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Gemeinderat, 5. Sitzung vom 24.01.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 18 von 89

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin! Zunächst einmal halte ich fest, dass das OGH-Urteil im ersten Fall auf die Zahlung von neun Millionen an die Erben des ursprünglichen Schenkers gelautet hat, was ja nicht gerade von extremem Altruismus zeugt, aber das ist nicht meine Angelegenheit. Wir haben es daher hier mit einer klaren Feststellung des Obersten Gerichtshofes zu tun, dass dieser Verkauf rechtmäßig gewesen ist – das ist eine Feststellung des OGH –, und daher ist er entsprechend rechtmäßig.

 

Was nunmehr das Landesgericht für Zivilsachen in erster Instanz festgestellt hat, ist, dass die Bestandspflicht sozusagen auf ewig gegeben sei. Argumente der Wirtschaftlichkeit, der Vernunft, des Wollens aller Beteiligten sind hintangestellt worden. Entgegen all diesen Überlegungen soll dieses "Kinderwohlfahrtsheim" – ein Begriff, der im Jahr 2006 ja schon mehr als seltsam anmutet – so betrieben werden.

 

Ich wiederhole mich daher: Wir haben in die Renovierung und in den Betrieb dieses Heimes, das nach dem Krieg, also im Jahre 1949, in meinem Geburtsjahr, übernommen wurde, mehr als 140 Millionen ATS investiert. Mir scheint dies eine hinreichende Rechtfertigung, da eine weitere Investitionsnotwendigkeit von ungefähr 30 Millionen ATS mit einem Schritt, den vor 15 Jahren die Stadt Wien gemeinschaftlich im Gemeinderat gesetzt hat, das auch für die Zukunft entsprechend sichergestellt hat. Und daher sage ich zum Vergleich: Die Rechtskosten sind vergleichsweise geringe Kosten dabei.

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Danke schön. – Herr Mag Gudenus, Sie haben die 2. Zusatzfrage.

 

GR Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Der OGH hat festgestellt, der Kauf war rechtmäßig. Trotzdem haben Sie Ihre Pflicht unterlassen, ein Jugenderholungsheim stets zu führen, so wie es auch im Schenkungsvertrag 1949 festgemacht wurde. Der "KURIER" schreibt, allein die letzte Verhandlungsrunde hat 21 000 EUR gekostet. Meine Frage: Wie viel kostete bisher der gesamte Rechtsstreit den Steuerzahler?

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Seien Sie mir nicht böse, Herr Gemeinderat, aber in einer Antwort auf eine Zusatzfrage kann ich Ihnen die Genesis der letzten 15 Jahre, was diese Rechtsauseinandersetzung betrifft, wirklich nicht auswendig darstellen. Aber wenn Sie das wünschen, reiche ich das gerne nach.

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: 3. Zusatzfrage: Frau GRin Smolik.

 

GRin Claudia Smolik (Grüner Klub im Rathaus): Herr Bürgermeister! Wir haben ja die Situation, dass in Österreich die Situation für Kinder und Familien nicht besser wird, sondern sie sind immer mehr von Armut betroffen. Es hat ja erst kürzlich einen Kontrollamtsbericht gegeben, wo auch festgehalten wird, dass die Zahl der Kinder, die auf diese Ferienheim-Urlaube fahren, ständig zurückgeht. Auch hier im Fall Tribuswinkel war die Begründung, dass es mangels Nachfrage eben wirtschaftlich nicht rentabel ist.

 

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung, dass die Wiener Kinder dieses Angebot in Wien nicht mehr annehmen?

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Bürgermeister.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Also ich will jetzt tiefschürfende Analysen unterlassen. Ich sage nur: Es gibt zwei Zugänge dazu. Der eine ist ein vordergründiger, indem man einfach sagt: Offensichtlich ist der Bedarf dafür am Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr gegeben.

 

Ich glaube, das ist etwas, wo man es sich nicht so einfach machen sollte. Ein solches Argument mag sich für eine Parlamentsdiskussion eignen, aber wenn man die Realität erfasst und sich insbesondere den Armutsbericht vergegenwärtigt, dann würde ich eine solche Argumentation nachgerade als zynisch empfinden. Und daher sage ich da eigentlich offenen Herzens: Ich kann mir zur Stunde tatsächlich, und für mich auch redlich, den Widerspruch nicht erklären, der zwischen den Erkenntnissen des Armutsberichtes auf der einen Seite und dem Rückgang der Nachfrage in dem Bereich auf der anderen Seite entsteht. Es gibt offensichtlich, wenn ich mir andere Bereiche anschaue, wo heute sehr viele Kinder und Jugendliche ihre Ferien verbringen oder mit den Eltern den Erholungsurlaub verbringen, die Zunahme etwa im Bereich Campen, ein gewisses Ausweichen.

 

Darüber hinaus könnten die Familiensituationen insgesamt gesehen auch ein Erklärungsansatz sein. Durch den ständig verstärkten Arbeitsdruck erhöht sich zweifelsohne auch das Bedürfnis, Ferien- oder Erholungsurlaub gemeinsam zu verbringen und nicht die Kinder – unter Anführungszeichen gesehen – zu verschicken. Ob das ein befriedigender Erklärungsansatz ist, weiß ich nicht, es ist sicherlich multifaktoriell, wie immer bei solchen Dingen, aber es könnten jedenfalls weniger zynische und wahrscheinlich auch nachhaltigere Erklärungsansätze dafür sein, dass es das gibt.

 

Wir haben es so zur Kenntnis zu nehmen. Wir betreiben ja nach wie vor ein derartiges Erholungsheim bei Ybbs, und auch dort ist zu erkennen, dass die Zahlen zurückgehen, aber eine entsprechende Auslastung rechtfertigt noch immer die Fortführung dieses Kinder- und Erholungsheims.

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: 4. Zusatzfrage: Frau Mag Feldmann.

 

GRin Mag Barbara Feldmann (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Im Gutachten vom Rechtsexperten Prof Dr Koziol trifft Wien eine verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung, weil durch den Verkauf eine Herausgabe der Liegenschaft unmöglich geworden ist.

 

Ich frage Sie, auch unter dem moralischen Aspekt den Staatsbürgern gegenüber, die der Stadt Wien eine Sache schenken für soziale Zwecke: Warum einigen Sie sich nicht mit Schenkern, vor allem von solchen Liegenschaften, auch mit 100 000 m² Park, auf entweder Rückgabe oder Verwendung für andere Zwecke, sondern verkaufen Schenkungen für soziale Zwecke einfach weiter?

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Bürgermeister.

 

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