Gemeinderat,
22. Sitzung vom 25.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 140
Parteibeschlüssen. Worin es sich nicht findet, das ist in der Politik der Stadt Wien. Und ich denke, dass das wahrscheinlich auch etwas ist, wo man in den nächsten Jahren Aufholbedarf hat.
Und ich komme zum Bereich Pflege. Es ist etwas, was
gerade in den letzten Wochen sehr stark diskutiert worden ist. Lassen sie mich
vorab festhalten, auch hier macht Sozialminister Buchinger einen Fehler. Er
macht einen großen Fehler, denn das Plündern des Sparstrumpfs der Großeltern
einer Familie war nie eine gute Idee. Es ist erstens psychologisch nicht gut,
wenn man Menschen, die ein Leben lang gespart haben, um den Kindern und den
Enkelkindern etwas zurücklassen zu können, um die Familie in einer Notsituation
unterstützen zu können, das Ersparte wegnimmt. Wenn man in dieses Ersparte
hineingreift, greift man das Vertrauen älterer Menschen und ihrer Familien im
Sozialstaat massivst an.
Zweitens aber steckt dahinter meiner Meinung nach
auch eine grundsätzliche Überlegung. Ist Pflege von älteren Menschen, die pflegebedürftig
werden, nun einmal eine Aufgabe des Staates und der Kommunen, oder ist es
Aufgabe auch der Familie? Und wer ist für die Finanzierung der Pflege
eigentlich zuständig? Sind es zur Gänze die Kommunen und der Staat, ist es
unser Gesundheitssystem, oder dürfen wir die Familienangehörigen
beziehungsweise die pflegebedürftigen Menschen selbst zur Kasse bitten? Meiner
Meinung nach ist Pflege, genauso wie Kinderbetreuung, genauso wie die
Schulbildung von Kindern, ein Bereich, der Menschen zustehen sollte, wo man
einen Rechtsanspruch haben sollte, wo man klarerweise auch Teile der Pension
dafür einnehmen und einbehalten kann, wo man aber darüber hinaus, wie gesagt,
das Ersparte beiseite lassen sollte. Denn Menschen, die ein Leben lang
gearbeitet haben, die ein Leben lang Steuern bezahlt haben, haben ein Recht
darauf, im Alter damit rechnen zu können, dass der Staat für qualitativ
wertvolle Pflege, ja Pflege auch zu Hause, aufkommen wird. Wir sind immerhin
einer der reichsten Städte der Welt, und hier geht es schlussendlich auch
darum, was die ureigensten Aufgaben der Daseinsvorsorge sind.
Insofern, meine Damen und Herren, muss ich
feststellen, hier gibt es immerhin eine lebhafte Diskussion, hier gibt es eine
heillose Verwirrung auch darüber, welche Bundesländer jetzt mitziehen, welche
nicht - ich hoffe, dass sich die Situation in den nächsten Monaten mehr klärt,
was ja auch gut für die Betroffenen wäre -, aber der Weg bis nach Schweden, der
Weg bis nach Dänemark, der Weg bis nach Skandinavien, ist noch sehr, sehr, sehr
weit. Und obwohl Reformen angegangen werden, verabsäumt man es, sie so zu
treffen, dass tatsächlich der Weg auch dorthin irgendwann einmal führen würde.
Ich vermisse hier die Ansätze, ich vermisse auch das wesentliche Erkennen, dass
das etwas ist, wie gesagt, wofür man Menschen nicht über ihr Erspartes zur
Kasse bitten sollte. (Beifall bei den GRÜNEN.) Unbeschadet dessen möchte
ich meinen, dass der Weg, den die Stadt Wien beschritten hat, kleinere
Geriatrieeinheiten zu schaffen - kleinere jetzt mit 300 Plätzen - von uns
grundsätzlich ebenfalls als erster Schritt in die richtige Richtung begrüßt
wird.
Sagen wir, er findet unsere Zustimmung, denn ihn zu
begrüßen, wäre in dem Fall ein bisschen übertrieben. Nichtsdestotrotz,
300 Plätze sind noch relativ groß, das heißt, hier kann man nicht wirklich
stolz von dezentraler, vorbildlicher Pflege sprechen. Uns schwebt vor,
einerseits die Pflege zu Hause viel mehr auszubauen - siehe meine Ausführungen
gerade eben -, als auch wesentlich kleinere Einheiten zu schaffen, die in der
Grätzelstruktur eingebettet sind, und die hier sozusagen tatsächlich eine
Privatsphäre ermöglichen, die es im Übrigen, ebenfalls in Skandinavien, gibt.
Und ich frage mich, warum sind solche Dinge in Skandinavien möglich, und warum
sind sie es in Wien nicht.
Mitunter gibt es klarerweise in Skandinavien
vollkommen andere Rahmenbedingungen für die Kommunen, sie haben auch andere
finanzielle Möglichkeiten, sie haben auch andere und mehr Kompetenzen als die
Kommunen in Österreich. Nichtsdestotrotz vermisse ich hier auch die Ansätze für
eine Diskussion. Ich meine, wir haben derzeit Diskussionen, die hinter
verschlossenen Türen stattfinden, wie denn die Verfassung abgeändert werden
soll, vier Herren machen das untereinander aus. Hier könnten sich die Länder
beteiligen, hier könnte es Ansätze geben, hier könnte es eine fruchtbare
Debatte geben, welcher Weg einer Dezentralisierung für Österreich der sinnvolle
wäre, welche Finanzen die Kommunen brauchen, um ihre Aufgaben zu bewältigen, und
was ihre ureigensten Aufgaben sind. Leider muss ich sagen, jetzt gerade findet
diese Debatte nicht statt, und auch der Konvent, den es unter Beteiligung der
Länder gegeben hat, hat sich bedauerlicherweise, bedauerlicherweise muss man
sagen, de facto bloß als Beschäftigungstherapie erwiesen.
Und ich komme zum nächsten Bereich, der ebenfalls ein
sehr wichtiger und sehr wertvoller für Wien ist, nämlich Kinderbetreuung
beziehungsweise Schulen. Da gibt es auch eine heiße Debatte, und es ist auch
ein Thema, das in einer Stadt, in der inzwischen die Hälfte aller Kinder, die
geboren werden, eine andere Muttersprache als Deutsch haben, von massiver
Bedeutung auch für die Zukunft ist. Ich stelle fest, dass wir einerseits für
die dreijährigen und älteren Kinder in Wien einen relativ guten Deckungsgrad
mit Kinderbetreuungseinrichtungen, auch Kindergartenplätzen, haben, aber nach
wie vor ist jedes vierte Kind - ich sollte vielleicht sogar korrekterweise
sagen, nur jedes vierte Kind im Alter bis zu 3 Jahren -, in Betreuung. Das
heißt, dreiviertel aller Kinder im Alter von einem bis zu drei Jahren, sind
noch zu Hause und es bedeutet auch, dass hier ein Elternteil vorwiegend vom
Arbeitsmarkt fern bleibt und schlussendlich die Kinderbetreuungsaufgabe
wahrnimmt und wahrnehmen muss.
Wenn man in dieser Stadt etwas
ändern möchte, wenn man erreichen möchte, dass vorwiegend Frauen im
Arbeitsmarkt integriert bleiben, wenn man erreichen möchte, dass man die
Beschäftigungsquote von Frauen erhöht, wenn man erreichen möchte, dass Frauen
nicht
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