Gemeinderat,
31. Sitzung vom 29.02.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 72 von 95
Opposition.
Frau Stadträtin, Sie haben damals auch ausdrücklich
betont, Sie sagen immer die Wahrheit, weil alles andere wäre Ihnen zu
kompliziert. Und Sie haben auch den früheren Nationalratspräsident Dr Khol
zitiert, der einmal gemeint hat, die Wahrheit ist die Tochter der Zeit.
Offensichtlich ist bei Ihnen auch die Wahrheit eine Tochter der Zeit, denn das,
was Sie am 28. Dezember gesagt haben, und das, was Sie schön langsam jetzt
schon zugeben, das unterscheidet sich auch wesentlich. (Beifall bei der ÖVP.)
Dann kam ihre nächste Strategie, Motto: „Angriff ist
die beste Verteidigung". Sie haben die Opposition für die so genannte
Skandalisierung verantwortlich gemacht. Die Hilferufe des Personals haben Sie
allerdings nicht beeindruckt, und offenbar auch die Schicksale psychisch
Kranker nicht, denn nur so ist Ihre Aussage im Sonder-Gesundheitsausschuss am
28. zu interpretieren, wo Sie meinten: „Psychisch Kranke haben keine Lobby.
Sie, die Opposition, werden dafür von den Medien keine Unterstützung finden.“
Das war ihre Aussage.
Frau Stadträtin, Sie haben kräftig Regie geführt,
denn der Sonder-Gesundheitsausschuss am 28. Dezember um 14 Uhr mit langen
Erläuterungen von Ihren Mitarbeitern und von Ihnen, war absichtlich für diesen
Zeitpunkt angesetzt. Medien sind natürlich Freitag abends kaum mehr zu
erreichen, dann kommt das Wochenende, dann kommt der 31. Dezember, Silvester,
dann kommt der 1. Jänner, Neujahr, und die Causa ist damit vom Tisch, glaubten
Sie. Pech gehabt, Frau Stadträtin, Pech gehabt, blöd gelaufen. (Beifall bei der
ÖVP. – GRin Marianne Klicka: Sie haben den Antrag eingebracht!)
Sie sollten, Frau Stadträtin, Ihren Beraterstab
überdenken, aber nicht nur das. KAV und die Manager Dr Marhold und Dr Herbek
machten Betroffene für ihre Leiden selbst verantwortlich, stellten Angehörige
bloß, diffamierten sie, Journalisten drohte man mit Anzeigen, um sie mundtot zu
machen. Man dementierte Anschuldigungen, um sie dann einen Tag später zurücknehmen
zu müssen. Ich denke da an den Beckenbruch eines jungen Mannes.
Dankenswerterweise reagierten die Medien. Und erst
dieser öffentliche Druck, Frau Stadträtin, hat Sie veranlasst zuzugeben, dass
Reformen notwendig sind. Und, meine Damen und Herren, es muss aufgeklärt
werden, welche SPÖ-PolitikerInnen, welche ManagerInnen, in der Vergangenheit
und Gegenwart für die untolerierbaren Zustände in der Wiener Psychiatrie zur
Verantwortung gezogen werden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)
Und geklärt werden muss auch die politische
Verantwortung für das Organisationsversagen im Krankenanstaltenverbund, das
sich so ganz symptomatisch im Otto-Wagner-Spital zeigt. Und diese Defizite in
der psychiatrischen Versorgung, meine Damen und Herren, stehen exemplarisch für
die großen Probleme, die es grundsätzlich im KAV gibt, und das Kontrollamt hat
diese ja in einem Bericht augenscheinlich aufgelistet. Hier sieht man die
Grundprobleme der Wiener Gesundheitspolitik, die sich besonders im Hinblick auf
die schwierigsten Patienten offen zeigen. Führungsschwäche, Reformstau,
lückenhaftes Controlling, ungebremste Geldverschwendung, und so weiter. Und das
betrifft nicht nur die stationäre Versorgung, sondern auch im Kuratorium
psychosozialer Dienste wurde verabsäumt, Anschluss an eine moderne,
patientenorientierte ambulante Versorgung zu finden.
Und letztendlich ist dafür Bgm Häupl verantwortlich,
verantwortlich mit Ihnen natürlich, Frau Stadträtin. Und ich bin jetzt einige
Jahre im Wiener Gemeinderat und habe schon einige Gesundheitsstadträtinnen
erlebt. Meine Damen und Herren, schon Schopenhauer sagt, Gesundheit ist nicht
alles, aber alles ist ohne Gesundheit nichts. Das heißt daher, Gesundheit ist
unser höchstes Gut, das wir haben, und hier wäre Kontinuität angesagt. Und der oftmalige
Wechsel in diesem Ressort zeigt eigentlich schon die mangelnde Wertschätzung.
(Beifall bei der ÖVP.)
Apropos Bgm Häupl: Er hat die Letztverantwortung, und
wie immer bei wichtigen Diskussionen, glänzt der Herr Bürgermeister durch
Abwesenheit. Und das zeigt sich natürlich auch bei den anderen Abgeordneten,
die sagen, dem Bürgermeister ist es nicht wichtig, offensichtlich für uns auch
nicht, und so schauen dann die Reihen hier aus. Herr Bgm Häupl interessiert
sich offensichtlich überhaupt nicht für die SOS-Rufe der Menschen, er überhört
sie systematisch und konsequent. Und ich frage mich schon, welche wichtige
Dinge hat der Herr Bürgermeister heute zu erledigen, dass er diese Diskussion
wieder einmal ignoriert und fehlt. (Beifall bei der ÖVP.)
Gerade der Bürgermeister hätte die Verpflichtung, bei
einem derart ernsten Thema sogar das Wort zu ergreifen und der Öffentlichkeit
und uns zu erklären, wie er sich eine umfassende Versorgung psychisch kranker
Menschen mit der notwendigen Qualität vorstellt.
Aber, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte
Rathausregierung, es ist immer wieder das Gleiche. Sie glauben, diese Stadt
gehöre Ihnen, und das ist es, worum es Ihnen geht. Nicht um die Betroffenen,
nicht um diejenigen, die hier Opfer sind, sondern um die Macht in dieser Stadt.
Meine Damen und Herren, wie eine Gesellschaft mit den
Schwächsten umgeht, sagt unglaublich viel über diese Gesellschaft aus. Und
viele Patientinnen und Patienten - ich habe das schon einige Male gesagt und ich
wiederhole es deshalb, weil es mir wirklich ein Anliegen ist und weil es mich
auch sehr belastet - erleiden den sozialen Tod lange vor ihrem physischen Tod,
und das mit Wissen politisch Verantwortlicher in dieser Stadt, mit Wissen von
Ihnen, Frau Stadträtin, aber Sie hören ja nicht zu, weil Sie brauchen nichts
lernen, Sie wissen ohnedies alles besser, aber ebenso natürlich auch der Herr
Bürgermeister, der davon meistens nichts weiß, aber das jetzt ist noch viel
tragischer, nämlich es ist mit Wissen des Bürgermeisters so.
Sie können derzeit noch, derzeit
noch, mit Ihrer absoluten Mehrheit hier alle Entscheidungen treffen. Das wissen
wir auch, aber eines werden wir, die Wiener ÖVP, nicht zulassen, dass die
Schwächsten unserer
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