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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 14.12.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 91

 

Österreicher beschließen, wie mit den ZuwanderInnen umgegangen wird. Sie meinen auch zu wissen, was am besten für sie ist. Niemand fragt, wie ZuwanderInnen denken und was sie eigentlich wollen.

 

Es gibt übrigens ein psychologisches Experiment. Da lässt man Gastgeber mit ihren Gästen so reden wie mit ihren Kindern. Das klingt dann etwa so: Musst du so lümmeln? Oder: Beim Essen redet man nicht! Oder: Mach die Tür zu, wir haben keine Schnürlvorhänge! – Damit soll Eltern klargemacht werden, wie ernst sie ihre Kinder nehmen.

 

Genauso agieren manche Politiker, wenn es um ZuwanderInnen geht, auch gutwillige. Aufgeklärter Absolutismus heißt das in der Geschichte. Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.), in dem Fall also die ZuwanderInnen. Herr Jung, hören Sie mir auch zu! Ein Mindestmaß an Respekt können Sie mir entgegenbringen, ich habe Ihnen auch zugehört. Und es war einiges darunter ... (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Na, okay.

 

Merkwürdig ist auch, warum so viele wissen, warum der Islam eine gefährliche und frauenfeindliche Religion ist. Dabei haben gerade diejenigen, die das sagen, weder eine Moschee besucht noch im Koran gelesen noch mit einem Islamwissenschafter darüber debattiert. Merkwürdig ist auch, dass das kaum jemanden stört.

 

Ich meine, vor gar nicht allzu langer Zeit haben nur Männer gewusst, was gut für Frauen ist. Die Frauen hat man eigentlich wegen deren Druck wählen lassen müssen. Und erst die SPÖ-Regierung in den 70er Jahren hat es Frauen ermöglicht, ohne Erlaubnis ihres Mannes eine Arbeit anzunehmen oder ohne ihn auf Urlaub fahren zu können.

 

Das klingt heute absurd, sehr geehrte Damen und Herren, aber auch damals waren viele überzeugt zu wissen, was wichtig für andere ist. Vor allem waren das eben Männer.

 

Also, wie denken ZuwanderInnen? Was wollen sie? Zum Glück gibt es erstmals eine Umfrage dazu. EthnOpinion ist ein Markt- und Meinungsforschungsinstitut für Migrantenumfragen. Knapp 1 600 Menschen haben daran teilgenommen und erstmals ein Bild von ihrem Leben gegeben. Zum Beispiel: Wie wichtig ist Arbeit für Sie? 92 Prozent sagen sehr wichtig oder wichtig. Bei den Altösterreichern sind das 90 Prozent. Auch Familie ist beiden Gruppen mit 86 Prozent beziehungsweise 86 Prozent gleich wichtig.

 

Frappant ist das Interesse an Politik: 81 Prozent der ZuwanderInnen sagen, dass sie sich für die Politik in Österreich interessieren. Bei den alteingesessenen Österreichern sind das nur 75 Prozent.

 

Ungewöhnlich sind auch die Antworten auf Politikverdrossenheit. Meine Interessen vertritt eigentlich keine Partei, meinen 21 Prozent der alteingesessenen Wienerinnen und Wiener, bei Zuwanderern sind das nur 16 Prozent. Vor allem ungarische Zuwanderer mit 43 Prozent und kroatische mit 38 Prozent sind der Meinung, dass ihre Interessen von der Politik nicht vertreten werden.

 

Das Vertrauen in Institutionen ist bei ZuwanderInnen grundsätzlich höher als bei alteingesessenen ÖsterreicherInnen, ganz gleich, ob im Bildungssystem, in Gewerkschaften, in Gerichten oder bei der Sozialversicherung. Besonders auffällig ist, dass 37 Prozent der ZuwanderInnen den Medien vertrauen, aber nur 26 Prozent der alteingesessenen Österreicher.

 

Und jetzt direkt zum Thema Integration: Auf die Frage: Erschwert die österreichische Bevölkerung die Integration?, sagen 44 Prozent der alteingesessenen ÖsterreicherInnen Ja, bei den ZuwanderInnen sind es 47 Prozent. Da gibt es überraschenderweise fast keinen Unterschied. Problematisch ist die Situation aber bei den ZuwanderInnen aus der Türkei. Da sind 78 Prozent dieser Meinung.

 

Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Slogans wie „Abendland in Christenhand" oder „Daham statt Islam" könnten bei den Moslems schon den zarten Eindruck erwecken, nicht zu 100 Prozent Chancengleichheit zu haben.

 

Übrigens sehen auch türkische Zuwanderer eigene Fehler. 79 Prozent sehen Gründe für Probleme bei der Migration bei den ZuwanderInnen selbst. Der Durchschnitt bei allen ZuwanderInnen liegt bei 73 Prozent. Alteingesessene ÖsterreicherInnen sind zu 81 Prozent dieser Meinung.

 

Fazit: ZuwanderInnen interessieren sich mehr für österreichische Politik als alteingesessene ÖsterreicherInnen. Aber warum sind sie dann kaum in den Parlamenten, in den Gemeinderäten, in den Bezirksvertretungen vertreten?

 

Die FPÖ zum Beispiel hat den selbstgewählten Schwerpunkt Islam. Und wenn ich mich so umblicke, so sehe ich: Sie haben keinen einzigen islamischen Abgeordneten in Ihren Reihen. Woher kommt diese Kernkompetenz der FPÖ?

 

Die zweite Kernkompetenz ist übrigens Homosexualität. Auf der Homepage der FPÖ steht ganz groß ein Widerruf von Harald Vilimsky mit folgendem Inhalt: Ewald Stadler ist entgegen früher Behauptungen nicht homosexuell. – Aha! Da fragt man sich als Nicht-FPÖlerin, was eine Aussage der FPÖ so wert ist. Alles, was diese Fraktion sagt, kann morgen schon umgekehrt gesagt werden.

 

Ein anderes Beispiel: Die dritte selbsternannte Kompetenz der FPÖ ist ja das Serbentum. Wenn es darauf ankommt, will die FPÖ dazu gar nichts sagen. Da wissen wir, da schmückt sich der Herr Strache dauernd mit dem serbischen Gebetsband, aber jetzt, wo es darauf ankommt, die katholische Kirche in der Neulerchenfelder Straße in eine serbisch-orthodoxe zu verwandeln, hat die FPÖ die Stimme verloren. Will die FPÖ jetzt der serbisch-orthodoxen Kirche helfen oder nicht? Oder fehlt vielleicht im Gemeinderat ein serbisch-orthodoxer Abgeordneter?

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt aber zur Integrationspolitik, die wirklich verantwortungsvoll ist: Die MA 17 lädt 2011 Vereine und Initiativen ein, Projekte zum Thema Partizipation zu entwickeln. Dabei geht es um bessere Teilhabe von MigrantInnen am gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben.

 

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