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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 74 von 118

 

VBgm Rieder gehört hat, dann konnten viele von uns glauben, sie sind in einem falschen Film oder vielleicht in der falschen Stadt. Wir haben die Botschaft gehört, aber allein fehlt uns der Glaube. Man ist sich wie in einer Märchenstunde vorgekommen, vielleicht die Geschichten aus dem Wienerwald, alles in Ordnung, Friede, Freude, Eierkuchen. Wirklich schön, was man mit Statistiken so machen kann. Ich weiß zwar nicht, von welcher Stadt der Herr Vizebürgermeister gesprochen hat, aber Wien kann es wohl nicht gewesen sein. In einer Deutschschularbeit in der Schule würde man glatt sagen, Themenverfehlung, Nicht Genügend!

 

Wir reden aber heute, so wie immer, über Wien und nicht über irgendeine andere Märchenstadt. Denn Schönfärberei bringt uns angesichts der Zustände überhaupt nicht weiter. Wir stehen vor gewaltigen Problemen. Die Probleme potenzieren sich bei Nichtlösung. Betroffen ist die Jugend in Wien. Jugend und Kinder bedeuten normalerweise Zukunft. Ich zweifle aber daran, dass unsere Jugend noch eine gedeihliche Zukunft haben wird, wenn man in Wien aufwächst. Eine wehrlose Jugend wird von der absolut herrschenden roten Rathausmehrheit im Stich gelassen. Jetzt wird durch eine Brot-und-Spiele- und Eventpolitik auch Sand in die Augen gestreut, die Unmengen an Steuergeldern verschluckt, anstatt das Geld sinnvoll einzusetzen, wie zum Beispiel für die Förderung von Jungfamilien oder die Einführung des Gratiskindergartens oder zur Restaurierung von Schulgebäuden und so weiter.

 

Stattdessen wurde in den letzten Jahren vor allem zu Lasten der jungen Leute und Jungfamilien ein Belastungspaket umgesetzt, denn Brot-und-Spiele-Politik will auch finanziert sein. Ich wiederhole es gern, die Erhöhung des Gaspreises um 17 Prozent, die Erhöhung des Strompreises um 5 Prozent, die Erhöhung der Kanalgebühren um 28 Prozent, die Erhöhung der Müllgebühren um 20 Prozent und so weiter. Das alles eben auch zu Lasten der jungen Wienerinnen und Wiener. Wie soll sich ein junges Paar oder ein junger Mensch in Wien noch ein Eigenheim leisten können? Durch das Häupl-Belastungspaket wird das Wohnen pro Jahr um 400 EUR teurer. Die Betriebskosten wurden durch diese Gebührenanhebungen direkt erhöht. Das betrifft vor allem junge Leute und auch Jungfamilien. Das ist aber noch lange nicht alles: Erhöhung der städtischen Kindergartengebühren auf bis zu 200 EUR pro Monat, Verteuerung der städtischen Sportanlagen um 20 Prozent, Erhöhung der Bädertarife um 10 bis 25 Prozent, Kürzung der MA 56-Zuschüsse für Schulschikurse an sozial schwache Eltern um 20 Prozent, Erhöhung der Saalmieten in Musiklehranstalten und so weiter. Die Liste lässt sich beliebig fortführen. Die Jugend erstickt regelrecht an der Gebührenlawine im roten Wien.

 

Man sieht also, wie unsozial es hier im roten Wien, im sozialdemokratisch regierten Wien, zugeht. Das Wort sozial gibt es hier, glaube ich, schon lange nicht mehr! Man sieht es ja am BAWAG- und ÖGB-Skandal, rote Bonzen residieren in Gratis-Penthäusern, während sich die Wiener Jugend schwer tut, sich ein Eigenheim zu leisten beziehungsweise arbeitslos auf der Straße steht.

 

Von "demokratisch" kann man angesichts der vielen Ausgliederungen auch nicht mehr sprechen. Wichtigste Bereiche wurden so der Kontrolle des Gemeinderats entzogen. Eine öffentliche Vergabe nach dem Bundesvergabegesetz entfällt zum Beispiel bei der Prater Service GmbH, da sie eine 100-prozentige Tochter der Stadt Wien ist.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der immer höher steigenden Jugendarbeitslosigkeit in Wien - 10 Prozent laut den offiziellen Zahlen - und der steigenden Anzahl der Sozialfälle ist es einfach ein Hohn, wie übermenschlich luxuriös die roten BAWAG- und ÖGB-Bonzen hoch über den Dächern Wiens residierten, während bis zu 2 Milliarden EUR, nämlich die Mitgliedsbeiträge der kleinen und unschuldigen ÖGB-Mitglieder, in der Karibik einfach "flöttl" gegangen sind.

 

Die Jugend steht in Wien zunehmend auf der Straße und wird, während das Geld in die Verwirklichung von weltfremden Multikulti-Projekten gesteckt wird, einfach links liegen gelassen. Wien hat im Bundesländervergleich die höchste Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen. Wenn dann so wie im letzten Gemeinderatswahlkampf wahlschwindlerisch behauptet wird - genauso wie auch jetzt in den Geschichten aus dem Wienerwald des Herrn VBgm Sepp Rieder -, in Wien sei die Arbeitslosigkeit rückgängig, so könnte man nur lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

 

Das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt etwas ganz anderes. Ich zitiere: „Wien bleibt aufgrund des nachhaltigen Strukturwandels nach wie vor das Bundesland mit dem geringsten Beschäftigungswachstum. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Wien wird vor allem durch den Anstieg der in der Arbeitslosenstatistik nicht erfassten Schulungsteilnehmer erklärt."

 

Ja, wir hatten 2005 offiziell 589 Arbeitslose weniger, dafür aber 3 200 Leute mehr in Schulungsprogrammen. Es gab also eine tatsächliche Zunahme an Arbeitslosen von 2 692 im Jahre 2005 und 23 Prozent mehr in Schulungen - man sieht also, was alles man mit Statistiken schön darstellen kann, schön reden kann.

 

Im Lehrlingsbereich ist die Stadt Wien noch immer Schlusslicht. In Wien gibt es 15 000 Lehrlinge, in Tirol 12 000 Lehrlinge bei einer viel geringeren Einwohnerzahl. Ich möchte da wissen, wie gut es den Lehrlingen hier geht - ich glaube, nicht sehr gut! Es gibt viel zu wenige Lehrplätze hier in Wien, darüber kann auch die Märchenstunde eines Sepp Rieder nicht hinwegtäuschen.

 

Es bringt also überhaupt nichts, die Schuld dem Bund zuzuweisen oder umgekehrt, man kann sich nämlich weder an Herrn Schüssel noch an Herrn Häupl ein Vorbild nehmen - beide sind schuld an der Misere! Aber anstatt die Ärmel hochzukrempeln und die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es wieder mehr Arbeit gibt, und statt wieder Zukunft für junge Leute sicherzustellen, schiebt man die Verantwortung ab: Wien putzt sich ab am Bund, der Bund putzt sich ab an Wien, das Spiel geht hin und her, und die jungen Leute bleiben

 

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