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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 24.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 68 von 118

 

man bedient sich eines Gefälligkeitsgutachtens und setzt sich über alle Regeln der anerkannten Architekturszene hinweg, wieder einmal zum Nachteil der Wiener Architekturszene.

 

Warum ich das herausstreiche, sehr geehrte Damen und Herren? In diesem Gutachten wird herausgearbeitet, dass bei diesem Projekt nicht der Steg selbst, sondern der Künstler im Mittelpunkt steht. Wenn ich mich dann aber an den letzten Ausschuss, an denselben, den ich vorher gemeint habe und der vorige Woche beraten hat, erinnere, hat der Projektsleiter ausgeführt, dass die Brücke verlagert werden müsse, da man beim projektierten Standort der Brücke - der Standort war, für die Nichtkenner gesagt, stadtauswärts auf der rechten Seite, wo dieses McDonalds Restaurant ist - einen Anschluss vorgesehen hätte, wo die Brücke über die Triester Straße hätte gebaut werden müssen. Aus barrieretechnischen Gründen muss sie aber jetzt natürlich weiter südlich situiert werden. Ist es jetzt dann ein Kunstwerk oder ein Verkehrswerk, das konnte in dem Ausschuss nicht beantwortet werden.

 

Aber ich will ja in diesem Fall noch weiter gehen, sehr geehrte Damen und Herren, und zwar möchte ich noch ein bisserl weiter zurückgehen: Ende 2006 gab es ein topsensationelles Urteil zum Hauptbahnhof in Berlin. Im Mittelpunkt stand damals der neue Hauptbahnhof, im konkreten Fall die Decke im Untergeschoß, die laut Plan des Architekten ein Gewölbe hätte sein sollen. Der Bauherr, die Deutsche Bahn, sah das aber anders und hat kein Gewölbe, sondern eine normale Decke eingezogen. Darauf hin ist dann der Architekt Meinhard von Gerkan vor das Landgericht Berlin gegangen, und dieses hat ihm recht gegeben. Die Richter verpflichteten den Bauherrn, also die Deutsche Bahn, in diesem überraschenden Urteil die Flachdecke im Untergeschoß des Hauptbahnhofes zu entfernen und die vom Architekten ursprünglich geplanten Gewölbedecken einzubauen. Soweit so gut, aus unserer Sicht vielleicht nicht besonders aufregend, aber trotzdem kann man Schlüsse daraus ziehen. Das ganze war ein Streit um das Urheberrecht, die Baukultur und die Freiheit der Kunst, und das Gericht hat auch gesagt, Meinhard von Gerkan ist nicht nur ein Stararchitekt, sondern auch ein Baukünstler.

 

Das heißt, sehr geehrte Damen und Herren, hätte unser Planungsstadtrat Ende 2007 in New York nicht zufällig den Stararchitekt Calatrava getroffen, sondern den Architekt Meinhard von Gerkan, würden wir morgen nicht einen Grundsatzbeschluss über den Bau eines Steges fällen, sondern einen Grundsatzbeschluss über ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung.

 

Ich habe nur eine Bitte, dass man die Planung der Bahnhof-City diskutiert, denn das wäre aus unserer Sicht dann möglich. Wenn ich dem Gutachten von Rechtsanwalt Schwarz folgen kann, steht der Künstler im Mittelpunkt. Das wäre in dem Fall dann Meinhard von Gerkan, und der könnte dann ohne öffentliche Ausschreibung diesen Hauptbahnhof bauen. Daher ist der morgige Beschluss schon richtungsweisend.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, das Argument, und das höre ich ja immer wieder in den letzten Tagen seitens der FPÖ, dass sich halt ein Architekt, ein Stararchitekt, das ist ja keine Frage, und außerdem ein sehr guter, und hat tolle Bauwerke, tolle Brücken errichtet, jetzt nicht an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligt, kann man nicht so im Raum stehen lassen. Es gibt auch im Zusammenhang mit Wien einige Beispiele. Der Architekt Jean Nouvel, zum Beispiel, hat sich bei der Ausschreibung in der Leopoldauer Straße im 21. Bezirk, auch beworben. Er ist dabei gegen Jungarchitekten oder gegen Architekturstudenten, wie es immer ein bisschen abwerten in diesem Haus heißt, angetreten und hat gewonnen.

 

Es gibt auch Österreicher, die als Beispiele angeführt werden können. Max Hollein hat sich bei der Frankfurter Kunsthalle auch erst in einem Verfahren bewerben müssen und hat erst dann den Zuschlag bekommen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, das Planungsressort hat in den letzten Jahren sicher einige Erfolge vorzuweisen, die Architekturwettbewerbe waren sicher, was den Hauptbahnhof, den Calatrava-Steg, und vor allem den Architekturwettbewerb für die neue WU und die Schule oder Bildungseinrichtung am Nordbahnhof betrifft, ein bisschen hinterfragenswert. Am Architekturwettbewerb um die neue U-Bahn-Station am Messegelände nahmen 24 Architekturteams teil, von denen keines, wie man hört, die Jury voll überzeugen konnte. Und was hat man dann gemacht? Man hat sich dann einfach nur auf einen Masterplan geeinigt. Grund war, so einige Teilnehmer, die Ungenauigkeit bei den Ausschreibungsunterlagen.

 

Wir haben heute vielleicht die Möglichkeit, die Auslobungstexte klarer, transparenter, rechtlich ausgewogen und für alle Teilnehmer einschätzbar zu gestalten.

 

Dies passierte nicht und wenn, dann nur ungenau. Bei der Bildungseinrichtung am Nordbahnhof lehnten drei von acht Architekturbüros nach einem geladenen Bewerbungsverfahren die Teilnahme ab, nachdem sie die Einladung für dieses Verfahren erhalten hatten. Sie kamen nämlich zur Einsicht, dass die vorgegebenen Bedingungen inhaltlicher und architektonischer Qualität noch einen Wettbewerb zur weiteren Beauftragung erwarten ließen.

 

Ich glaube, sehr geehrte Damen und Herren, diese Beispiele zeigen, dass beim Thema Vergabeverfahren die Planungsabteilung nicht immer auf der richtigen Seite gestanden ist.

 

Und das sind so die Forderungen: Man müsste schon schauen, und gerade bei dem Nordbahnhof-Juryprojekt müsste man schauen, und es ist auch der Wunsch der teilnehmenden Architekten, dass es kompetente Juroren gibt und dass es ordentliche, nachvollziehbare Ausschreibungen und adäquate Preisgelder gibt. Sie haben das schon einmal bei einer Anfrage kurz diskutiert. Und wichtig wäre dann auch, sollte ein Architekturwettbewerb abgeschlossen werden, dass dann der Gewinner auch wirklich beauftragt wird und nicht de facto abgelehnt wird, weil man sich anders entschieden hat.

 

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