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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 24.05.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 66 von 108

 

Wie auch immer. Ich hoffe, Sie werden mir Recht geben, dass diese Situation, wie immer sie auch zu lösen ist, ganz sicherlich nicht damit zu lösen ist, dass man jetzt auch noch Busse ankauft, Chauffeure bezahlt und täglich ein paar Tausend Kinder kreuz und quer durch die Stadt kutschiert!

 

Ich kann Ihnen nur sagen: Das Thema Ausländerpolitik wird offenkundig in diesem Wahlkampf zu einem sehr großen Thema, und ich finde es besonders bitter und zynisch, dass dieses Thema offensichtlich inzwischen auch noch auf dem Rücken von Kindern ausgetragen wird, und zwar doppelt: Einerseits wird es auf dem Rücken der Kinder ausgetragen, indem sie in den Schulen nicht die Betreuung erhalten, die sie verdienen würden. Andererseits werden sie dann aber auch noch stigmatisiert, also ob nicht die Politik das Problem wäre, sondern diese Kinder selbst. Und zum Schluss kommt auch noch der Vorschlag, die Kinder in Busse zu stecken und kreuz und quer durch die Stadt zu jagen! Das ist Zynismus! Das ist Zynismus pur! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

An dieser Stelle möchte ich einmal mehr an – den bedauerlicherweise abwesenden – Herrn Strache appellieren, dass er einmal versucht zu verstehen, dass ein außerordentlicher Schüler, das heißt ein Schüler oder eine Schülerin, der oder die auf Grund von schlechten Deutschkenntnissen dem Unterricht nicht folgen kann, nicht gleichzusetzen ist mit einem Schüler oder einer Schülerin mit nichtdeutscher Muttersprache. – Ich gehe davon aus, dass Sie das wissen müssen! Ich gehe aber auch davon aus, dass Sie mit Absicht ständig diese zwei Gruppen gleichsetzen! Vielleicht nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache Kinder sind, bei denen auch nur ein Elternteil eine nichtdeutsche Muttersprache hat! Das heißt, wenn ich Kinder hätte, würden meine Kinder auch als Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache geführt werden. Sie würden aber höchstwahrscheinlich beziehungsweise nicht höchstwahrscheinlich, sondern ganz sicher fließend Deutsch sprechen!

 

In meinem Klub gibt es übrigens mindestens vier Personen mit nichtdeutscher Muttersprache: Marco Schreuder, Alev Korun, mich und sogar unseren Herrn Stadtrat David Ellensohn. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Es kommt des Öfteren vor, dass wir Kommunikationsschwierigkeiten haben, aber wenn das der Fall ist, so ist das nicht auf schlechte Deutschkenntnisse zurückzuführen, sondern liegt eher auf einer völlig anderen Ebene. Es ist vielleicht trotzdem gut, das einmal im Hinterkopf zu behalten! – Ich finde diese Haltung jedenfalls, wie gesagt, traurig und empörend!

 

Ich halte es auch für bezeichnend, dass wir nun diese PISA-Daten schwarz auf weiß haben, aber anstatt dass es zu einer ernst zu nehmenden Debatte kommt, was man tun kann, schlagen die einen vor, die Kinder in Busse zu stecken und durch die Gegend zu führen, und der FPÖ fällt in der heutigen Debatte nichts anderes ein, als Schnitzelanträge einzubringen! Das ist wirklich wahr, ich glaube das kaum! Die FPÖ kommt hierher, und ihre Antwort auf dieses Problem in Wiener Schulen ist nicht etwa irgendetwas Inhaltliches, sondern ein Antrag zur Rettung des Wiener Schnitzels! Und was tut dann die Wiener ÖVP? Die Wiener ÖVP bringt einen Gegenschnitzelantrag ein! (Zwischenruf von GR Dr Matthias Tschirf.)

 

Das ist der revidierte beziehungsweise gehobene Schnitzelantrag! Und was tut die Wiener SPÖ? – Anstatt dass sie sich auf den Boden wirft und lacht, unterstützt sie diesen Antrag! Im Ernst: Was sollen wir jetzt tun? (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich habe nachgedacht: Wir müssen hier einen Hirselaibchenantrag einbringen! Sollen wir einen Körndlantrag einbringen, damit die GRÜNEN in diesem Zusammenhang auch vorkommen? Wir könnten einen Antrag einbringen, in dem steht: Der Wiener Gemeinderat nimmt mit Freuden zur Kenntnis, dass in den Wiener Tagesheimen und Kindergärten auf Initiative der GRÜNEN bereits seit Jahren Biokost aufgetischt wird! (GR Dr Matthias Tschirf: Das wäre viel gescheiter als viele anderen Anträge!)

 

Weiter könnte es heißen: Wir freuen uns sehr darüber und fordern uns selbst auf, das weiterhin zu tun! (Zwischenruf von StR Dr Johannes Hahn.) Selbstverständlich werden das Schnitzel und auch sonst irgendetwas dabei sein! Alle sind froh! Die Stadt ist gerettet! Unser Kulturgut ist gerettet! Und im Übrigen findet der Sommer für gewöhnlich erst nach dem Frühling statt. – Wollen wir das auch beantragen und zur Kenntnis nehmen?

 

Meine Damen und Herren! Es kann doch nicht wahr sein, dass wir jetzt mittels eines Antrags alle gemeinsam zur Kenntnis nehmen, dass wir uns freuen, dass den Kindern gesundes Essen vorgesetzt wird und dass auf kulturelle Unterschiede sozusagen Rücksicht zu nehmen ist!

 

Ich finde das toll! Wir haben kurz nachgedacht: Was tun wir jetzt? Das kann man doch unmöglich ablehnen! Das ist eine Banalität, selbstverständlich werden wir das auch zur Kenntnis nehmen! Aber mit den PISA-Ergebnissen hat das nichts zu tun! Ich bedaure: Es hat damit nichts das Geringste zu tun! Denn es geht jetzt darum, dass 19 beziehungsweise 20 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund nicht verstehen können, was sie lesen, wenn sie 15 oder 16 Jahre alt sind. Und das ist nicht darauf zurückzuführen, dass sie nicht genug Schnitzel gegessen haben! (Zwischenruf von StR Dr Johannes Hahn.)

 

Was kann man tun? Was erwarte ich, dass man tut? – Möglichkeiten gibt es viele. Man könnte beispielsweise relativ rasch handeln und darüber diskutieren, in welcher Anzahl diese 1 300 fehlenden Lehrerinnen und Lehrer nachbesetzt werden könnten.

 

Man könnte natürlich auch längerfristig handeln. Man könnte zum Beispiel beschließen, dass Sprachen sehr wohl den Mittelpunkt und ein Herzstück der Schulpolitik in einer Stadt wie Wien bilden. Man könnte beschließen, dass Wien die Ambition hat, zur Sprachenhauptstadt Europas zu werden. Man könnte mehr bilinguale und multilinguale Schul- und Klassenprojekte einrichten, was

 

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