir haben die Delogierungsprävention und so weiter!) Ich sehe nicht, woher

 

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