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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 59 von 126

 

stört, ist nicht, dass Wien gelobt wird, sondern dass stets nur die SPÖ-Politik gelobt wird. Das stinkt uns, mit Verlaub gesagt!

 

Zweitens: Es ist schön, dass über die Schuldentilgung berichtet wird. Ich frage mich nur, wer die Schulden gemacht hat. – Meine Antwort: Ich könnte mir schon vorstellen, dass es da irgendwelche höheren Mächte beziehungsweise Bundesregierungen gibt. Aber damit kommen Sie nicht wirklich weit!

 

Vielen Dank auch dafür, dass wir heute am Vormittag bereits den Kulturbericht bekommen haben. Es hätte ja auch sein können, dass wir ihn nach der heutigen Sitzung bekommen! Ich muss sagen, es ist wirklich toll, wie die Druckereien arbeiten und wie hier koordiniert vorgegangen wird, sodass wir heute alle Berichte gleichzeitig bekommen haben! Wir haben es heute schon gehört: Mit dem Bericht der Wien Holding, dem Kulturbericht und dem Wissenschaftsbericht hat die Druckerei wirklich massive Leistungen in letzter Sekunde erbracht! Ich nehme an, man musste dort jetzt Leute einstellen und wird in Zukunft Überkapazitäten haben. Ich weiß nicht, wie das funktioniert hat! Jedenfalls ist diese Koordination zwischen den verschiedenen Bereichen aber wirklich toll, und ich danke vielmals dafür!

 

Das ist ein echtes Service, denn es ist schön, dass wir diese Berichte heute, wie gesagt, noch vor der Sitzung bekommen konnten! Man kann sich diese dann ansehen, allerdings kann man in letzter Sekunde nicht mehr allzu viel feststellen. Und das ist möglicherweise auch der Hintergrund für diese punktgenaue Lieferung! Gehen wir aber einmal davon aus, dass all das gut gemeint ist!

 

Jedenfalls fällt auf, dass im Bericht über den Filmfonds Besucherzahlen jetzt nur noch dort gezeigt werden, wo es um die Verwertungsförderung geht. Es war ja immer wieder ganz interessant festzustellen, welch hohe Beträge für ganz geringe Besucherzahlen geleistet wurden. Aber es ist auch heuer allein bei der Verwertungsförderung, also der Förderung dessen, dass der Kinostart funktioniert, einiges geschehen: Beim Film „Taxidermia“ betrug die Förderung 34 000 EUR, und man verzeichnete 3 387 Besucher. Alle Achtung! Die Leute hätte man sicherlich alle einladen können! Bei „Life in Loops“ betrug allein die Verwertungsförderung 26 255 EUR, und man zählte immerhin 400 Besucher. Beim Film „Prater“ betrug die Förderung 40 000 EUR, und die Besucheranzahl belief sich auf 1 073.

 

Ich muss sagen, die Förderung ist offenbar ähnlich punktgenau wie die Lieferung der Berichte! Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass in Wirklichkeit andere Kriterien eingeführt werden müssten, die auch damit zu tun haben, ob die Kunstprodukte, diesfalls also die Filme, vom Publikum auch betrachtet werden. Darüber werde ich dann noch kurz sprechen.

 

Eine Schwachstelle, die auch zeigt, inwiefern man sich um die Bevölkerung kümmert, und die wir immer wieder kritisieren, ist die Problematik des Musikunterrichts in dieser Stadt. Unsere Kritik wird immer damit weggewischt, dass das mit Kultur nichts zu tun hat. – Dazu möchte ich sagen: Wenn Musikunterricht und Musiklehranstalten mit Kultur nichts zu tun haben, dann bin ich offenbar in der falschen Stadt! Es ist doch wohl ein ganz wesentlicher Faktor, dass man, wenn man Wien als die Stadt der Musik deklariert, auch darauf schauen muss, dass möglichst viele Menschen Musik auch praktisch ausüben und damit diesen Standort weiterhin pflegen können.

 

Wenn wir heute gehört haben, welche Vorreiterrolle Wien in allen Bereichen hat, dann muss ich feststellen, dass gerade bei den Musikschulen eher genau das Gegenteil der Fall ist. Da sind wir nicht Europameister, sondern da sind wir eher in der Qualifikation als Erster ausgeschieden!

 

Schauen wir uns zum Beispiel die Standorte an: Niederösterreich hat 457 Standorte, Wien ganze 25. Die Versorgung pro 10 000 Einwohner beträgt in Wien 0,16, im Burgenland 4,43. Das sind schon gigantische Unterschiede! Bei der Versorgung der 5- bis 25-jährigen Musikschüler pro 1 000 Einwohner ist Wien das absolute Schlusslicht mit 15 Schülern pro 1 000 Einwohner, in Niederösterreich sind es hingegen 119.

 

Ich erzähle Ihnen das, damit Sie diese Zahlen ein bisserl genießen können, nachdem Sie sich heute so als Europameister gefühlt haben! – Zur Entwicklung der Zahl der Musikschüler: Im Jahr 2005 sind unter 4 Prozent aller Musikschüler Österreichs in Wien in die Musikschule gegangen. Wenn man dieser Zahl dem Bevölkerungsanteil gegenüberstellt, so ist das ernüchternd! Zusätzlich geht die Zahl der unterrichteten Wochenstunden sogar zurück. Sie ist in Wien um 5,81 Prozent gesunken. – Das sind wirklich dramatische Zahlen!

 

Wenn man bereits unter den Schlusslichtern ist und auch immer wieder darauf hingewiesen wird – und wir haben das tatsächlich oft genug getan! –, die Zahlen dann aber noch dramatisch sinken, dann ist das wirklich erschreckend! Wir haben in Wien gerade ein bisschen mehr Unterrichtsstunden als das Burgenland. Was soll man dazu noch mehr sagen, außer dass hier ein absoluter Mangel vorliegt, um den sich aber keiner zu kümmern scheint? Den Kulturbereich geht das offenbar nichts an. Und diejenigen, die für die Schule zuständig sind, scheint das auch nichts anzugehen. Und daher bleibt man eben Schlusslicht.

 

Dieses Phänomen zieht sich durch die ganze Kulturpolitik, und es zeigt sich immer wieder, dass man offenbar ein gestörtes Verhältnis zum Publikum und zur Breite hat. Vieles findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und ich habe den Eindruck, man ist oftmals geradezu stolz darauf, dass sich das niemand anschaut. Vielleicht ist man auch froh, dass nicht allzu viele Leute diese Darbietungen sehen, weil man dann feststellen würde, dass es für diese Art von Kulturpolitik und für diese Art von Kunst, die hier gefördert wird, überhaupt kein Verständnis gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie damit in weiten Bereichen, deren Anzahl natürlich auch immer kleiner wird, bei Ihren Wählern wirklich nicht gut ankommen würden. Im Gegenteil! Hier wird Kunst für Informierte und einschlägig Gebildete gemacht, und es

 

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