Gemeinderat,
22. Sitzung vom 25.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 94 von 140
Herren!
Für mich ist das heute eine Premiere, das ist meine
erste Budgetdebatte. In den letzten zehn Stunden, diesen mehr als zehn Stunden,
habe ich sehr gut aufgepasst und bin erstaunt, für welche Bandbreite Zahlen
herhalten können müssen.
Ich möchte mich gerne dem Thema Bildung widmen, und
bei der Bildung habe ich heute schon die unterschiedlichsten Alterslimits
gehört: Bildung beginnt nicht erst mit zehn, Bildung beginnt schon ab sechs;
Bildung beginnt schon in der Vorschule, oder Herr Stürzenbecher hat ein
Vorschuljahr gefordert; Bildung beginnt ab drei.
Mittlerweile ist wirklich in Mitteleuropa durch die
Gehirnforschung bewiesen: Bildung beginnt spätestens mit der Geburt. Das heißt,
dass die Bildung nicht mit drei beginnt, nicht mit sechs beginnt, nicht mit
zehn beginnt, sondern spätestens ab dem Moment, wo man auf die Welt kommt. Umso
wichtiger, denke ich mir, ist es, auf jene jungen Menschen hinzuschauen,
nämlich die schwächste Gruppe, die jungen Kinder.
Die erste institutionelle Bildungseinrichtung, die
unsere Kinder besuchen, ist der Kindergarten. Da gibt es mittlerweile auch
international eine ganze Menge Studien, die belegen, dass qualitativ
hochwertige Elementarpädagogik Nachteile von Kindern aus sozial schwächeren
Familien ausgleicht und den Kindern bessere Chancen für die Schule vermittelt.
Es gibt eine ganz neue Studie der Universität Berlin
- in Zusammenarbeit mit der Uni Maastricht -, die da aussagt: Jedes Jahr, das
ein Kind länger im Kindergarten ist, erhöht die Chance auf eine höhere
Schulbildung um 8 Prozent. Wenn man das anders ausdrückt, müsste man
sagen: Mehrere Kindergartenjahre sind eine gute Voraussetzung, später eine
höhere Schulbildung zu erreichen.
Man sollte meinen, das ist Grund genug, um in Wien
den Ausbau von Kindergartenplätzen voranzutreiben, und zwar egal, ob es jetzt
93, 95 oder 91 Prozent sind. Wir sollten doch jedenfalls auch jene
7 Prozent - wenn es 93 Prozent sind - erreichen, die wir jetzt nicht
erreichen, weil diese Kinder sonst weniger Chancen auf eine hohe Schulbildung
haben.
Das Ziel muss ein flächendeckendes Angebot an
vorschulischen Betreuungsplätzen sein, und davon sind wir noch weit entfernt.
Bei den unter Dreijährigen - ich sehe Frau Tanja Wehsely jetzt nicht - ist es
so: Die offiziellen Zahlen der Statistik Austria sagen, in Wien ist der
Deckungsgrad 22 Prozent. Das sind die Zahlen von 2006; bitte beschweren
Sie sich nicht bei der ÖVP, sondern beschweren Sie sich bei der Statistik
Austria. Ich habe das auch nicht mit den Zahlen für Österreich verwechselt,
denn dort ist es erfahrungsgemäß geringer: Da sind es 12,5 Prozent.
Natürlich ist der Bedarf in urbanen Gebieten, in
Großstädten wie Wien weitaus höher als im ländlichen Bereich. 22 Prozent -
oder Sie haben gesagt, Frau Wehsely, 51 Prozent - sind einfach zu wenig,
um Frauen - und es sind vor allen Dingen noch Frauen - die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zu ermöglichen.
Wenn Sie sagen, es sind 51 Prozent, heißt auch
das, dass in den letzten fünf Jahren - denn 2002 gab es laut Ihren Statistiken
57 Prozent - ein Rückgang der Betreuung von unter Dreijährigen zu
verzeichnen ist. Ich nehme an, dass das teilweise im Zusammenhang mit dem
Kinderbetreuungsgeld steht. Aber spätestens jetzt, im Jänner 2008, wenn die
Regelung um das Kinderbetreuungsgeld wieder geändert werden soll, wird sich die
Situation für unter Dreijährige voraussichtlich noch weiter verschärfen.
Es ist aber aus mehreren Gründen wichtig, eine
umfassende Betreuung für unter Dreijährige anzubieten. Erstens gibt es schon
eine ganze Menge Menschen, die sich gar nicht mehr entscheiden, ein Kind zu
bekommen. Und von denen, die sich entscheiden, ein Kind zu bekommen, gibt es
bereits jetzt 42 Prozent, die nur ein Kind bekommen. 42 Prozent, also
nur mehr ein bisschen weniger als die Hälfte, entscheiden sich, nur mehr ein
Kind zu bekommen. Und in einer über fünf Jahre langen Begleitung von Familien
wurde festgestellt, dass der Hauptgrund dafür, dass Frauen - vor allen Dingen
Frauen - sich entscheiden, kein zweites Kind mehr zu bekommen, der mangelnde
Betreuungsplatz ist.
Da, denke ich mir, müssen wir ansetzen. Es kann kein
Zufall sein, dass es in Ländern wie zum Beispiel Dänemark, wo die Betreuung von
unter Dreijährigen bei 68 Prozent liegt, oder Schweden, wo die Betreuung
der unter Dreijährigen bei 74 Prozent liegt, einfach so ist, dass die
Kinderanzahl pro Familie um einiges höher als in Wien und in Österreich ist.
Ich hoffe, dass wir uns hier in diesem Gremium alle
einig sind, dass wir Menschen unterstützen wollen, falls sie sich entscheiden,
Kinder zu bekommen. Aus diesem Grund bringe ich gemeinsam mit meiner Kollegin
Mag Ines Anger-Koch einen Antrag ein, in dem wir den Ausbau der
Kindergartenplätze für unter Dreijährige fordern. Auch da möchte ich noch
einmal auf die Kollegin Wehsely zurückkommen: Unter Dreijährige und Ein- bis
Dreijährige, das widerspricht sich nicht, weil auch Ein- bis Dreijährige unter
Dreijährige sind - nur weil Sie gesagt haben, sie kennen sich nicht aus. Aus
meiner Sicht sind Ein- bis Dreijährige nichts anderes als unter Dreijährige.
Wir fordern also den Ausbau so, dass die Statistik
Austria im Jahr 2010 schreiben würde: Wien hat 40 Prozent. Ich kann mich
nur nach diesen offiziellen Zahlen richten.
Für den Antrag wird in formeller Hinsicht die
sofortige Abstimmung beantragt.
Es ist jedoch nicht nur ... (GR Mag Thomas
Reindl: Kein Applaus?) Danke, Herr Kollege, das ist sehr nett. (Zwischenruf
von GR Mag Thomas Reindl.) Ja, danke, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP.) Finde ich besonders nett, dass Sie sich für
mich einsetzen. (GR Mag Thomas Reindl: Ist ja Ihre Jungfernrede!)
Es ist jedoch nicht nur die
Quantität entscheidend, sondern auch die Qualität oder besonders die Qualität,
und dazu brauchen wir noch einiges. Wir haben bei uns neun verschiedene
Landesgesetze, und wir bräuchten
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