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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 19.11.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 111 von 120

 

Kinder in eigenen Gruppen zusammengefasst werden, statt dass man echte Kinderbetreuungsplätze schafft, wo sie von Anfang an mit anderen Kindern, mit Kindern mit deutscher Muttersprache zusammen aufwachsen können und zusammen voneinander lernen können. Nein! Sie werden in eigenen Gruppen zusammengefasst, und das sind dann sozusagen, um es im Klartext auszusprechen, Deutschkurse für Fünfjährige. Als dieses Programm angekündigt wurde, wurde uns und der Öffentlichkeit versprochen, es würde eine Evaluierung geben. Im Herbst 2007 würde das sein, hat es damals geheißen. Diese Evaluierung gibt es noch immer nicht. Aber die Frau Stadträtin und die Frau Stadtschulratspräsidentin stellen sich bei gemeinsamen Pressekonferenzen hin und sagen, das ist ein Erfolgsmodell und es hat sehr viel gebracht und die Kinder hätten sehr viel profitiert. Wir würden aber gerne erfahren, woher Sie dieses Wissen ableiten, wann diese Evaluierung erfolgt ist und was sie auch ergeben hat, denn wir bekommen eigentlich gegenteilige Meldungen. Wir finden auch vom Zugang her, dass es kein Erfolgsmodell ist, weil es kein Integrationsmodell, sondern ein Ausgrenzungs- und Separationsmodell ist. Es ist genau das Gegenteil von Integration.

 

Zu vielen Bereichen wäre noch etwas zu sagen: Konfliktmanagement im geförderten Wohnbau. Da hat es ja den Vorschlag gegeben, die Anzahl von mehrsprachigen KonfliktmediatorInnen massiv zu erhöhen. Als die GRÜNEN das vorgeschlagen haben, hat es geheißen: Das brauchen wir nicht. Ein Jahr später hat es eine gemeinsame Pressekonferenz von Wohnbaustadtrat und Integrationsstadträtin gegeben, wo feierlich genau das angekündigt wurde, was die GRÜNEN auch verlangt haben, nämlich die Aufstockung. Es sind aber noch immer viel zu wenig mehrsprachige MediatorInnen da. Und alle diejenigen, die mit Gemeindebauten zu tun haben, die mit Leuten reden, die dort wohnen oder Beschwerden zu bearbeiten haben, wissen, dass es viel zu wenig KonfliktmediatorInnen gibt. Die Konflikte sind natürlich nicht alle ethnisch. Das muss man auch dazusagen und immer betonen, aber Tatsache ist, dass es Mediation im Gemeindebau braucht und dass es zu wenig Mediation im Gemeindebau gibt.

 

Eine andere negative Entwicklung ist, dass die Stadt Wien immer mehr der Illusion aufsitzt, die in der Bundespolitik, in der so genannten Integrationspolitik im Bund ja gang und gäbe ist inzwischen, nämlich die Verkürzung von gesellschaftlicher und sozialer Integration auf Sprachkenntnisse. Natürlich sind Sprachkenntnisse gut, weil jede Sprache, die ein Mensch zusätzlich kann oder die ein Mensch kann, von Vorteil ist – und Deutschkenntnisse natürlich auch. Allerdings die Integrationspolitik auf Sprachkurse zu reduzieren und sich damit zu rühmen, dass man sehr viele Sprachkurse anbietet, dass man aber für Chancengleichheit beispielsweise im Kindergarten, bei Kinderbetreuungsplätzen (GRin Nurten Yilmaz: Aber das tun wir doch nicht!), in der Schule ... (GRin Nurten Yilmaz: Ja, wollen wir! Machen wir!) – Ja, wollen wir! Wollen alleine genügt nicht, wenn 480 Millionen EUR Mehreinnahmen sind und wenn nicht mehr passiert.

 

Wir wissen alle, dass es diese Fälle gibt und dass es keine Einzelfälle sind. Wenn heute in einer so reichen Stadt wie Wien Eltern bei welcher Partei oder bei welcher Organisation auch immer anrufen und sagen: Mein Kind kriegt keinen Kindergartenplatz, mit dem Argument, meine Frau oder ich sind sowieso daheim!, dann ist das eigentlich eine Schande. Und das ist keine Politik für Chancengleichheit. Das weiß eigentlich auch die Wiener SPÖ oder müsste zumindest wissen, wenn sie das ernst nimmt. (GRin Nurten Yilmaz: ... jedes Kind einen Kindergartenplatz! Schicken Sie sie bitte an die zuständigen Stellen!) – Es hat nicht jedes Kind einen Kindergartenplatz. Das ist unwahr, wenn man das sagt.

 

Es wird also nichts bringen, sich rein auf die Sprachkenntnisse zu konzentrieren, sosehr wir für Sprachkurse und Maßnahmen auch sind. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass so etwas wie ein Integrationsmasterplan, so etwas wie ein zusammenhängender Plan bei der Integrationspolitik fehlt. Es wird sicher nicht genügen. Das belegen Studien inzwischen auch, dass beispielsweise die Drop-out-Quote für Jugendlichen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft viermal so hoch ist wie für österreichische Jugendliche, die von Geburt an Österreicher waren, und so weiter und so fort. Da könnte man noch sehr, sehr viel zitieren.

 

Ich bringe vielleicht ein letztes Zitat, das relativ neu ist, nämlich aus der Integrations- und Migrationsstudie, an der man vielleicht vieles kritisieren kann, aber sie bringt auch zum Vorschein und sie belegt: Der Umstand, dass mehr als ein Drittel der Migranten aus Südosteuropa in Substandardwohnungen wohnen – und jetzt zitiere ich die Studie – „ist auch darauf zurückzuführen, dass Zuwanderer bis vor Kurzem keinen Zugang zu Sozialwohnungen hatten“. – Zitat Ende. Dann kommt in der Meldung noch als Information sozusagen vor: „Gemeindewohnungen wurden in Wien erst im Jänner 2006 für Ausländer geöffnet, die längere Zeit in Wien leben.“ Was nicht da steht, ist, dass die Gemeindewohnungen nur geöffnet wurden, weil es eine entsprechende EU-Richtlinie gegeben hat. (GRin Henriette Frank: Das stimmt ja nicht! – GR Dr Kurt Stürzenbecher: Das ist ja alles ein Unsinn, was Sie da sagen!) – Ja, genau, Kollege, alles ein Unsinn.

 

Ich bringe den Beschluss- und Resolutionsantrag ein, dass das Budget 2008 zur Förderung zur Herstellung von Chancengleichheit für WienerInnen mit Migrationshintergrund und das Budget für integrationspolitische Maßnahmen verdoppelt werden sollen. Nicht zuletzt deshalb, weil Wien mehr als genug Mittel dazu hätte und, wenn Wien Integrationspolitik wirklich ernst nimmt, auch endlich tätig werden müsste und auf jeden Fall mehr tun müsste, als Deutschkurse anzubieten. (GR Mag Wolfgang Jung: Nichts wie fordern!)

 

In den verbleibenden drei Minuten möchte ich kurz etwas zu den ÖVP-Anträgen sagen, weil ich begründen möchte, warum wir mit diesen nicht mitgehen werden. Zum Antrag „Erarbeitung einer Wiener Integrationsstrategie": Wenn man sich nur den Titel anschaut, würden

 

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