Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 103 von 118
Eurostat feststellen! Maximal die Hälfte dieser Einkommensunterschiede ist auf den Faktor Arbeitszeit zurückzuführen. Es ergibt sich nämlich auch arbeitszeitbereinigt für Frauen ein Einkommensnachteil: Je nach Berechnungsmethode sprechen das Eurostat von 17 Prozent und der Rechnungshof von 21 Prozent. Zumindest die Hälfte der statistisch ausgewiesenen Einkommensunterschiede sind – arbeitszeitbereinigt – auf direkte Diskriminierungen von Frauen auf Grund ihres Geschlechtes durch Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen zurückzuführen.
Ich nenne, um das anhand eines Beispiels zu
illustrieren, die unterschiedlichen Einstufungen in verschiedene
Gehaltsschemata. Eine Frau wird für eine Tätigkeit als Sekretärin in ein
entsprechendes Gehaltsschema eingestuft, ein Mann wird jedoch oft für dieselbe
Tätigkeit als so genannter Assistent in ein höheres Gehaltsschema eingestuft,
und so werden Einkommen oder auch Social Benefits zwischen Frauen und Männern
unterschiedlich verteilt.
Wir wissen von der Gleichbehandlungsanwaltschaft,
dass das auch in Wien ein Problem ist. Wir haben gleichen Lohn für
gleichwertige Arbeit im Gesetz schon lange festgeschrieben. Die Maßnahmen, die
bisher gegen die Einkommensunterschiede getroffen werden, nämlich zum Beispiel
die wichtige Tätigkeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft oder auch die
Frauenförderpläne, die es in vielen Betrieben gibt, die aber meistens über die
berühmte Pflichtübung nicht hinausgehen, genügen allerdings bislang nicht, um
diese Einkommensschere zu schließen.
Daher schlagen die GRÜNEN ein innovatives Modell zu
Schließung der Einkommensschere vor, nämlich endlich auch die Arbeitgeber und
Arbeitgeberinnen und die Unternehmen betreffend Schaffung einer
diskriminierungsfreien Arbeitsumgebung, guter Arbeitsbedingungen und gleicher
Einkommen in die Pflicht zu nehmen, um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit
in den Unternehmen sicherzustellen.
Überraschenderweise sind wir diesbezüglich einmal mit
dem Direktor der Weltbank hinsichtlich Armutsbekämpfung einig, der gesagt hat:
Der Kampf gegen Einkommensunterschiede führt auch zu einer Steigerung des
Wirtschaftswachstums und wirkt armutsbekämpfend. – In Anbetracht dessen
stellen wir uns die Frage, warum wir das nicht ernsthaft angehen und was Wien
diesbezüglich tun kann. – Wien kann zum Beispiel einen Handlungsspielraum
nutzen und die Instrumente der Wirtschaftspolitik auch in die Frage der
Frauenförderung mit einbeziehen. Die Wirtschaftsförderung, die in Wien einen
großen Brocken – wie ich jetzt sagen möchte – ausmacht, könnte auch
mit Frauenförderkriterien unterlegt werden.
Es gibt diesbezüglich vielversprechende
Diskussionsprozesse im Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds, und es gibt
ein grün-rotes Projekt zur Koppelung der Auftragsvergabe durch Betriebe an
Frauenförderung. Warum sollte nicht auch die Wirtschaftsförderung, insbesondere
auch der Wirtschaftsförderungsfonds, hier mit einbezogen werden und wirklich
darauf geachtet werden, dass Frauenförderkriterien bei der Wirtschaftsförderung
Berücksichtigung finden?
Die GRÜNEN haben ein Modell ausgearbeitet, nämlich
das Modell der Gleichbehandlungsbilanz. Dieses wird nächste Woche im Parlament
bei einer Enquete vorgestellt. Es wurde mit Expertinnen und Experten aus dem
Wirtschafts- und Arbeitsmarktbereich ausgearbeitet. Bei dieser Enquete, zu der
Sie natürlich alle sehr herzlich eingeladen sind, werden auch Expertinnen der
Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer anwesend sein, um dieses Modell der Gleichbehandlungsbilanz,
das jetzt im Testbetrieb in ganz Österreich und auch in Wien läuft, mit uns zu
diskutieren und weiter auszuarbeiten.
Es spricht nichts dagegen, dass das zuständige
Mitglied der Landesregierung auch in Wien – und das wird der Wortlaut
unseres Antrages sein, den meine KollegInnen Alev Korun, Waltraut Antonov und
Martin Margulies einbringen werden – untersuchen lässt, inwiefern die
Wiener Wirtschaftsförderung an Kriterien zur Förderung der Chancengleichheit
von Frauen und Männern in Betrieben gekoppelt werden kann.
Unsere Vorstellung ist, dass eine solche
Gleichbehandlungsbilanz von Betrieben zu erstellen ist, namentlich von
Betrieben ab einer bestimmten Betriebsgröße und von Betrieben, die eine
bestimmte Fördersumme beanspruchen, die über einen bestimmten Mindest-Level
hinausgeht, also vor allem von Großbetrieben. In dieser Gleichbehandlungsbilanz
sollen der Frauenanteil an der Beschäftigtenzahl und Einkommensdaten genannt
werden, und es soll nachvollzogen werden können, ob Einkommensgleichheit
annähernd gewährleistet ist, und zwar immer im Vergleich mit anderen Betrieben
derselben Branche, wobei auch angegeben wird, ob Frauen in allen
Hierarchieebenen mit einer Mindestquote vertreten sind. – Ich darf Ihnen
sagen, dass es dazu bereits auch sehr entgegenkommende Stellungnahmen von
Experten und Expertinnen aus dem Wirtschaftsbereich gibt, und wir hoffen auf
einen guten diesbezüglichen Diskussionsprozess auch im Ausschuss, an den dieser
Antrag gerichtet ist.
Ich darf zum letzten Punkt kommen. Es ist dies ein
Thema, das ich an dieser Stelle öfters anspreche, das sehr sensibel ist, weil
es stark tabuisiert wird, nämlich das Fehlen einer niederschwelligen
Beratungseinrichtung für Sexarbeiterinnen beziehungsweise Prostituierte in
Wien.
Sie wissen vielleicht, dass das derzeitige Projekt
SOPHIE im 15. Bezirk, das Beratung für Sexarbeiterinnen anbietet, nächstes
Jahr ausläuft. Es ist dies ein mit EU-Geldern unterstütztes Zweijahresprojekt,
ein Equal-Projekt. Diese Projekte laufen jeweils nur einen gewissen Zeitraum
und müssen innovativ sein. Das zu unserem Leidwesen bereits ausgelaufene
Vorgängerprojekt SILA war sehr erfolgreich. Es hatte unserer Ansicht nach viele
Vorteile gegenüber dem jetzigen Projekt SOPHIE, das rein ausstiegs- und arbeitsmarktorientiert
ist und das daher viele Sexarbeiterinnen, vor allem jene, die
Migrationshintergrund haben, von der Beratung eigentlich ausschließt.
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