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Gemeinderat, 34. Sitzung vom 04.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 91

 

StRin Mag Katharina Cortolezis-Schlager: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wir haben heute schon mehrfach gehört, wie sehr Macht missbraucht wird, wie sehr Gelder verschwendet werden. Ein jüngstes Beispiel ist der Prater. Das sind Steuermittel, die natürlich bei Projektförderungen fehlen. Es ist sehr traurig, dass diese Mittel nun genau dort eingespart werden, wo unsere Kinder und Jugendlichen betroffen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Also offensichtlich ist Ihnen eine bröckelnde Fassade in einem amerikanisierten Prater wichtiger als die Bildung und Ausbildung unserer Kinder. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Aber vielleicht hat das Ganze noch einen anderen Grund? Privatschulen, Alternativschulen, Schulen in freier Trägerschaft, denen kann man nicht so leicht einen Maulkorberlass umhängen. Vielleicht ist das der Grund, warum Sie die Budgetmittel kürzen und diese Schulen knapp am Existenzgrund verhungern lassen? (Beifall bei der ÖVP.)

 

Diese SPÖ missbraucht ihre Macht und missbraucht auch ihre Kompetenzen in der Stadt, denn über den Finanzausgleich lassen Sie sich das Geld für alle Pflichtschüler überweisen. Jede Verhandlung des Finanzausgleichs endet damit, dass Sie mit dem Verhandlungsergebnis ganz glücklich sind. Nur leider kommt das Verhandlungsergebnis, mit dem Sie glücklich sind, nicht bei den glücklich zu machenden Kindern an, denn hier gibt es nur die Einheitsschule. Hier gibt es nur eine möglichst zentralistisch geführte, ohne Schulautonomie versehene Einheitsschule der SPÖ in Wien. Hier gibt es kein Bekenntnis zu einem klaren Anteil an Privatschulen.

 

Trotzdem leisten sich 10 bis zu 18 Prozent der Eltern in Wien eine Privatschule. Warum? Die Qualitätssicherung, wie wir hier mehrmals aufgezeigt haben, funktioniert im öffentlichen Schulwesen in Wien nicht mehr. Es funktioniert aber auch, wie GRin Jerusalem festgestellt hat, das Platzangebot nicht, weil Sie auch hier das Geld für Verschwendungssucht brauchen und nicht für die Schulen. Das führt dazu, dass nicht nur Platz fehlt, sondern es führt auch dazu, dass die Schülerinnen und Schüler oft unfreiwillig auf Privatschulen ausweichen.

 

Sie wollen das Koalitionsübereinkommen auf Bundesebene nicht umsetzen. In den letzten Tagen haben wir mehrmals gesehen, dass das Wort Ihres Bundeskanzlers in Wien nicht zählt. Wir haben auch mehrmals auf Bundesebene gesehen, dass das Wort Ihres Parteivorsitzenden in Wien nicht zählt. Nur so ist es zu erklären, dass Sie im Koalitionsübereinkommen säumig sind und den Schulen in freier Trägerschaft nicht jenes Ergebnis zukommen lassen, das vereinbart wurde, nämlich statt einer Senkung der Mittel eine Erhöhung der Mittel, eine Verdoppelung der Mittel. Warum wird den Schulen das Koalitionsübereinkommen auf Bundesebene vorenthalten? Warum setzen Sie es auf Wiener Ebene nicht um? Ist das die Antwort auf Ihren Parteivorsitzenden, die Antwort auf Ihren Bundeskanzler? Ist das eine zerstrittene SPÖ, die auf Kosten der Schülerinnen und Schüler in Wien streitet, anstatt Geld in die Hand zu nehmen und endlich eine Wahlmöglichkeit in dieser Stadt an verschiedenen Schulen zu ermöglichen? (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie Koalitionen ernst und nehmen Sie Vereinbarungen ernst. Anstatt die Schulen zu kürzen, verdoppeln Sie ihr Budget! Sie können auf Bundesebene längst bewirken, dass die Schulen in freier Trägerschaft den konfessionellen Schulen gleichgestellt werden. Hier gab und gibt es eine Menge an Gesprächen. Warum versuchen Sie nicht, hier in Wien Vorreiter zu sein wie es in einem städtischen Umfeld passen würde? Ich kann Ihnen sagen, welchen Verdacht ich habe: Vielleicht ist dann das Lycèe francais nicht mehr exklusiv genug für die Kinder Ihrer Politiker und Politikerinnen? Vielleicht haben Sie Angst, dass die Privatschulen, die sich die Gutgestellten leisten können, dann auch von anderen besucht werden würden? So schaut Ihre Selektion aus: Die Selektion nach der Geldbörse. Wer die Geldbörse hat, der darf sich die Schule aussuchen. Wer in der Geldbörse Mageres vorfindet, weil die Sozialhilfe der Stadt die geringste ist, der kann sich in dieser Stadt eine Alternativschule, der kann sich eine freie Schule, der kann sich eine Privatschule, die nicht im konfessionellen Bereich geführt wird, nicht leisten. Sie kassieren die Gelder vom Bund. Sie verschwenden Sie und Sie enthalten Sie den Kindern und Eltern vor, die etwas anderes wollen als das, was Sie ihnen tagtäglich an Trauerspielen in den Schulen in Wien bieten.

 

Wir treten daher für eine Gleichstellung der Privatschulen an, insbesondere bei den Personal- und bei den Sachkosten. Wir glauben aber auch, dass Sie - so wie den konfessionellen Schulen, wo Sie einen Infrastrukturbeitrag geleistet haben - selbstverständlich diesen Beitrag allen Schulen in freier Trägerschaft geben könnten, denn Pflichtschüler kosten Geld, aber sie bringen unserer Gesellschaft auch sehr viel und unsere Gesellschaft beruht auf der Zukunft dieser Kinder. Dieses Geld, das Sie über den Finanzausgleich bekommen, ist für die Bildung reserviert. Dieses Geld ist nicht für Verschwendungsprojekte reserviert, für Machtspiele der SPÖ, sondern für die Schülerinnen und Schüler! Sie profitieren von der alternativen Pädagogik, von der Reformpädagogik und übernehmen vieles davon in das öffentliche Schulwesen. Aber Sie müssen auch zulassen, dass die Schulen, die dies erfinden, die das als erste entwickeln, entsprechend auch gefördert werden.

 

Wir treten daher für die Wahlmöglichkeiten der Eltern ein. Eltern und Schülerinnen und Schüler sollen sich selbst aussuchen, welche Schule für sie am besten ist und es soll nicht von der Geldbörse abhängen, welche Schule sie wählen.

 

Die Niederlande haben bis zu 80 Prozent Privatschulen, hervorragend geführt mit einer herausragenden Qualitätssicherung, allein deswegen, weil hier eben die soziale Durchmischung sehr wohl möglich ist. Sie fordern immer wieder Heterogenität im Klassenzimmer, aber in den Privatschulen wollen Sie nur die Kinder Ihrer

 

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