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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 19.11.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 120

 

dem Auto? Weil wir so tolle Öffi-Anbindungen und eine so tolle Öffi-Versorgung haben? Die Stadt Wien fördert diesen Trend, würde ich einmal sagen, weil nur auf U-Bahn-Ausbau gesetzt wird, nur U-Bahn-Ausbau finanziert wird. Es werden 1,85 Milliarden EUR nur für den U-Bahn-Ausbau ausgegeben. Oberflächenverkehr wird eingespart, wie man weiß, Straßenbahnlinien werden eingespart, und somit wird Platz für die PKWs geschaffen, meine Damen und Herren!

 

Dann darf ich noch einmal etwas zitieren, und zwar aus einem Tagungsband der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Sie hat ungefähr Mitte Oktober eine Tagung veranstaltet, deren Titel lautete: „Wohin steuert der öffentliche Verkehr? - Prognosen und Szenarien bis 2030". Ich würde mir wirklich wünschen, dass PolitikerInnen in diesem Haus, die über die Verkehrspolitik in der Stadt bestimmen, diesen Tagungen beiwohnen; dann würde Verkehrspolitik ganz anders ausschauen als bisher.

 

Die Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft hat dabei Nachfragesegmente aufgelistet. Da heißt es: Das Segment der Captive Riders. Dazu gehören jene Personen, die kein eigenes Auto besitzen und deshalb für einen Großteil ihrer Mobilität auf den ÖV angewiesen sind. Daraus ergibt sich eine soziale Pflicht zur Grundversorgung. Notwendig sind Maßnahmen zu einem günstigen Preisangebot beziehungsweise zu einer kostengünstigen Transportgestaltung.

 

Da ist also unsere Forderung nach 1 EUR pro Fahrt nicht aus der Luft gegriffen. Denn wen betrifft es? Es betrifft meistens Frauen, es betrifft Jugendliche oder sozial benachteiligte Menschen, die den ÖV benützen - brav benützen, weil sie eben keine andere Möglichkeit haben.

 

Dann gibt es am anderen Ende des Spektrums die Captive Drivers; das sind diejenigen, die auch mit einer besseren Öffi-Verbindung oder entsprechenden Verkehrsangeboten sicher nicht aufs Auto verzichten. Das sind meistens Männer, die nur halbe Männer sind, wenn sie nicht mit dem Auto unterwegs sind. Und das sind diese Männer (Die Rednerin hält eine Zeitung in die Höhe.): Männer sind schuld am Welt-Klimawandel. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, zu dieser Tageszeitung komme ich heute auch noch. - Gut, die kann man nicht bekehren, auch nicht mit einer besseren Öffi-Anbindung oder einer Verbesserung des öffentlichen Netzes.

 

Dann gibt es aber das dritte Segment, meine Damen und Herren. Es umfasst die Bevölkerungsgruppe zwischen den beiden Extremen, nämlich jene Free Drivers und Riders, welche für ihre Verkehrsbedürfnisse eine echte Wahl zwischen Auto und ÖV besitzen. Bei diesem Segment muss deshalb, ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis vorausgesetzt, vor allem auf eine hohe Qualität des Angebots geachtet werden. Hier ist eine Nachfragesteigerung zu erreichen, meine Damen und Herren, jedoch nur mit einem verbesserten Öffi-Angebot. Da heißt es investieren, Frau Finanzstadträtin!

 

Fakt ist: Die Öffis haben eine unbefriedigende Qualität im Vergleich zum PKW. Diese Leute kann man also im Moment überhaupt nicht erreichen. Warum? - Lange Wartezeiten sind an der Tagesordnung, Gedränge in den öffentlichen Verkehrsmitteln, Betriebsstörungen sind an der Tagesordnung, sie sind unzuverlässig, und so weiter und so fort.

 

Es wird auch zum Beispiel am bestehenden Netz nicht investiert. Wie schon gesagt, Straßenbahnlinien werden eingestellt, sehr zum Übel von mobilitätseingeschränkten Menschen, die nicht eine Station mit der U-Bahn fahren wollen, weil sie nur 200 m weit irgendwo hinwollen; das führt wiederum dazu, dass diese mobilitätseingeschränkten Menschen den PKW benützen.

 

Es wird manches verabsäumt, und es wird nicht investiert, zum Beispiel in eine Bahn wie die Donauländebahn. Das wäre so eine einfache, kleine Investition. Da habe ich ein Beispiel: Ein Mensch wohnt am Leberberg, Kaiserebersdorf, bei dem führt die Donauländebahn vorbei. Dieser Mensch arbeitet in Kledering, das wäre eigentlich überhaupt nicht weit, wenn er die Donauländebahn benützen könnte. Aber die ist ja im Moment nur für den Güterverkehr zulässig, und die einzige Chance hätte er dadurch, dass er sich jeden Tag in einem Packerl aufgibt, damit er nach Kledering gelangen kann. Denn mit dem jetzigen Öffi-Angebot braucht er von Kaiserebersdorf nach Kledering eineinhalb Stunden; wenn er die Donauländebahn benützen könnte, würde er 20 Minuten brauchen. Natürlich, was macht er? Er benützt den PKW.

 

Oder: Es wird nicht in bestehende Schnellbahnlinien investiert, zum Beispiel in die S45 - dazu werde ich antragsmäßig noch kommen -, die für die PendlerInnen ganz, ganz wichtig ist. Es wird ihnen wirklich vermiest, wenn sie das tägliche, das allmorgendliche Pendler-Elend vorfinden. Sie benützen natürlich lieber den PKW, als sich da Warteschlangen und unzureichenden Taktfahrplänen anzuschließen, um vielleicht die S50 zu benützen.

 

Seit Jahren sind die GRÜNEN auf Bezirks- und Gemeindeebene darum bemüht, und wir weisen auf diese unhaltbare Situation der S50 hin. Zuletzt gab es 2005 einen Antrag gemeinsam mit der ÖVP und sogar mit der FPÖ, mit dem der damalige Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Dr Rieder beauftragt wurde, sich für zügige Verhandlungen mit der ÖBB einzusetzen, einerseits mit dem Ziel einer Taktverdichtung, andererseits, um eine bessere Verlässlichkeit der S50 zu erreichen.

 

Was ist passiert? Es gibt zwischen 8.08 Uhr und 9.08 Uhr noch immer keine einzige Bahn in Richtung Westbahnhof. Die Menschen, die PendlerInnen müssen im Morgenverkehr mit Verspätungen von bis zu 40 Minuten rechnen und sind damit konfrontiert: Die Informationspolitik der ÖBB ist auch nicht in der Lage, diese Verzögerungen anzugeben. Im 10-Minuten-Takt wird von 4 Minuten Verspätung gesprochen, und schlussendlich erhöht sich der Takt auf einmal auf 40 Minuten. Die PendlerInnen haben also nicht einmal Gelegenheit, sich rechtzeitig nach einem alternativen Verkehrsmittel umzusehen.

 

Meine Damen und Herren! Mit dieser Politik, unter

 

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