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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 29.03.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 65 von 71

 

kulturell nicht integrieren können. Die Jugendarbeitslosigkeit in Wien ist dementsprechend groß. Wir alle kennen das Freizeitverhalten von Immigrantenkindern, wenn Sie auf die Ottakringer Straße gehen, die so genannte Balkan-Meile oder die türkischen Clubbings. Ein Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft ist da nicht zu finden! Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier geht es nicht darum, jetzt den Teufel an die Wand zu malen! Ganz im Gegenteil, mir und meiner Fraktion geht es um vernünftige Lösungsansätze!

 

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle einen Bericht aus dem türkischsprachigen Regionalmedium „Yeni Vatan Gazetesi" präsentieren. Ich werde es Ihnen nachher zeigen, ich habe die Zeitung leider auf dem Tisch vergessen. Dieses Medium hat sich dem Thema angenommen und hat in der letzten Ausgabe einen Bericht dazu gebracht. (Der Rednerin wird die angesprochene Zeitung zum Rednerpult gebracht.) - Danke sehr! - Es ist ein türkisches Medium, aber auf dem Cover ist in deutschen Lettern - man sieht es - zu lesen: „Diese Bilder stören uns auch". Es geht vor allem um jugendliche Migranten. Das Problem mit denen ist auch in der Community ein Problem. Deswegen dürfen wir es im Gemeinderat nicht schönreden! Auch die SPÖ darf es nicht schönreden! Dieser Bericht verdeutlicht vor allem eines: Die Integrationspolitik der SPÖ-Regierung ist gescheitert! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Jugendlichen sind größtenteils in Wien geboren, hier aufgewachsen, aber sie fühlen sich nicht angekommen und hier beheimatet. Die meisten von ihnen haben nur einen Pflichtschulabschluss, haben keine Arbeit und damit auch keine Zukunftsperspektive. Wie gesagt, Wien ist zwar noch nicht Paris, aber Wien kann sehr schnell und sehr bald Paris werden, wenn die SPÖ-Alleinregierung nicht endlich aus ihrem „Es-ist-eh-alles-in-Ordnung"-Schlaf aufwacht! (Beifall bei der ÖVP. - GRin Nurten Yilmaz: Das glauben Sie wirklich?)

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren der SPÖ-Fraktion, lassen Sie mich meine Ausführungen zu Ende bringen. Die Integrationspolitik ist kein netter ideologischer Aufputz, Frau Kollegin Yilmaz, den man zur Not einmal schnell sozusagen quasi auf dem Hut austauschen kann! (GRin Nurten Yilmaz: Wie kommen Sie darauf?) Im Gegenteil, gute Integrationspolitik ist eine der drängendsten Herausforderungen, das heißt, mit enormer sozialer, gesellschaftspolitischer und arbeitsmarkpolitischer Relevanz! (Beifall bei der ÖVP. - GRin Nurten Yilmaz: Sehr gut!)

 

Die Chancen, Frau Kollegin, von Migrantenkindern und jugendlichen Migranten auf eine spätere Integration in den Arbeitsmarkt zu erhöhen, liegt zutiefst auch im Interesse der Wiener Gesellschaft. Zum einen werden diese Fähigkeiten und Ressourcen nicht brach liegengelassen, sondern weiterentwickelt und für die Wiener Gesellschaft dann auch nutzbar gemacht. (GRin Nurten Yilmaz: So ist es!) Zum anderen dient integrative Jugend- und Schulpolitik auch als Maßnahme zur Prävention von abweisendem Verhalten, sprich, Drogen, Gewalt et cetera. Spätere Folgekosten für die Gesellschaft können auf diese Weise vermieden werden. (GRin Nurten Yilmaz: Deswegen haben wir auch nicht die Probleme von Paris!)

 

Es ist mittlerweile hinlänglich diskutiert, dass Integration nur über die Sprache gehen kann. Mich haben in den letzten Tagen etliche Lehrer, vor allem aus dem Berufsschulbereich, kontaktiert, auch Sozialarbeiter haben mich kontaktiert, die sich mit dieser Problematik von der Wiener Stadtregierung allein gelassen fühlen. (Beifall bei der ÖVP. - StRin Mag Katharina Cortolezis-Schlager: Ganz genau!)

 

Ein Berufsschullehrer hat mir berichtet, das er allein im letzten Monat ehrenamtlich für sprachliche Unterstützung seiner Schützlinge 120 Stunden aufgewendet hat und nun an der Grenze seiner Belastbarkeit gelandet ist. Auch er fühlt sich von der Wiener Stadtregierung im Stich gelassen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das Beispiel zeigt uns vor allem ganz deutlich, dass Wien noch viel Arbeit vor sich hat. Derzeit gibt es kein Anzeichen dafür, dass die Ärmel bei der SPÖ-Fraktion hochgekrempelt werden. Aber es ist mit hohen Risiken verbunden, notwendige Maßnahmen auf die lange Bank zu schieben und sich darauf auszureden, dass es von selbst besser wird. Gute und ehrlich gemeinte Integrationspolitik ist, wie gesagt, eine Investition in die Zukunft von uns allen. Da fällt der SPÖ-Stadtregierung kein Zacken aus der Krone, wenn sie über ihren eigenen Schatten springt und bekennt, dass ihre bisherige Integrationspolitik gescheitert ist und sie die Forderung der ÖVP umsetzt. Aber nur zu sagen, Integration ist wichtig, ist uns zu wenig.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte heute noch ein anderes, sehr sensibles Thema ganz kurz ansprechen, und zwar Zwangsheirat.

 

Vor zehn Minuten hat mir die zuständige Stadträtin die lang versprochene Studie in die Hand gedrückt. Ich habe deswegen leider keine Möglichkeit gehabt, sie durchzulesen.

 

Aber ich möchte Ihnen am Beispiel eines Falls die Brisanz dieses Themas verdeutlichen. Vielleicht haben Sie in den letzten Tagen „Report" gesehen, wo vom Fall Ayse berichtet wurde, oder auch in den Medien darüber gelesen. Dieser Fall hat mich persönlich sehr berührt. Ich habe dieses Mädchen besucht. Es geht um ein türkisches Mädchen, das 2005 geheiratet hat und aus der Türkei nach Wien gekommen ist. Ihr Mann ist ein in Wien aufgewachsener türkischstämmiger Österreicher, der eine Freundin gehabt hat. Die Eltern wollten nicht, dass er seine Freundin heiratet und haben ihn gezwungen, Ayse zu heiraten. In Wien angekommen hat sie sehr viel Leid erfahren müssen. Sie wurde von den Schwiegereltern und auch von ihrem Mann misshandelt, eingesperrt. Die Polizei musste sie befreien. Sie ist in ein Frauenhaus gekommen. Die Scheidung wurde eingereicht. Aber die psychologischen und seelischen Grausamkeiten ihres Mannes gingen weiter. Noch dazu hat er, obwohl er noch mit ihr verheiratet war, mit seiner ursprünglichen

 

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