Gemeinderat,
31. Sitzung vom 29.02.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 74 von 95
interessiert. Denn so war es, als hier stundenlang, stundenlang von kompetentester Seite alle Fragen beantwortet wurden, aber Sie haben sich nicht einmal darauf vorbereitet, haben sich nicht einmal dafür interessiert, Sie haben Ihre Fragen dann immer wieder gestellt, obwohl die Antworten schon vorhanden waren. Das war ja eigentlich eine besonders absurde Situation.
Sie haben auch heute wieder die gleichen Fragen
gestellt, die bereits bei der Dringlichen Anfrage Ende Jänner beantwortet
wurden. Sie haben sich nicht damit auseinandergesetzt, Sie haben heute exakt
die gleichen Reden gehalten wie vor einem Monat, und daher ist es in der Tat
sinnvoll, dass in einem ordentlichen Verfahren einer Untersuchungskommission
auch die Ergebnisse jeweils schriftlich festgehalten werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns steht
die bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung aller Menschen,
unabhängig vom Alter, vom sozialen Status und vom Einkommen, im Vordergrund,
und an einer ständigen Verbesserung, auch für die Beschäftigten, die vor Ort
tätig sind, wird natürlich permanent und konsequent gearbeitet. Dieser
Reformzug ist schon längst unterwegs, da brauchen Sie das Rad nicht mehr neu zu
erfinden.
Und daher meine ich, dass diese
Untersuchungskommission auch in der Tat die Chance ist, hier Dinge
richtigzustellen, und auch schon längst eingeleitete und umgesetzte Reformen
darzustellen. Und selbst, wenn man sich nicht im Detail für alles interessiert,
müsste es spätestens seit dem Beschluss der Flächenwidmung zum
Otto-Wagner-Spital im Jahr 2006 jedem klar gewesen sein, dass und wie die
Regionalisierungsprogramme der Psychiatrie umgesetzt werden, dass eine
lückenlose Versorgung zur Behandlung psychiatrischer Krankheiten moderner
gestaltet wird, ausgebaut wird, eine wohnortnahe Betreuung durch diese
Regionalisierung ja auch erreicht wird, weil auch hier der Grundsatz „ambulant
vor stationär“ gilt.
Aber was haben ÖVP und Grüne zur neuen Flächenwidmung gesagt? Nein haben sie gesagt.
Interessant war eigentlich nur dazu der Debattenbeitrag des Herrn GR Wolf,
der nämlich gemeint hat: „Dieser Otto-Wagner-Bau hat die Revolution der
Psychiatrie nicht nur gebracht, sondern ist auch ein sichtbares Zeichen dafür.“
Also, diesem Satz brauche ich eigentlich nichts hinzuzufügen, er zeigt aber
einmal mehr die Widersprüchlichkeit, die in Ihrer Partei vorhanden ist.
(Beifall bei der SPÖ. – GR Dr Franz Ferdinand Wolf: Das war 1900, Sie reden
jetzt von 1900!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns stehen
die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt, die aber nicht verunsichert
werden dürfen, damit keine Ängste vor Therapien aufgebaut werden oder
möglicherweise aus falscher Scham keine Hilfe gesucht wird. Und daher ist es
wichtig, Vorurteile nicht zu verstärken, sondern Vorurteile abzubauen, denn 75
bis 80 Prozent nehmen die angebotene Hilfe und Betreuung freiwillig in
Anspruch, und das ist es auch, was die moderne Psychiatrie ausmacht. Sie beruht
nämlich auf dem Vertrauen der Betroffenen und der Angehörigen, und dieses
Vertrauen darf auch nicht aufs Spiel gesetzt werden. Es geht oft in jahrelangen
Behandlungen auch darum, Schutz und Anonymität zu gewährleisten. Das Recht auf
Intimsphäre und Würde als Individuum ist nicht absprechbar.
Daher möchte ich auch die Intention der Frau
Stadträtin zu hundert Prozent unterstreichen, dass es im Interesse der
Patientinnen und Patienten nicht möglich ist, dass zusätzlich zu einer Vielzahl
von Kontrollorganen hier psychiatrische Stationen weiter besichtigt werden,
dass aber gleichzeitig eine größtmögliche Information gewährleistet ist. Es
wird am 14. März in der Zeit von 9 bis 12 Uhr für alle Interessierten
die Möglichkeit geben - und ich freue mich schon darauf, Sie alle, die heute
hier das Wort ergriffen haben, auch dort zu treffen -, diese Informationen auch
von kompetenter Seite entgegenzunehmen, und daher ist der Vorwurf des Kollegen
Schock, es gäbe hier demokratiepolitische Defizite, auf das Schärfste
zurückzuweisen. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sollte sich
daher jeder auch seiner persönlichen Verantwortung bewusst sein, dass wir mit
diesem Thema auch sensibel umzugehen haben. Der Präsident der Ärztekammer,
Dr Dorner, hat auch vor Kurzem darauf hingewiesen und vor einer pauschalen
Verurteilung der gesamten Fachgruppe der Psychiatrie als Teil der Medizin
gewarnt. Prof Siegfried Kasper, Ordinarius für Psychiatrie und
Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der
Medizinischen Universität Wien, warnt ebenfalls vor einer Diskriminierung der
Psychiatrie durch eine diskriminierende Berichterstattung, weil auch der
Eindruck entstehen kann, dass Psychiatrie nicht als Teil der Medizin gesehen
wird.
Daher haben wir alle gemeinsam dafür Sorge zu tragen,
dass Psychiatrie nicht diffamiert wird, dass aber auch keine Expertendebatte
über medizinisch zu entscheidende Maßnahmen in der Untersuchungskommission zu
führen sein wird, ein Streit, der auch die ganze internationale Fachwelt in der
Frage freiheitsbeschränkender Maßnahmen beschäftigt, wenn eine unmittelbare
Selbst- oder Fremdgefährdung besteht.
Dies wird von der Untersuchungskommission nicht zu
klären sein, es sollten vielmehr Fragen der intensivmedizinischen
psychiatrischen Versorgung auf dieser Expertenebene diskutiert werden. Was aber
durch die gesamte Diskussion über Psychiatrie in Wien gelingen sollte - und das
könnte man sich ja zumindest als Ziel gemeinsam vornehmen -, ist, dazu
beizutragen, dass es zu einer Entstigmatisierung der Krankheit in der
Gesellschaft kommt, denn wie viele Menschen nehmen eine psychiatrische oder
psychologische Betreuung nicht in Anspruch, weil sie Sorge haben, deshalb
abgestempelt zu werden und möglicherweise in der Gesellschaft Nachteile zu
haben. Wir wissen es nicht, aber es sollte eigentlich möglich sein, und es wäre
höchst an der Zeit, dass es selbstverständlich ist, dass all jene, die dieser
Hilfe und Unterstützung bedürfen, diese auch in Anspruch nehmen, so wie bei
jedem anderen Arztbesuch.
Meine sehr geehrten Damen und
Herren, es ist eben
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