Gemeinderat,
49. Sitzung vom 23.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 88
diskutiert das unter sich, wie das ist mit der
Zukunftsangst. (GR Ernst Woller: Ich weiß
nicht, woraus du das schließt! Wir haben keine Zukunftsangst! – Amtsf StR Dr
Andreas Mailath-Pokorny: Ich hab’ überhaupt keine!) Das freut mich sehr.
Warum machen Sie dann eine Politik, die ganz daraufhin deutet? Das ist die
Frage, die man sich stellen muss!
Keine Zukunftsangst zu haben würde bedeuten, im
Bereich der Medien mehr zu investieren, im Bereich dieses ganzen breiten
Spektrums von freien, unabhängigen Medien, Radios, offener Fernsehkanäle, aber auch
Kulturzeitschriften und sicherzustellen, dass es hier Distributionsmechanismen
gibt und dass Inhalte gefördert werden und nicht nur die Verpackung. Sie gibt
es de facto nicht bis auf das durchaus entbehrliche Kulturmagazin K2, für
das wir jährlich 180 000 EUR aus dem Wiener Kulturbudget ausgeben,
nicht mit Zustimmung der GRÜNEN, möchte ich hinzufügen. Es gibt kleine Summen
für ein so wichtiges Magazin wie „Die Springerin“, aber die ganze Entwicklung
der letzten eineinhalb Jahre in diesem Bereich wird völlig verschlafen.
Jetzt kann man darauf antworten, für die Medien ist
die Frau Laska zuständig. Der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien ist
der, der dafür zuständig ist. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, hier geht es
um mehr, hier geht es tatsächlich um Kulturpolitik im breitesten Sinn. Hier
geht es darum sicherzustellen, dass Öffentlichkeiten geschaffen werden, dass
Diskurs statt findet, dass Themen abseits des Mainstreams, abseits der bunten
Hochglanzgazetten stattfinden kann. Und das ist, denke ich, im absolut
wichtigen Interesse einer Stadtregierung, dass das stattfinden kann.
Ich erinnere mich noch, dass wir gemeinsam, der Herr
Stadtrat und ich, letztes Jahr bei den Mediengesprächen in Alpbach gesessen
sind und eingeladen waren, über genau dieses Thema zu diskutieren und zu
sprechen. Der Herr Stadtrat ist natürlich zu einem ganz ähnlichen Befund
gekommen wie alle dort, nämlich dass es ist viel zu wenig Inhalte in der
Medienlandschaft gibt, dass zu sehr auf die Quote geschaut wird und damit
wichtige kulturelle Vielfalt nicht stattfinden kann.
Wenn er diese Meinung immer noch teilt, dann frage
ich mich, wieso wir im Jahr 2005 nicht endlich die Anstrengung setzen
können, hier klare Köpfe zu schaffen, Distribution zu fördern, Inhalte zu fördern,
die kritische Öffentlichkeit befördern kann und auch das Lebensgefühl einer
Stadt wieder stillen kann.
Wir haben dazu einen Vorschlag gemacht von dem ich
glaube, dass er gut ist. Das läuft unter dem Stichwort des “Wiener
Medienvielfaltfonds“. Wir haben sogar eine Möglichkeit angedeutet, wie man an
Geld kommen könnte, nämlich über jene Beträge, die die GIS, das Gebühren- und
Informationsservice des ORF, der Stadt Wien noch schuldet. Und ich würde mich
sehr freuen, wenn wir es schaffen würden, im nächsten Jahr hier gemeinsam
sicherzustellen, dass dieser ganze Bereich der Medien Beachtung erfährt und
gefördert werden kann.
Die Medien sind aber nicht nur unsere klassischen,
traditionellen Printmedien oder elektronische Medien, die Sie kennen, sondern
es gibt natürlich dieses ganze große Spektrum der Digitalmedien, der
Online-Medien, der Online-Initiativen und der Kunst, die rund um das Thema
Internet und Online stattfindet. Hier hat Wien eine wirklich hoch interessante
Szene, hier passiert viel und es gibt viel zu wenig Geld dafür. Das ist, glaube
ich, eine Einschätzung, die wir alle teilen. Nur eine Einschätzung teilen und
keine Konsequenzen daraus ziehen ist nicht die Art von Politik, die ich mir
vorstelle und auch das ist ein Indiz für sozialdemokratische Zukunftsangst.
Bei diesen digitalen Kulturinitiativen, bei diesen
Online-Projekten, bei diesen hochinteressanten Ansätzen gibt es einiges zu tun
und nicht zuletzt geht es auch darum, Initiativen wie “Public Netbase“ zu
sichern und auch hier eine Zukunft zu ermöglichen.
Dieser ganze Bereich - neue Medien, Internetkunst -
ist ein sehr interdisziplinärer Bereich. Es ist ein Bereich, wo die Abgrenzung
zu den Sparten nicht so einfach nachvollziehbar ist, wo oft die Bildende Kunst
eine Rolle spielt, die Musik, aber durchaus auch andere Formen wie Performance
und andere. Und hier gibt es, glaube ich, auch einiges zu tun. Der ganze
Bereich Interdisziplinäres findet viel zu wenig statt. Mit interdisziplinär
meine ich nicht nur Tänzer und Tänzerinnen, die mit Musiker und Musikerinnen
zusammenarbeiten, sondern wirklich die gesamte Bandbreite der Sparten und der
Sparten übergreifenden Schatten.
Wien hat hier eine Tradition, die aus den 20er Jahren
stammt, die jäh durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen wurde und die von
vielen Kulturschaffenden in dieser Stadt aufgegriffen wird, die aber von der
Kulturpolitik nicht erkannt und auch nicht gefördert wird. Ich würde mir sehr
wünschen, dass es hier in diesem Budget 2005 Möglichkeiten zur Förderung
genau dieser innovativen, neuen Ansätze und Positionen gibt, die sicherlich
zukunftsweisend sind und sicherlich präzise zeigen, in welche Richtung sich die
Kunst und die Kultur entwickeln können.
Die Entwicklung ist ein wichtiges Stichwort für einen
Bereich, der leider auch unterbelichtet ist, der auch in dem Budget keine
Widerspiegelung findet, nämlich jener der Aus- und Weiterbildung. Die
Theaterreformjury hat in ihrem Positionspapier dazu klar Stellung genommen. Wir
haben ein Problem im Bereich der Aus- und Weiterbildung und nicht nur im
Theater. Wir haben dieses Problem in vielen künstlerischen Sparten und
Bereichen. Es gibt faktisch keine finanzierten Möglichkeiten sich
weiterzubilden, Neues zu lernen, zu forschen, neue Ansätze und Tendenzen kennen
zu lernen, über die Grenzen zu blicken, Internationales kennen zu lernen und
damit auch die eigene Kunst weiter zu entwickeln. Wir beklagen gerade im
Theaterbereich, dass hier nicht ausreichend Spannendes, Neues, Innovatives in
der Stadt passiert und gleichzeitig stellen wir nicht sicher, dass es im
Bereich der Aus- und Weiterbildung Möglichkeiten und Ansätze gibt.
Ich glaube, dass es ganz wichtig
wäre, hier Initiativen im Tanzbereich ebenso wie im Theaterbereich zu setzen,
wo die Jury ja zum Beispiel für den Punkt “Theorie“ extra
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular