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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 104 von 126

 

sprechen, sie werden sauber, das alles funktioniert tadellos. Nur in dem Augenblick, in dem sich die Schule der Dinge annimmt, wird die Sache aus einem Grund besonders schwierig und besonders kompliziert. Denn auf einmal geht es nicht mehr nach den Kindern, man orientiert sich jetzt nicht mehr vornehmlich an den Kindern, sondern an Plänen, die Pläne werden für Schulstufen gemacht und die Kinder in Jahrgänge eingeteilt. Obwohl man mittlerweile weiß, dass das keine optimalen Lernbedingungen für zumindest die Hälfte der Kinder sind, macht man immer so weiter.

 

Ich frage Sie und auch mich: Warum setzt eine Reform nicht einmal bei den Kindern an? Warum setzt eine Schulreform nicht einmal dort an, dass man sagt: nein danke zu Schulstufen, Jahrgangsklassen, Notengebung, Plänen, die man über alle drüberstülpt? Warum nimmt man nicht einmal zur Kenntnis, dass die Kinder in ihrer Entwicklung bei gleicher Intelligenz drei bis vier Jahre auseinander liegen können? Warum nimmt man nicht zur Kenntnis, dass die Wissenschaft längst herausgefunden hat, dass - der Neurobiologe Dr Spitzer drückt das so aus - ein vergnügtes Hirn besser lernt und mehr lernt?

 

Meine Damen und Herren! Das ist meiner Meinung nach die Reform, die das Schulsystem braucht. (Beifall bei den GRÜNEN.) Wir brauchen nicht einen Ausbau und eine Verschärfung von Jahrgangsplänen, die über alle drübergestülpt werden und dann den Kindern nicht passen, sondern wir brauchen eine Schule, die sich an den Kindern orientiert.

 

Wissen Sie, was das Wunderschöne an der Sache wäre? Das Wunderschöne an dieser Sache wäre, dass die Kinder so viel mehr lernen würden, dass dann so viel besser das Potenzial aller Kinder genutzt werden könnte! Sie würden mehr wissen, sie würden mehr können, sie hätten mehr Fähigkeiten, die für die ganze Gesellschaft zur Verfügung stünden, und sie wären möglicherweise - und so hoffe ich - auch glücklichere Menschen. Und die Eltern gleich mit, denn was die Eltern mit den Schulen mitmachen, ist ja auch nicht von schlechten Eltern!

 

Wenn ich jetzt Revue passieren lasse, welche Reformen im heurigen Jahre gesetzt wurden - wo man gesagt hat, man muss jetzt den Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache helfen, schon hat man den nächsten Plan bei der Hand gehabt, hat sie alle eingefangen, hat es über sie drübergestülpt und macht jetzt wieder genau das Gegenteil dessen, was wahrscheinlich jeder Neurobiologe raten würde -, dann kann ich nur sagen: Da passieren wieder dieselben Fehler!

 

Denn intelligentes Verhalten wäre, wenn man sagt: Man stellt für alle dreijährigen Kinder Kindergartenplätze zur Verfügung, die nichts kosten, die den Leuten angeboten werden und wo man für alle dreijährigen Wiener Kinder ein Lernumfeld schafft, das tatsächlich ein Bildungsumfeld ist, sodass alle Kinder, wenn sie dann in die Schule kommen, bereits über ein großes Wissen und über viel Bildung verfügen würden.

 

Dass wir die Ghettoschulen, die Sie an diese Kindergärten dann auch noch unter Umständen anschließen wollen - für diejenigen, die es noch immer nicht kapiert haben, unter Anführungszeichen -, dass ich das für völlig falsch halte, habe ich Ihnen bereits gesagt. (GR Heinz Vettermann: Sie haben es nicht kapiert!) Aber ein halbes Jahr, bevor ich die Ghettoschulen verurteilt habe (GR Heinz Vettermann: ... sensibel!) - Sie können sich das auch heraussuchen -, hat übrigens Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl in aller Entschlossenheit gesagt: Diese Ghettoklassen kommen nicht! Ein halbes Jahr später hat sie gesagt: Wunderbares Modell, wir richten jetzt diese Klassen ein!

 

Also irgendwann sollte man vielleicht auch wissen, wann und wie man sich von der ÖVP über den Tisch ziehen lässt, damit man nicht das Gesicht verliert! Denn schön langsam wird es doch ein bisschen peinlich.

 

Meine Damen und Herren! Nach diesem Exkurs in die Neurobiologie und in das, was ich mir unter einer moderneren Schule vorstelle, möchte ich die Anträge anbringen, die ich für heute geschrieben habe.

 

Mein erster Antrag bezieht sich erneut auf die Chancengerechtigkeit für Kinder aus sozioökonomisch schwachen Familien. Ich denke, es gibt da sowohl im Bereich Kindergarten als auch im Bereich Schule als auch im Bereich Wohnen und Familienförderung sehr viele Maßnahmen, die man setzen könnte, um zu verhindern, dass sich die Segregation in Wien fortsetzt und dass soziale Brennpunkte entstehen, die wir alle nicht wollen. Meiner Meinung nach ist es die Aufgabe des Bürgermeisters, diese großen Dinge im Blick zu bewahren und da Maßnahmen zu setzen.

 

Meine Anträge liegen Ihnen ja alle vor, lesen können auch alle, ich erspare es Ihnen daher, sie Ihnen vorzulesen, und werde jetzt nur den Beschlussantrag zur Kenntnis bringen, der da lautet:

 

„Der Gemeinderat fordert Bgm Dr Michael Häupl auf, die Erstellung eines umfassenden kommunalen Konzeptes für die Förderung von Kindern aus sozioökonomisch schwachen Familien zu veranlassen. Das Konzept soll dem Gemeinderat vorgelegt werden.

 

In formeller Hinsicht beantrage ich die sofortige Abstimmung dieses Antrages."

 

Sie würden mir Ihre Aufmerksamkeit in der Folge wahrscheinlich dann schenken, wenn ich jetzt etwas tue, was völlig unvorhergesehen ist und was nicht Ihren Erwartungen entspricht - wenn ich zum Beispiel grüne Leuchtkugeln in die Höhe werfe oder Ähnliches. Ich kann das jetzt leider nicht bieten. Viele Lehrer können das auch nicht gut, dass Sie von früh bis spät den Kasperl vor der Klasse abgeben. Deswegen werde ich versuchen, es so kurz und so knapp wie nur irgend möglich zu machen.

 

Meinen zweiten Antrag kennen alle jene schon, die bereits seit dem Jahr 2005 im Haus sind. Das ist der Antrag, der sich auf die Schulsozialarbeit bezieht. Sie haben ihn damals abgelehnt, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie. Ich habe mir gedacht: Kommt Zeit, kommt Rat, ich bringe ihn noch einmal ein. Es könnte ja sein, dass Sie Ihre Meinung in Bezug auf Schulsozialarbeit so geändert haben, wie einige Bezirksschulinspektoren in Wien das bereits getan haben. Der

 

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