Gemeinderat,
22. Sitzung vom 25.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 140
gibt und die Höchstzahl der Gruppen zu groß ist. Mit einem Wort: Der Betreuungsschlüssel ist nicht adäquat.
Wir
wollen, dass die Eltern ein freies Wahlrecht zwischen allen Angeboten haben,
was auch bedingt, dass private Einrichtungen genauso gefördert werden wie
Einrichtungen der Stadt Wien. Der kostenlose Kindergarten muss von der Stadt
Wien – und jetzt kommt der springende Punkt – aktiv beworben werden,
und das ist das, was nie gelingt. Wir wollen, dass sich die Situation umkehrt.
Jetzt ist es das Problem der Eltern, einen guten Kindergartenplatz zu finden.
Wir wollen aber, dass faktisch die Stadt Wien den Leuten einen guten
Kindergartenplatz anbietet.
Wir hätten
gerne, dass bereits bei der Geburt des Kindes das erste Angebot der Stadt Wien
kommt, dass den Leuten bereits bei der Geburt des Kindes gesagt wird: Wien hat ein
tolles Kindergartennetz, wir laden Sie ein, Ihre Kinder spätestens mit drei
Jahren in diesen Kindergarten zu geben! Und alle Menschen sollen auch erfahren,
wozu das gut sein soll und welchen Wert das für das Kind und dessen weitere
Schullaufbahn hat. Dem können dann ein Brief und noch ein Brief folgen, und
zwar selbstverständlich in der Muttersprache der Menschen, sodass diese
tatsächlich wissen, dass diese Stadt für das Kind, wenn es drei Jahre alt wird,
einen kostenlosen Platz hat und dazu einlädt. Dann werden auch alle
dreijährigen Kinder tatsächlich in einem Kinderbetreuungsangebot sein. Wir
wollen eine Werbekampagne, mit der sichergestellt wird, dass sich im Speziellen
sozioökonomisch benachteiligte Familien angesprochen fühlen und darüber Bescheid
wissen, welchen Vorteil das für ihr Kind hat. Unser Ziel ist es jedenfalls,
dass spätestens alle Dreijährigen tatsächlich in einem Kindergarten sind.
Es gab
auch bei uns die Überlegung, das verpflichtend zu gestalten. Wir glauben aber
im Endeffekt, dass der erste Schritt eine nachhaltige Einladung sein soll. Erst
soll man schauen, ob das funktioniert und die Einladung tatsächlich bewirkt,
dass diese Kinder in den Kindergarten gehen, und erst dann soll man über
weitere Schritte nachdenken. – In formeller Hinsicht beantragen wir die
sofortige Abstimmung dieses soeben eingebrachten Antrages.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Chancengerechtigkeit kann über verschiedene Wege hergestellt werden. Das
funktioniert am Beginn der Bildungslaufbahn über den Kindergarten, das
funktioniert aber auch über andere Maßnahmen. Ich nenne zunächst jene, welche
die Stadt Wien im eigenen Bereich leisten und durchführen kann, und danach erst
möchte ich ein paar Worte zur Gesamtschule sagen.
Genauso wie der Kindergarten kann auch die ganztägige
Schule viel leisten, um Chancengerechtigkeit herzustellen, und zwar ganz
einfach deswegen, weil in der ganztägigen Schule individuelle Fördermaßnahmen
gesetzt werden können und auch jenen Kindern individuelle Nachhilfe gegeben
werden kann, deren Eltern sich eine außerschulische Nachhilfe privat nicht
leisten können. Auch diese Maßnahme wirkt sich vor allem zu Gunsten jener
Kinder aus, deren Eltern wenig verdienen.
Wir haben im Wiener Schulgesetz, als wir die Novelle
betreffend ganztägige Schule beschlossen haben, festgeschrieben, wer vorrangig
Platz in den ganztägigen Schulen haben soll. Zu beachten sind dabei jene
Kinder, die das im Speziellen brauchen. Aber in der Regel ist vielfach nur dann
ein Platz vorhanden – und danach wird bei der Einschreibung auch
gefragt –, wenn beide Elternteile voll berufstätig sind. – Auch im
Hinblick darauf ein Appell der Wiener GRÜNEN: Stellen Sie Chancengerechtigkeit
her, indem Sie mehr ganztägige Schulplätze auch an Kinder vergeben, die sozioökonomisch
benachteiligt sind! Das muss man doch auch irgendwie statistisch erfassen
können, da muss man ein bisschen umverteilen, und da muss man gerechter sein,
als das derzeit der Fall ist!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Chancengerechtigkeit kann und muss aber auch über Maßnahmen des Bundes
hergestellt werden, und da geht es natürlich im Speziellen um die Gesamtschule.
Wir haben jetzt schon oft über die Gesamtschule gesprochen, und es gibt
hartnäckige Gegner und Gegnerinnen der Gesamtschule und hartnäckige Verfechter
und Verfechterinnen der Gesamtschule. – Ich frage mich: Wie ist dieser
Gegensatz zu überwinden? Wie kann es schlussendlich dazu kommen, dass die
benachteiligten Kinder tatsächlich Chancengerechtigkeit auch über eine
Gesamtschule erhalten können? Wie kann man vor allem die ÖVP davon überzeugen,
dass die Gesamtschule Benachteiligungen reduzieren kann, ohne eine
Niveausenkung herbeizuführen? (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist ein Ding
der Unmöglichkeit!) Mit welchen Überlegungen kann man Sie überzeugen? Es
gibt auch Menschen in der ÖVP, die bereits überzeugt sind und das auch
öffentlich äußern. (GR Kurth-Bodo Blind: Jeder darf seine Privatmeinung
haben!) Ja! Jeder darf seine Privatmeinung haben! Das stimmt schon! Und es
ist auch klar, dass hier Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.
Ich sage Ihnen aber auch, welchen Verdacht ich habe:
Ich habe den Verdacht, dass viele von Ihnen tatsächlich davon ausgehen, dass
das das Niveau insgesamt senken würde. Ich denke mir, dass es doch möglich sein
müsste, an Hand von Studien auf Basis der PISA-Ergebnisse zu beweisen, dass das
in guten Gesamtschulen nicht der Fall ist. Ich weiß, dass eine Gesamtschule
gut, weniger gut oder auch schlecht sein kann. Das ist Tatsache. Was aber
hindert Österreich daran, die beste Gesamtschule der Welt zu machen? –
Niemand! Wir brauchen das nur zu tun! Wir müssen die Kriterien für eine gute
Gesamtschule bestimmen. Wir müssten festlegen, wie eine gute Gesamtschule
aussehen soll. Und dabei sind etwa die Modelle Finnland, aber auch Kanada
durchaus hilfreich.
Ich und
meine Partei würden gerne dazu beitragen, größere Teile der ÖVP in diesem Sinn
zu überzeugen, denn der Streit führt zu nichts und muss beendet werden. Da muss
Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es gäbe zum Thema Schule noch sehr viel zu sagen, etwa zu den
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