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Gemeinderat, 43. Sitzung vom 29.01.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 3 von 70

 

(Beginn um 9 Uhr.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen!

 

Die 43. Sitzung des Wiener Gemeinderates ist eröffnet.

 

Entschuldigt für die heutige Sitzung ist eine relativ große Anzahl von Gemeinderätinnen und Gemeinderäten: GRin Cammerlander, GRin Dipl-Ing Gretner, GRin Jerusalem, GR Mag Kowarik, GRin Dr Laschan, GRin Ludwig-Faymann, GR Reiter, GR Schreuder und GR Dr Ulm.

 

Wir kommen nun zur Fragestunde.

 

Die 1. Frage (FSP – 05733-2008/0001 – KFP/GM) wurde von Herrn GR DDr Eduard Schock gestellt und ist an den Herrn Bürgermeister gerichtet. (Bei den Wiener Linien wurde eine Muslimin ausgebildet, welche in weiterer Folge am Bahnhof Ottakring als Straßenbahnfahrerin ihren Dienst versieht. Sind Sie bereit, sich für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst einzusetzen?)

 

Einen schönen guten Morgen, Herr Bürgermeister! – Bitte.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Guten Morgen!

 

Sehr geehrter Herr Klubobmann!

 

Ihre Frage möchte ich ganz eindeutig und klar beantworten: Nein! Ich bin nicht bereit, mich für das Kopftuchverbot einzusetzen, und möchte das ohne jede Polemik mit zwei wesentlichen Argumenten begründen.

 

Der erste Grund klingt, oberflächlich gesehen, formal, ist es aber nicht: Zweifelsohne würde ein derartiges Kopftuchverbot, wenn man dieses als religiöses Symbol ansieht, natürlich nach sich ziehen, dass auch andere religiöse Symbole im öffentlichen Bereich verboten werden müssten, weil sonst der Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung verletzt werden würde.

 

Sieht man hingegen das Kopftuch nicht als religiöses Symbol an, dann meine ich, dass es uns – ehrlich gesagt – nichts angeht, denn wie sich jemand anzieht, schreit nun wirklich nicht nach einer staatlichen Regulierung. – So viel dazu.

 

Ein weiterer Punkt: Alle wissen, wie sich etwa am Beispiel Frankreich verdeutlichen lässt, wie diese Diskussion geendet hat. Sie hat mit der – aus meiner Sicht gesehen – missverständlichen Interpretation des Laizismus geendet: Mit dem Kopftuchverbot wurde begonnen, alle religiösen Symbole, das heißt zum Beispiel auch die Kreuze aus den Schulen, zu entfernen. Am Ende des Tages ist man dann vor einer ganz anderen und ungleichen Situation der Religionsgemeinschaften untereinander, aber auch der Religionsgemeinschaften gegenüber dem Staat gestanden. Bei uns hingegen ist es beispielsweise möglich gewesen, dass es zu einer gemeinsamen Erklärung aller christlichen Kirchen, der Kultusgemeinde und der Islamischen Glaubensgemeinschaft zu Nine/Eleven gekommen ist, während es in deutschen und französischen Städten schwerste Auseinandersetzungen gegeben hat.

 

Man soll sich ein bisschen dessen bewusst sein, was man hier anfängt, wenn man weiß und sich in anderen Ländern anschauen kann, wie das am Ende aussieht. Daher sage ich Ihnen: Ich fange diese Diskussion nicht an!

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. Die 1. Zusatzfrage wird von Herrn GR DDr Schock gestellt.

 

GR DDr Eduard Schock (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr Bürgermeister!

 

Sie haben zu Recht das französische Beispiel genannt, wo das Kopftuch verboten ist. Es gibt aber auch viele andere Beispiele, etwa sogar das rot regierte Berlin oder andere deutsche Bundesländer wie Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern: Gerade in Bayern können beispielsweise die Kreuze in den Schulen natürlich hängen bleiben, trotzdem ist dort das Kopftuch als unvereinbar mit den Grundwerten verboten.

 

Herr Bürgermeister! Gerade in der Schule ist das ganz wichtig. Leider gibt es bei uns in Wien auch schon Lehrerinnen mit Kopftuch, etwa im 10. Bezirk in der Volksschule in der Herzgasse. Ich meine, es ist doch die Aufgabe einer Lehrerin, Vorbild zu sein und unsere Ideale und Wertvorstellungen zu vermitteln, Ideale wie Menschenrechte, Freiheitsrechte und die Gleichberechtigung der Frau. Das Kopftuch symbolisiert aber eigentlich das Gegenteil!

 

Herr Bürgermeister! Meine Frage: Glauben Sie wirklich, dass eine Wiener Lehrerin mit Kopftuch unsere Werte wie die Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Frau ihren Schülern glaubhaft vermitteln kann?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Somit sind wir natürlich mitten in der Diskussion, die in Deutschland auch geführt wurde, nämlich über die so genannte Leitkultur. – Es gibt über die Frage der Symbolhaftigkeit des Kopftuches selbstverständlich höchst unterschiedliche Interpretationen. Wenn Sie etwa mit dem weiblichen Gesicht der Glaubensgemeinschaft darüber diskutieren, dann ist festzustellen, dass man das Kopftuch zweifelsohne überhaupt nicht als Symbol einer Einschränkung der Frauenrechte – oder wie immer man das auch sonst bezeichnen möchte – sieht.

 

Selbstverständlich bin ich Ihrer Auffassung, dass in unseren Schulen – und im Übrigen in allen Schulen bei uns – die Werte der Aufklärung, Werte wie Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, Antidiskriminierung und vieles andere gelehrt werden sollen. Das kann ich mir aber selbstverständlich mit und ohne Kopftuch durchaus vorstellen, denn aus meiner Sicht hat das nichts miteinander zu tun.

 

Ich möchte auch an eine aktuelle Diskussion erinnern: Die Katholische Kirche ist in eine Diskussion mit den Rabbinern, insbesondere mit dem Oberrabbinat in Jerusalem, verwickelt, und in dieser Diskussion gibt es offensichtlich auch unterschiedliche Zugänge zu einem sehr heiklen Thema innerhalb der Katholischen Kirche. So etwas gibt es!

 

Es sind nicht einmal in Ihrer Partei alle einer Meinung, auch da gibt es entsprechende Diskussionen, so wie auch in meiner und in anderen Parteien. Es gibt auch in guten Familien Auffassungsunterschiede. Es kommt

 

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