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Gemeinderat, 58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 93 von 104

 

Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Der Vertrag selbst ist, ich kann nur sagen, skurril oder schrullig. Ich habe so etwas selber noch nicht gesehen. Auch darüber haben wir schon im Detail gesprochen, nur noch einmal zur Erinnerung oder zur Auffrischung einige wenige Highlights: Da werden, wie gesagt, über 100 000 m² Nettonutzflächen vergeben. Die Gemeinde Wien sieht aber jetzt und auch in den nächsten Jahren keinen Groschen vom Kaufpreis. Das wird irgendwann einmal nach Fertigstellung der Gebäude, das ist in einem Zeitraum zwischen 2008 und 2013, fließen und - was wirklich unüblich ist in diesem Geschäft - bis dahin wird der Kaufpreis unverzinst gestundet! Es gibt keine Anzahlung, es gibt nicht einmal eine Valorisierung des Kaufpreises um 32,1 Millionen EUR, und wenn Sie das abzinsen, den geldwerten Vorteil für den Käufer, dass er jetzt die nächsten 4 bis 10 Jahre keine Zinsen zahlt, muss man ja abzinsen, dann kommen Sie - das können Sie jederzeit nachrechnen, ich habe die Berechnung, die wir in meiner Firma gemacht haben, mitgenommen -, auf einen Betrag von nicht einmal mehr 25 Millionen EUR! Allein aus dieser Klausel im Vertrag ist der Vorteil für den Käufer ungefähr 100 Millionen ATS gewesen! Auch das werden Sie mir schwer erklären können, wer da so prächtig für die Gemeinde Wien verhandelt hat.

 

Andere Skurrilitäten aus dem Vertrag sind, wie gerade von mir geschildert: Während eben der Kaufpreis nicht valorisiert wird, sind die Abbruchkosten und die Ausmietkosten, soweit sie den neuen Käufer und Eigentümer treffen, sehr wohl valorisiert, sehr wohl wertgesichert und verzinst. Wenn Sie all diese Vorteile zusammenrechnen – es gibt noch ein paar andere Kleinigkeiten, die lasse ich jetzt aus Zeitersparnis weg –, dann kommen Sie letzten Endes auf einen Kaufpreis, der sich deutlich unter 20 Millionen EUR bewegen wird, was auf den Quadratmeter gerechnet bedeutet: Unter 200 EUR pro Quadratmeter! Wir sind also in Wirklichkeit unter den Grenzen für den gemeinnützigen Wohnbau und das, wie in diesem Fall, für ein über 20 000 m² großes Einkaufszentrum, das so unerfolgreich nicht sein dürfte, weil, wie wir ja aus der Zeitung erfahren – wir sind ja heute hier nur mehr Vollzugsgehilfen –, es ja nicht nur schon geplant ist, es ist ja auch schon voll vermietet! Es ist ja nicht so, dass die jetzt erst suchen müssen und das ein besonders riskantes Geschäft wäre. Es ist deshalb nicht riskant, weil sie einerseits für den Grund nichts zahlen und andererseits das Ding schon voll vermietet haben.

 

Meine Damen und Herren! Was Sie hier eigentlich geschaffen haben, wenn ich also jetzt meine Kappe des Gemeinderats wieder ablege und hinausgehe, dann muss ich sagen: Liebe Damen und Herren von der SPÖ, Sie haben ein Paradies für Immobiliendeveloper geschaffen. Nur Sie wissen, warum Sie das getan haben! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Da wären dann noch andere Kleinigkeiten: So am Rande eine UVP, die nicht notwendig ist, trotz über 1000 Parkplätzen, die dort errichtet werden. Eine negative Stellungnahme des Fachbeirats, die nonchalant negiert wurde, das hat Kollege Chorherr schon vorgetragen.

 

Aber es gab auch noch andere Sagen und Legenden, die sich einstweilen um dieses Gebäude ergeben haben. Auf zwei möchte ich eingehen, weil ich annehme, dass Kollege Hora jetzt dann gleich wieder aus diesem Sagen- und Legendenschatz der SPÖ-Wien zitieren wird.

 

Da war einmal die Sage 1: Das brauchen wir für die Nahversorgung. Ja, okay, das habe ich schon öfter hier und auch im Ausschuss gesagt. Gar keine Frage, Herr Kollege Hora, Nahversorgungscenter ist okay, nur ist “Nahversorgung“, die wissenschaftliche oder immobilienwirtschaftliche Bezeichnung für Nahversorgungscenter, nicht bei 23 000 m², sondern bei der Hälfte oder darunter. Dies wird auch von der MA 21 festgestellt. Ich habe schon einmal im Ausschuss zitiert aus den Stellungnahmen der MA 21 zu den Stellungnahmen in der öffentlichen Aufgabe. Ich tue es hier sozusagen fürs Protokoll noch einmal.

 

Da wird nämlich geschrieben: „Ein Einkaufszentrum der ausgewiesenen Größe spricht natürlich nicht nur den lokalen Nahversorgungsbedarf, sondern auch die mittelfristigen und langfristigen Kundenbedürfnisse an.“ Das heißt übersetzt, ein Großteil der dort Einkaufenden, ein Großteil der Anreisenden und ein Großteil des Verkehrs wird dort nicht vor Ort generiert, sondern wird aus anderen Bezirken abgezogen werden. Abgesehen davon, dass die Kaufkraft im Bezirk geschwächt wird, dass es zu einer weiteren Verschärfung der Wettbewerbssituation kommt und zu einem weiteren Aussterben des kleinen Handels in Wien, haben Sie damit auch noch den dort Nahversorgten auch eine sehr nahe Versorgung mit einem Verkehrschaos beschert! In einigen wenigen Jahren wird man Ihnen dafür auch dort vor Ort mit Sicherheit danken! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Und die 2. Legende und Sage war die: Da hat es immer geheißen, ja das wird ein Einkaufszentrum mit besonderer Sportaktivität. Natürlich kann man ein Einkaufszentrum als Developer unter jedes Motto stellen: Textilien, Essen – na gut, bei Lebensmittel gibt es Grenzen, aber sonst kann ich mir fast jede Einzelhandelssparte raussuchen und sagen: Ich stelle es unter dieses Motto. Tatsächlich ist es aber dort nicht der Fall. Wenn Sie nämlich den Akt genau studiert haben und ich tue das, dann werden Sie gesehen haben, das dort nicht viel mehr und nicht viel weniger sportaffine Händler in diesem Center sind als in jedem anderen Einkaufszentrum in Wien auch. Dass dort ein großer Sporthändler ist und ein Nike- oder ein Adidas- oder ein Pumashop, ist also nicht etwas besonders Sportaffines, sondern das braucht, um den richtigen Branchenmix zu haben, einstweilen jedes Einkaufszentrum. Das heißt, die 2. Legende, die hier immer aufgebaut wurde, ist schlicht und einfach die, dass es sich hier um ein besonders sportnahes Einkaufszentrum handelt. Mitnichten, es ist ein ganz gewöhnliches nicht Nahversorgungs-, sondern großes Einkaufszentrum. Also bitte nicht wieder mit diesen Sagen kommen! Es ist sowieso sinnlos, einstweilen glaubt Ihnen das niemand mehr, meine Damen und Herren!

 

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