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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 24.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 93 von 118

 

Ihnen aber den letzten Satz des Briefes von Primarius Sindermann nicht vorenthalten: „Sollte meine ehrliche fachliche Meinung“ – und dann schreibt er es noch einmal „- in Klammer: Großinstitutionen sind für geistig behinderte Personen nicht zeitgemäß - durch die polemisierende Verwendung in oben stehendem Artikel zu Problemen geführt haben, so bedaure ich das zutiefst.“

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dieses Nein nicht polemisierend verwendet, sondern ich habe in einer Presseaussendung nur ganz klar zitiert, was Herr Primar Sindermann in der Untersuchungskommission gesagt hat! Und ich meine, dieser Entschuldigungsbrief spricht für sich: ExpertInnen in dieser Stadt müssen ihre Meinung hinter vorgehaltener Hand kundtun. Und wenn sie diese Meinung einmal öffentlich äußern, dann müssen sie zurückrudern, weil sie sonst Angst haben müssen, Schwierigkeiten zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden Schwierigkeiten bekommen, nämlich mit mir als Behindertensprecherin! Und Sie werden auch Schwierigkeiten mit den Wählerinnen und Wählern bekommen. Die werden sie nämlich im Hinblick auf Ihre Behindertenpolitik abwählen! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich möchte noch ein Beispiel für Ihren Umgang mit behinderten Menschen anführen. Als ich wieder einmal das persönliche Budget gefordert habe – und das habe ich ja öfters getan – hat mir eine Kollegin Ihrer Fraktion darauf die Antwort gegeben: „Da werden aber die Einrichtungen keine Freude mit Ihnen haben!“ Meine Damen und Herren! Diese Aussage zeigt sehr klar: Die SPÖ betreibt nicht Politik für behinderte Menschen und für die Betroffenen, sondern die SPÖ betreibt ihre Behindertenpolitik für die Einrichtungen dieser Stadt!

 

Meine Damen und Herren! Ich nehme an, Sie merken meine Erregung. Das ist ja wirklich unglaublich! Ich könnte noch einige Beispiele aufzählen. Sie stellen nicht die Menschen dieser Stadt in den Mittelpunkt Ihrer Politik, sondern andere Interessen. Und das ist nicht nur im Sozial- und Gesundheitsressort der Fall, sondern das zieht sich – wie wir hören konnten – wie ein roter Faden durch die gesamte Politik dieser Stadtregierung! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal zu der Unterlage für die Rechnungsabschlussrede und zitiere zum Thema Bildung, Beratung und Assistenz. – Hier heißt es: „Teile der finanziellen Mittel wurden verstärkt für direkte Geldleistungen statt für Sachleistungen aufgewendet.“ Die Stadt gibt ja – wie wir heute schon gehört haben, eine Summe von 894 Millionen EUR für Soziales aus. Weiter heißt es: „Für die Pflegegeldergänzungsleistung wurden 5 Millionen EUR pro Jahr veranschlagt.“ Das sind weniger als 1 Prozent an direkten Leistungen!

 

Ich zitiere weiter: „Das Modellprojekt ‚Persönliche Assistenz’ bot 2007 rund 100 Menschen mit körperlichen Behinderungen die Möglichkeit, mit einer Förderung des FSW persönliche AssistentInnen anzustellen beziehungsweise zu beauftragen. Seit April 2008 wurde das Modellprojekt als Regelleistung ‚Pflegegeldergänzungsleistung für Persönliche Assistenz’ etabliert.“

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist unrichtig! Die Realität sieht anders aus. In das Modellprojekt haben nicht 100 Menschen Eingang gefunden, sondern 20, und es gab auch nicht für 100 Menschen die Möglichkeit, sich AssistentInnen anzustellen.

 

Ich erwähne meine Kritikpunkte zur Pflegegeldergänzungsleistung noch einmal kurz, weil sie hinlänglich bekannt sind: Man kann hier nicht von einer Regelleistung sprechen. Es besteht darauf kein Rechtsanspruch, und diese betrifft nur Menschen mit Körperbehinderung. Anscheinend hat man auf die Menschen mit anderen Behinderungen vollkommen vergessen. Außerdem ist die Einstufung der Pflegegelderergänzungsleistung dem FSW überlassen, und behinderte Menschen haben keine Möglichkeit, Einspruch zu erheben, wenn sie anderer Meinung sind.

 

Ich könnte jetzt noch auf freiwillige Leistungen wie die erhöhte monatliche Pauschale für ambulante Pflege zu sprechen kommen, bei der es keinen Rechtsanspruch auf Bescheiderstellung gibt. Behinderte Menschen haben leider schon sehr schlechte Erfahrungen mit Leistungen des FSW gemacht, weil sie keinen Rechtsanspruch darauf haben. – Ich möchte zusammenfassen: Betroffene werden im Regen stehen gelassen!

 

Ebenfalls erwähnen möchte ich, dass anscheinend ein Ausbau von Beschäftigungstherapie für behinderte Menschen angedacht ist. Meine Damen und Herrn! Wenn die Stadt Wien endlich ihrer Einstellverpflichtung nachkommen würde, dann müsste weniger Geld für Beschäftigungsprojekte ausgegeben werden! Dann wären die Steuermittel wesentlich besser eingesetzt!

 

Zum Thema Mobilität: Freizeitfahrtendienste sind auch in der Unterlage angeführt. In diesem Zusammenhang bringen meine Kollegin Ingrid Korosec und ich einen Antrag betreffend Nutzung des Freizeitfahrtendienstes für ältere Menschen ein. Wir treten für eine Staffelung des Selbstbehalts ab 1 500 EUR ein.

 

Ich werde die Anträge, wenn ich fertig bin, gesammelt abgeben.

 

Zum Bereich Soziales wurde schon sehr viel gesagt. Die Armut steigt in Wien weiter an, und das ist ein weiteres Zeichen für verfehlte Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in dieser Stadt. Wo der Rechtsanspruch besteht, rühmt sich die Stadt, Gelder auszuzahlen, und hier wird mehr Geld ausgegeben. Die Kann-Bestimmungen betreffend Hilfe in besonderen Lebenslagen werden allerdings sehr restriktiv gehandhabt. Dafür hat die Stadt nur knapp 10 Millionen gewährt, 6 Millionen EUR wandern wieder retour ins Säckel der Stadträtin.

 

Ich möchte noch kurz die Vorverlegung der Frist für einen Antrag auf Heizkostenzuschuss erwähnen. Das wurde bereits thematisiert. Trotz verkürzter Frist sind um 3 000 Anträge mehr eingegangen. Die Stadt meint, dass sei ein Beleg für gut funktionierende Informationsarbeit. Meine Damen und Herren! Wir sagen: Das ist eindeutig ein Ausdruck der steigenden sozialen Bedürftigkeit!

 

Dass es im sozialen roten Wien zu einer Erhöhung

 

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