Gemeinderat,
26. Sitzung vom 19.11.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 113 von 120
Bildung, Ausbildung, Jugend und Arbeitsmarkt, schwerpunktmäßig den Integrationsbereich genannt. Deswegen möchte ich da ganz kurz darauf eingehen. Wenn wir jetzt den Bereich Bildung und Ausbildung hernehmen: Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung, wenn ich sage, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung ein wichtiger Eckpfeiler für die erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft ist und dass die zentrale Voraussetzung für den Erfolg einer beruflichen Ausbildung aber auch eine gute Schulbildung und eine ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache sind. Gute Sprachkenntnisse sind nicht nur bildungspolitisch, sondern auch sozialpolitisch von allergrößter Bedeutung. Daher ist es ein Muss, das verstärkte Augenmerk darauf zu richten, dass Migrantenkinder in der Schule besser gefördert werden und höhere Schulabschlüsse haben.
Wir bringen deswegen heute den Antrag ein, den die
Frau Kollegin Korun heute genannt hat. Ich möchte dazu einen Satz sagen: Jeder
und jede ExpertIn, die im Integrationsbereich tätig ist, kann auch vor diesem
Problem nicht die Augen verschließen. Wenn wir Schulklassen in diversen
Bezirken haben, wo der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund
98 Prozent ausmacht, die in vielen Fällen auch der deutschen Sprache nicht
so mächtig sind, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass dann Kinder vermehrt
in Sonderschulen kommen beziehungsweise über 60 Prozent der derzeit beim
Wiener AMS gemeldeten Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben.
Das heißt, das ist eine wichtige Maßnahme und eine
wichtige Forderung der ÖVP-Wien, zusätzlich zu der früheren Schuleinschreibung
und dem Gratis-Kindergarten et cetera, die ja alle kennen, die ich daher nicht
wiederholen möchte. Sie wissen, dass die aktuelle Situationen von Migranten und
Migrantinnen am Ende der Pflichtschulzeit leider sehr katastrophal ist. Schauen
wir uns die Wiener Polytechnischen Schulen an, da liegt der Anteil von Schülern
mit Migrationshintergrund bei fast 50 Prozent, das heißt, 30 Prozent
über dem österreichischen Durchschnittswert. Und, wie gesagt, auch in den
Sonderschulen tendiert das Verhältnis fast zu 50 Prozent hin, und das ist
um durchschnittlich 10 Prozent höher als im Rest der Republik. (GRin
Nurten Yilmaz: Warum sind Sie gegen die gemeinsame Mittelschule?) – Ich würde
gerne antworten, aber es ist so spät. Diskutieren wir das nächste Mal weiter! –
Die Potenziale dieser Gesellschaftsgruppe werden quasi vernichtet, meine sehr
geehrten Damen und Herren, und ihre berufliche Position auf einige wenige
Bereiche reduziert. Das passiert, weil das Problem von den politisch
Verantwortlichen der Stadt Wien unter dem Teppich gekehrt wird. Das Fatale
daran ist, dass der Eindruck erweckt wird, dass Kinder mit Migrationshintergrund
dümmer sind. Und das Tragische daran ist, dass man sich auf gewissen
politischen Seiten auf den Ruf nach neuen Schulen beschränkt und nicht
tiefgehende Probleme betrachtet, die zu dieser Situation geführt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen,
dass späte Folgekosten für die Gesellschaft mit einer guten Integrationspolitik
vermieden werden können. Aber wenn es uns nicht gelingt, diesen Jugendlichen
Perspektiven und Chancen zu eröffnen, sind große Spannungspotenziale vorprogrammiert.
Damit werden wir uns wahrscheinlich am Mittwoch in der Aktuellen Stunde
auseinandersetzen. Wir wissen, was sich da in den letzten Tagen ereignet hat.
Wenn sie heute das „profil" lesen, werden sie auch einen Beitrag dazu
finden. Da müssen die Maßnahmen gesetzt werden, die erforderlich sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Integrationspolitik ist mehr als nur Integrationsexperten aus anderen
Bundesländern nach Wien zu importieren – und Sie wissen, wen ich da meine. Wenn
sie da Herrn Kenan Güngör aus Oberösterreich nach Wien holen, ist es zwar schön
und nett, aber die Maßnahmen fehlen uns dann trotzdem noch immer. Ich würde mir
wünschen, dass Sie sich gerade im Jugendbereich die Maßnahmen in Oberösterreich
näher anschauen und das nach Wien importieren und nicht nur
Integrationsexperten nach Wien importieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Tatsache ist, dass es in allen Integrationsbereichen
– von Bildung bis Erwerbstätigkeit, von Gesundheit bis Frauen – vor Ort bislang
noch Lücken im Hinblick auf Maßnahmen, Angebote und Qualität in
migrationsspezifischen Belangen gibt. Wir wissen alle – und es wurde heute auch
schon genannt –, dass der Integrationsbereich eine Querschnittsmaterie ist, und
genau deshalb bräuchten wir einen echten Masterplan mit genauer Zielsetzung und
konkret definierten Maßnahmen. Wir fordern daher die Evaluierung der
Integrationsarbeit, um Schwachstellen zu erkennen und korrigieren zu können.
Wir brauchen keine Integrationspolitik, die die Dinge einfach treiben lässt.
Was muss Wien nun tun, um diesen Forderungen Rechnung
zu tragen? Es muss endlich strukturiert die Integrationsproblematik angehen. Es
muss für sein integrationspolitisches Handeln konkrete Zielsetzungen
definieren. Deshalb brauchen wir ein längst überfälliges Integrationsstrategiekonzept,
in dem die vielen wesentlichen Facetten berücksichtigt werden.
Das Prinzip muss lauten: Fördern und Fordern und
nicht Treibenlassen. Was dies betrifft, kann Wien von anderen Bundesländern
lernen. Ich habe ja Oberösterreich schon genannt. Beispielsweise gibt es dort
ein Leitbild, wofür ein Zeitraum von zwei Jahren einberaumt wurde und das dann
entwickelt wurde. Ich würde mir genau so ein Leitbild auch in Wien wünschen.
Leider gibt es so ein Leitbild nicht, auch keinen Ansatz, so eines erstellen zu
wollen.
Abschließend möchte ich an die
politischen Verantwortlichen dieser Stadt und auch die Mehrheitsfraktion in
diesem Haus appellieren, mehr praktische, strukturierte und zielorientierte
Integrationspolitik zu betreiben. Spezifische Interventionsschaltungen ohne
oder mit zweifelhaften Inhalten können Sie sich dann getrost sparen – und da
wissen Sie, was ich meine. Für alle, die das nicht mitbekommen haben: Zwei
Abgeordnete in diesem Haus, die für Integration zuständig sind beziehungsweise
Migrationshintergrund haben, haben in einer
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