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Gemeinderat, 28. Sitzung vom 10.12.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 23

 

EU-BürgerInnen und 20 Millionen Arbeitslosen eigentlich Priorität in der Europäischen Union haben sollte. Es gibt keinen verstärkten Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Und von verbindlichen beschäftigungspolitischen Kriterien, die den verbindlichen Wirtschafts- und Währungsunion-Kriterien etwas entgegensetzen könnten, sind wir weit entfernt.

 

Leider muss ich an dieser Stelle auch sagen, dass SPÖ und ÖVP und ihre im Europaparlament vertretenen Schwesterparteien leider keine Verbündeten im Kampf für Alternativmodelle zu einem neoliberalen Europa sind. Die SPÖ hat zum Beispiel nicht einmal die Deklaration über Sozialpolitik unterzeichnet, die auf eine Initiative von neuen Mitgliedsstaaten im Zuge des Verfassungsprozesses zurückgeht. Ein Antrag der Grünen dazu wurde im Hauptausschuss abgelehnt. Und die ÖVP ist vor allem mit ihrem Bundesminister Bartenstein ein neoliberales Zugpferd innerhalb der Europäischen Union.

 

Außerdem haben Sie uns weder im Zuge des Verfassungsprozesses noch während der Debatte über den Reformvertrag beim Kampf und die Schaffung eines Raumes für eine europäische Demokratie unterstützt, der dringend notwendig ist, und das ist wohl eines der wesentlichen Versäumnisse dieses Reformvertrages. Die Schaffung dieses Raumes wäre angesichts von immer mehr Politikbereichen dringend notwendig, um die Kluft zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den politischen Entscheidungsebenen in der EU zu überwinden.

 

Auch haben Sie uns beim Einsatz für eine europaweite Volksabstimmung und den Bemühungen betreffend die Schaffung und Verankerung eines Instrumentariums für eine europaweite Volksabstimmung nicht unterstützt. Die Grünen kämpfen für die Durchführung einer solchen europaweiten Volksabstimmung, weil wir finden, dass eine solche das adäquate Mittel europäischer Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung wäre. Eine solche europaweite Volksabstimmung würde auch mehr Akzeptanz durch die Bürger und Bürgerinnen und mehr Identifikation der Bürger und Bürgerinnen mit Europa bringen. Eine solche Abstimmung sollte am selben Tag in allen Mitgliedsstaaten stattfinden.

 

Meine Damen und Herren! Es ist für uns inakzeptabel, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas in solch substanziellen Fragen betreffend die Zukunft der Europäischen Union nicht gefragt werden, denn diese betreffen sie direkt. Auf Grund der Entscheidungen darüber werden die Rahmenbedingungen für die gesamte Wirtschafts- und Sozialpolitik geschaffen. Und dass es da keine Mitbestimmungsrechte der BürgerInnen gibt, ist für die Grünen inakzeptabel. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Mit dem vorliegenden Reformvertrag wird nicht einmal ein Mindestmaß an demokratischen Grundrechten für die BürgerInnen Europas sichergestellt. Es gibt zwar einen kleinen Fortschritt mit der so genannten „Europäischen Bürgerinitiative“. Es ist dies das erste direkte demokratische Instrument, anhand dessen Bürger und Bürgerinnen Europas in Zukunft zu verschiedenen Fragen Stellung nehmen können werden. Dieses Instrument ist uns Grünen aber viel zu schwach ausgeprägt: Es sind eine Million Unterschriften in einer so genannten erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten erforderlich. Das ist völlig unkonkret. Außerdem ist uns das viel zu wenig, wiewohl es eine große Hürde insbesondere für NGOs und auch kleinere Vereine ist. Das kann es ja wohl nicht sein! Wir Grüne fordern weiterhin das Instrument einer europaweiten Volksabstimmung. Leider ist eine solche Volksabstimmung aber nur in der irischen Verfassung vorgesehen. Ich meine, die Einführung einer europaweiten Volksabstimmung in allen Mitgliedsstaaten würde einem Mindestmaß an demokratischen Grundrechten entsprechen. Offensichtlich haben aber SPÖ und ÖVP Angst vor einer solchen Volksabstimmung!

 

Das wundert uns nicht, denn Sie haben es jahrelang verabsäumt, eine kritische und offene Informationspolitik über die Europäische Union zu betreiben! Vor dem EU-Beitritt haben Sie Propaganda gemacht, danach haben Sie jedoch alle unliebsamen Entscheidungen bequem auf das ferne Brüssel abgeschoben! (StR Johann Herzog: Das ist die Methode: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!)

 

Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass die Akzeptanz der Menschen hinsichtlich der Europäischen Union hinkt, dass das Misstrauen gegenüber Ihrer Europapolitik wächst und dass die Lösungskompetenz der Europäischen Union insgesamt in Frage gestellt wird! Viele Menschen sehen nämlich die EU teilweise zu Recht als verlängerten Arm der Globalisierung, und sie haben das berechtigte Gefühl, nicht mitentscheiden zu können und von negativen Entscheidungen direkt betroffen zu sein. (GR Mag Wolfgang Jung: Und darum stimmen Sie gegen die Volksabstimmung? Sehr logisch! Sehr konsequent!)

 

Zu den Stichworten Transit, Deregulierung und Sozialabbau: Wenn SPÖ und ÖVP ihrer Aufgabe nachgekommen wären und nachkommen würden, auch komplexe Themen wie zum Beispiel den Verfassungsvertrag oder auch den Reformvertrag so zu erklären, dass die Menschen ihn verstehen und auch in seiner Differenziertheit wahrnehmen könnten, dann bräuchten Sie auch keine Angst vor einer Volksabstimmung zu haben, und Sie bräuchten den Menschen auch keinen mangelnden Informationsstand zu unterstellen!

 

Etwas muss schon klar sein, meine Damen und Herren von der SPÖ: Sie haben in den vergangenen Jahren auch sehr gerne auf dem Klavier der nationalen Töne gespielt, wann immer Sie es gebraucht haben und wann immer es für Sie politisch opportun war. Dann waren auch Sie plötzlich nicht mehr für mehr Europa, sondern da sind auch bei Ihnen sehr stark EU-Ressentiments durchgekommen. Ich nenne jetzt nur die Stichworte „Türkeibeitritt“, „Verhinderung der Öffnung der Arbeitsmärkte“ und teilweise auch das Stichwort „EU-Sanktionen“.

 

Meine Damen und Herren von der SPÖ und ÖVP! Sie spielen mit Ihrer Desinformationspolitik und diesem Schlingerkurs in Sachen Europa direkt den rechten Populisten in die Hände! Sie empören sich einerseits über die Antieuropahaltung der FPÖ, und ich bin schon

 

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