Gemeinderat,
3. Sitzung vom 12.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 105
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! In Ihren einleitenden Worten haben Sie jedoch selbst gesagt, dass Ich-nen diese Entwicklung große Sorge bereitet. Diese Bilanz der letzten Legislaturperiode zeigt jedoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie negativ sich die Wirtschaftspolitik im Hinblick auf die Beschäftigungspolitik ausgewirkt hat. Ohne eine radikale Änderung dieser Politik zeigt unsere Prognose für das Jahr 2010 ein trauriges Szenario.
Zum Thema Arbeitslose noch ein kurzer Ausschnitt aus
einer Aussendung des ORF vom 2. Dezember 2005: „Die schlechte Nachricht:
In Wien suchen über 80 200 Menschen eine Arbeit. Dazu kommen noch einmal
20 000 Personen, die sich gerade beim AMS in Schulung befinden und
gar nicht in die Statistik eingerechnet werden." - Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Somit wären wir dann schon bei dieser magischen Zahl 100 000
angelangt.
Dann heißt es weiter: „Die erfreuliche Nachricht: Der
Wiener Lehrstellenmarkt entspannt sich langsam. Anfang der Woche haben beim
Arbeitsmarktservice 1 500 junge Wiener eine Lehrstelle gesucht." -
Einem Pressebericht im "WirtschaftsBlatt" entnehme ich, dass die
Stadt Wien 400 Lehrlinge aufgenommen hat. Sonst hätten wir bereits
1 900 Lehrstellensuchende, und damit wären wir der Zahl 2 300,
die wir in unserer Hochrechnung für das Jahr 2010 prognostiziert hätten,
schon sehr nahe.
Im Magazin des Sozialdemokratischen
Wirtschaftsverbandes ist auch ein Foto von Herrn Bgm Häupl und von Frau StRin
Wehsely zu sehen, wie sie diese neuen Lehrlinge in Wien begrüßen. Ich darf
vielleicht hier aus diesem Magazin gleich weiter zitieren, und zwar den Herrn
Kollegen Strobl, den Herrn Präsidenten Strobl; er schreibt hier: „Rund
8 000 Unternehmen werden jährlich in Wien gegründet und schaffen neue
Arbeitsplätze - eine unheimliche Erfolgsstory!", sagt Herr Kollege Strobl,
und er antwortet dann: „Nein, das Wiener Wirtschaftswunder ist das Ergebnis
harter Arbeit, konsequenter Investitionen und maßgeschneiderter
Förderungen."
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt
leider auch andere Schlagzeilen! Zum Beispiel diese: "Schwarze Weihnachten
- Pleitewelle ohne Ende" Oder: "Mehr als 7 000 Unternehmen
machen heuer bankrott", Untertitel: "In Wien türmen sich
Firmenleichen". Oder: "Neuerlicher Pleiterekord - Leitl kontert mit
gelockertem Ausgleich". Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP!
Mit einem gelockerten Ausgleich, mit einer Änderung im Konkurs- beziehungsweise
im Insolvenzrecht allein wird man diese Betriebe auch nicht retten können. Es
wird schon einer Änderung der Wirtschaftspolitik auch in Wien bedürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese
Negativ-Schlagzeilen betreffen leider fast ausschließlich die Klein- und
Mittelbetriebe in Wien, den tatsächlichen Motor der Wiener Wirtschaft. Sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister, hier müsste Wien wesentlich größere Anstrengungen
unternehmen! Fast 98 Prozent aller Betriebe in Wien beschäftigen
1 bis 49 Dienstnehmer und sind im Wesentlichen Klein- und
Mittelbetriebe, und nur 2,3 Prozent der Wiener Betriebe beschäftigen mehr
als 50 Dienstnehmer. Auch bei den Firmengründungen betrafen im letzten
Jahr 85 Prozent nichtprotokollierte Einzelunternehmen, also im
Wesentlichen Kleinbetriebe. Diese Zahlen, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister,
rechtfertigen meine Forderung, sich nicht nur verstärkt um diese Betriebe zu
kümmern, sondern diese auch verstärkt zu fördern und zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf dies
im Zusammenhang mit der Eigenkapitalausstattung der Betriebe noch
unterstreichen. Ich habe diese Zahlen bereits vor einem Jahr bei der
Budgetdebatte 2005 erwähnt, die Eigenkapitalausstattung der Betriebe ist
aber so dramatisch, dass ich sie wiederholen muss. Betriebe, die
10 bis 49 Dienstnehmer beschäftigen, haben ein
durchschnittliches Eigenkapital von 13,9 Prozent; und Betriebe, die
1 bis 9 Dienstnehmer haben, haben überhaupt nur ein Eigenkapital
von 2,2 Prozent.
Aber was noch viel dramatischer ist, meine sehr geehrten
Damen und Herren: Von den Betrieben mit 1 bis 9 Dienstnehmern haben
53,5 Prozent ein negatives Eigenkapital, und von den Betrieben mit 10 bis
49 Beschäftigten haben immerhin 34,5 Prozent ein negatives
Eigenkapital. Das bedeutet, dass 88 Prozent aller Wiener Klein- und
Mittelbetriebe überschuldet oder sogar Krisenbetriebe sind und somit von
Fremdkapital wie zum Beispiel Krediten et cetera abhängig sind. Und hier, sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister, müssten doch die Alarmglocken läuten! Hier
gilt es zu handeln, hier müsste Wien seine Betriebe unterstützen.
Auf die Unternehmen kommt aber gerade noch eine
weitere, schwer kalkulierbare Hürde zu - auch dies habe ich hier schon erwähnt
-, nämlich Basel II. Auch wenn Basel II für die Kleinbetriebe und für
die überwiegende Anzahl der Mittelbetriebe gar nicht vorgesehen war, wirft
Basel II seinen negativen Schatten voraus. Die Banken haben bereits seit
mehreren Jahren ein eigenes Rating, egal, ob jetzt Klein-, Mittel- oder
Großbetriebe ihre Kreditvergaben beschaffen.
Was bedeutet das Rating für diese Betriebe, die
ohnedies eigenkapitalschwach sind, wie ich eben dargelegt habe? - Nicht nur,
dass sich die Kreditkosten bei schlechtem Rating erhöhen, gibt es für viele
solcher Betriebe überhaupt keine Kredite mehr. Und was bedeutet das, sehr
geehrter Herr Vizebürgermeister? Wenn die Betriebe von den Banken keine
Überziehungen, keine Kredite mehr bekommen, somit ihren Zahlungsverpflichtungen
nicht mehr nachkommen können, sind sie zahlungsunfähig und somit insolvent.
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Aufgrund der
ohnedies schon schlechten Situation im Bereich des Eigenkapitals dieser
Betriebe und im weiteren Hinblick auf die kommenden Ereignisse, nämlich
Basel II, wäre die Stärkung des Eigenkapitals der Klein- und
Mittelbetriebe von immenser Bedeutung. Ich darf meine Forderung nach einem
Eigenkapitalstärkungs-Paket für Wien wiederholen.
Wie könnte diese
Eigenkapitalstärkung aussehen? -
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