Gemeinderat,
57. Sitzung vom 28.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 116
Der nach 1945 zurückgekehrte Tennenbaum trägt dem Herrn Karl die “Hetz“ nach, die sich dieser mit ihm im März 1938 gemacht hat und erwidert seinen Gruß nicht. Die Reaktion des Herrn Karl zeigt das österreichische Selbstbild nach 1945, das in der Ausstellung thematisiert wird. Leider gibt es in unserer Gesellschaft noch viele Herren Karl, die sich auch nach 60 Jahren nicht mit der Geschichte auseinander gesetzt haben.
Ein weiterer Beitrag zum Jubiläumsjahr ist die
Neugestaltung der Ausstellung des Dokumentationsarchivs des österreichischen
Widerstandes, die seit Ende der 70er Jahre nicht geändert wurde. Es ist ganz
wichtig, dass sie auf den letzten didaktischen Stand gebracht wird. Und diese
neue Ausstellung wird nicht mit dem Jahr 1945 enden, sondern wird
beleuchten, wie man in der Zeiten Republik mit den NS-Verbrechen und den
NS-Opfern umgegangen ist und wird sich auch dem leider immer noch aktuellen
Thema Holocaust-Leugnung widmen.
Seit der Wiener Gemeinderat beschlossen hat,
bedenkliche Erwerbungen aus der Nazi-Zeit an die rechtmäßigen Eigentümer oder
deren Rechtsnachfolger zu restituieren, wurden 24 000 fragliche
Erwerbungen auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft. Die Museen der Stadt konnten
2 800 Objekte zurückgeben, darunter so bedeutende Kunstwerke wie
Gemälde von Hans Makart oder Büsten aus der berühmten Serie “Charakterköpfe von
Franz Xaver Messerschmidt“. 345 bedenkliche Erwerbungen, bei denen die
ehemaligen Eigentümer nicht mehr festgestellt werden konnten, werden an den
Nationalfonds restituiert. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur sauberen
Aufarbeitung der Geschichte, ebenso wie die nachträgliche Widmung von
37 Ehrengräbern für jüdische Persönlichkeiten, zum Beispiel Arthur Schnitzler.
2004 wurden die Krankengeschichten der über 800
getöteten Kinder vom Spiegelgrund in das Stadt- und Landesarchiv transferiert.
Damit sind diese Dokumente auf Dauer gesichert und heuer konnte dazu schon eine
Ausstellung im Gasometer gestaltet werden.
Die Stadt- und Landesbibliothek hat 2004 unter
anderem die Nachlässe von H°C Artmann, von Gerhard Fritsch und von Marcel Prawy
angekauft. Bedeutende Schriftstellerinnen, wie zum Beispiel Friederike
Mayröcker oder auch Jeannie Ebner überließen ihre Archive bereits zu Lebzeiten
der Bibliothek.
Sehr interessant ist auch, dass die Stadt- und
Landesbibliothek die Fotoalben und das Gästebuch der Firma Braun am Graben
übernommen hat. Sozialgeschichtlich deswegen interessant, weil die Fotos die
Werkstätten, die Arbeitssituation der Näherinnen, Büglerinnen und Wäscherinnen
um die Jahrhundertwende dokumentieren.
Mit dem neuen Tiefspeicher im Hof 6 des
Rathauses können wir größtmögliche Sicherheit der Bestände garantieren. Er
verfügt über einen im deutschsprachigen Raum einzigartigen Brandschutz. Die
Reduktion des in der Luft enthaltenen Sauerstoffes verhindert bereits die
Entstehung von Bränden. Und eine weitere Innovation ist das Lagersystem für
Plakate, das dem modernsten konservatorischen Standard entspricht und maximale
Auslastung des zur Verfügung stehenden Raums ermöglicht.
Besonders originell finde ich, dass das von oben
sichtbare Dach des Tiefspeichers dem Verlauf der Gänge des Buchdruckerkäfers
nachempfunden ist. Die künstlerische Dachgestaltung wurde durch die
Zusammenarbeit eines privaten Sponsors und dem Fonds für Kunst im öffentlichen
Raum möglich.
Die Stadt Wien konnte in den letzten Jahren ihre
Kompetenz im Bereich der bildenden Kunst durch zahlreiche Maßnahmen unter
Beweis stellen. Im vergangenen Jahr wurde zusätzlich von den Stadträten
Schicker, Faymann und Mailath-Pokorny der Fonds zur Förderung von Kunst im
öffentlichen Raum gegründet. Sein Ziel ist es, qualitativ hochstehende Projekte
der zeitgenössischen und gegenwartsbezogenen Kunst zu realisieren. Kunst darf
sich nicht auf Museen beschränken, sondern soll auch im Alltagsleben ihren
Platz finden. Insgesamt stehen 800 000 EUR im Jahr zur Verfügung. Es
wurde ein Beirat auf drei Jahre bestellt, dessen Entscheidungen auf Basis von
Wettbewerben fallen.
Einige Beispiele: Wer in der letzten Zeit über den
Wallensteinplatz gegangen ist, hat das temporäre Projekt “addon“ gesehen oder
sogar schon begangen. Ab 1. Juli wird in den Haltestellen der
Straßenbahnlinie D eine Serie von Plakaten unter dem Titel “Arbeiten gegen
Rassismus“ präsentiert. Bereits im Vorjahr wurde die “Wand der Sprache“ am Schwendermarkt fertiggestellt, die
die Vielsprachigkeit in vielen Gebieten Wiens sichtbar macht. Ein Zitat eines
Vierzehnjährigen ist dort verewigt: “Inmitten von Schwierigkeiten liegen die
Möglichkeiten.“
Und als symbolische Geste der Anerkennung für eine
vergessene Opfergruppe soll am Morzinplatz ein Mahnmal für homo- und
transsexuelle Opfer des Nationalsozialismus errichtet werden.
Jetzt einige Worte zu meiner Kollegin Sommer-Smolik:
Der Wissenschaftsbericht ist ein Bericht und kein Diskussionsforum und meistens
funktioniert alles, worüber wenig gesprochen wird. Und in diesem Sinne kann ich
sagen, die Wissenschaft, die Arbeit mit der Wissenschaft funktioniert und heuer
liegt uns auf Initiative des Herrn Stadtrats erstmals ein eigener
Wissenschaftsbericht vor. Er zeigt Konzeptstrukturen, die Vielfalt der
Fördertätigkeit der Stadt Wien im Bereich der Wissenschaft und ist eine
eindrucksvolle Dokumentation der Forschungsarbeit, die von gemeinnützigen
Vereinen geleistet wird.
Forschung sollte, da sind wir uns einig, zwar in
erster Linie von Universitäten geleistet werden, aber wie bei so vielen Dingen,
die der Bund nicht lösen will, springt auch hier die Stadt ein, weil es einfach
wichtig ist, für die Zukunft im globalen Wettbewerb gerüstet zu sein.
Ein Beispiel: Wir unterstützen die international viel
beachtete Forschungstätigkeit des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation
unter Leitung von Prof Zeilinger, und fasziniert habe ich persönlich die
Entwicklung der Quantenkryptographie verfolgt, die ein Verschlüsseln von
Nachrichten ermöglicht, das absolut sicher gegen Abhören ist.
Und die weltweit erste Banküberweisung
mit dieser
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular