Gemeinderat,
57. Sitzung vom 28.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 41 von 116
Drittel weniger als die Männer, vor allem die Arbeitnehmerinnen verdienen sogar um die Hälfte weniger. In Schweden zum Beispiel sind die Betriebe verpflichtet, einen jährlichen Gleichstellungsplan vorzulegen, in dem Einkommen und Position nach Geschlecht aufgeschlüsselt werden müssen. Das wäre zum Beispiel eine aktiv gesetzte Maßnahme zur Förderung der Gleichbehandlung.
Welchen Problemen sind Frauen am öftesten ausgesetzt?
Da gibt es einmal die Armutsgefährdung. Es gibt in den letzten Jahren eine
eklatante Verschärfung der finanziellen Situation von Frauen. Laut der
Frauenberatungsstelle in Wien kommt es sogar immer öfter vor, dass sich Frauen
nicht einmal scheiden lassen können, auch wenn der Mann gewalttätig ist, weil
sie es sich nicht leisten können. (GRin
Martina LUDWIG: Warum wohl?) Das sage ich Ihnen gleich.
Es ist eine unglaubliche Diskrepanz, wenn Wien im
Ranking der teuersten Städte mittlerweile auf Platz 10 rangiert und auf der
anderen Seite eine Sozialhilfe von lächerlichen 630 EUR vergibt, den
niedrigsten Richtsatz für Sozialhilfe.
Dass Wien zu den lebenswertesten Städten gehört,
finde ich eigentlich nicht einmal der Rede wert bei diesem Steuer- und
Gebührenaufkommen. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wissen Sie
nämlich, was in Wien gerade passiert? Es driften Ihnen die Werte auseinander,
die Ausgewogenheit zwischen lebenswert und leistbar, zwischen erhöhtem
Steueraufkommen und Kosten und dazupassenden Sozialleistungen und Förderungen.
Ich verstehe, dass man gerne Selbstdarstellung und
Show finanziert, allerdings 100 Millionen EUR, die Sie dann durch
erhöhte Gebühren finanzieren müssen und kein Geld mehr haben für irgendeine
Ausgewogenheit oder Gerechtigkeit, um Wien von innen her stabil zu machen und
nicht nur nach außen schön – das ist genau das, was eine sinnvolle
Frauenpolitik verhindert.
Ich könnte Ihnen jetzt eine lange Liste von
Gebührenerhöhungen aufzählen. Das erspare ich mir, weil die ohnehin jeder
kennt, aber einen Punkt, den ich nicht verstehen kann, den erwähne ich doch:
Dass die Kosten für einen Kindergartenplatz steigen. Wie schaffen Sie es,
pausenlos die Gleichstellung von Frauen runterzubeten und auf der anderen Seite
eiskalt genau das zu tun, was am meisten kontraproduktiv ist und dem Budget vor
allem jetzt von Alleinerzieherinnen und berufstätigen Frauen und Familien am
meisten weh tut? (GRin Martina LUDWIG:
Was meinen Sie?) Das verstehe ich nicht.
Es geht um ein zeitgemäßes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen,
es geht darum, dass es für viele Eltern eine finanzielle Belastung ist. Die Ermäßigung
der Stadt Wien ist auch nicht zufriedenstellend. Es gibt jetzt zwei
Möglichkeiten – ich habe mich das öfter gefragt –: Entweder verstehen Sie es
nicht oder es ist Ihnen wurscht. Es ist beides schlimm. Sie können es sich
aussuchen. (Ironische Heiterkeit bei der
SPÖ.)
Laut Caritas Wien liegt die zentrale Bedeutung der
Ursache der Armutsgefährdung in biographischen Brüchen – das wissen wir –, zum
Beispiel Familiengründung, Trennung, Scheidung, Arbeitsplatzverlust, Geburt
eines Kindes, aber besonders tragisch ist, wie bereits vorhin erwähnt, der
Zusammenhang mit der hohen Frauenarbeitslosigkeit in Wien, die mit
7,8 Prozent besonders hoch ist. 70 Prozent der geringfügig
Beschäftigten sind weiblich, was den Einkommensunterschied verstärkt. Aber
egal, ob geringfügig beschäftigt, atypische Beschäftigungsverhältnisse oder
Teilzeitarbeit, Frauen befinden sich in diesen Beschäftigungsgruppen
überproportional.
Jetzt sage ich Ihnen noch etwas zum Wiedereinstieg.
Da gibt es ja Maßnahmen, die gesetzt wurden. Das klingt so, als wären die
ausreichend. Das stimmt nicht, denn laut Studie des Wiener Synthesis-Institutes
bekommt nur jede zweite Frau, die sich um einen Wiedereinstieg bemüht – und
drei von vier Frauen versuchen den Wiedereinstieg nach der Elternkarenz –,
einen Job, also nur jede Zweite schafft es, und ein Drittel bekommt nur eine
geringfügige Beschäftigung.
Für die Frauen, die in Wien um ein Drittel weniger
verdienen als die Männer, zieht sich dieser Unterschied natürlich bis ins
Alter. Das heißt, die durchschnittliche Frauenpension beträgt 10 640
brutto, die der Männer 19 550.
Armutsgefährdung in der Pension: Frau Dr Sabine
Oberhauser, Vorsitzende des Österreichischen Frauenringes, sagt, weder
Alibiaktionen noch Schönreden hilft den Frauen. Sie fordert ein radikales
Umdenken. Sie sagt, Frauen sind noch immer Menschen zweiter Klasse durch die
enorme Einkommensschere, durch erhöhte Armutsgefährdung und natürlich auch
durch Gewalt.
In Wien besteht eine überdurchschnittliche
Armutsgefährdung von fast 15 Prozent. Das Problem mangelnder externer
Kinderbetreuung verdeutlicht eine Analyse nach dem jüngsten Kind. Haushalte mit
kleinen Kindern haben ein überdurchschnittliches Armutsrisiko, nämlich
17 Prozent. Erst in Haushalten, wo das jüngste Kind bereits schulpflichtig
ist, gehen knapp 44 Prozent einer Teilzeitbeschäftigung nach. Die
Schlussfolgerung war: Die geringe Einbindung von Müttern mit kleinen Kindern in
den Arbeitsmarkt (GRin Martina LUDWIG:
Dank Kindgeld!) spiegelt sich in überdurchschnittlichen Armutsgefährdungen
wider. (GR Heinz Vettermann:
Kindergeld-Falle!) Soll ich Ihnen was sagen, Sie verstehen ja leider nicht,
dass das eine Anerkennung für Mütter ist, die ihnen eine finanzielle
Unabhängigkeit sichert. Nachdem Sie es jetzt schon mehrfach nicht verstehen,
ist es mir eigentlich zu langweilig, es zu erklären, ich erkläre Ihnen lieber,
was Sie ändern können. (Beifall bei der
ÖVP und bei Gemeinderäten der FPÖ.)
Zum Beispiel, Alleinerzieherinnen
sind auch mit Erwerbstätigkeit zu 28 Prozent armutsgefährdet. Es ist essenziell
– das ist laut Armutsbericht –, Frauen mit Familie ausreichend Erwerbstätigkeit
und die damit verbundene Kinderbetreuung
zu ermöglichen (GRin Martina LUDWIG: Die
gibt es in Wien als einziges Bundesland!) – ich habe das jetzt ganz langsam
gesagt –, um Familien und ihre Kinder vor Armut zu schützen. Alleinerziehende
sind eine zunehmende Lebensform und sie bedürfen in
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