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Gemeinderat, 57. Sitzung vom 26.02.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 111

 

reflexartig die Freiheit der Kunst, und das war es. (Beifall bei der ÖVP. - GR Dipl-Ing Martin Margulies: Der Grund ist jetzt schon klar!) - Ich komme schon dazu.

 

Das heißt, es wird hier eine völlig unreflektierte Debatte zwischen Geschmacksdiktat versus Freiheit der Kunst geführt. So einfach ist die Debatte leider nicht. (GR Mag Wolfgang Jung: Nein, es geht ums Budget!) Das sage ich den jungen Leuten, weil ich werde den Versuch unternehmen, ein bisschen Differenzierung in die Debatte hineinzubringen, die meiner Meinung nach seit einigen Tagen völlig falsch geführt wird.

 

Jung, Idealbesetzung, oder, mit anderen Worten gesagt, Sie sind „part of the game“, wie Ihr neuer Parteifreund in Kärnten es bezeichnen würde.

 

Die Debatte ist falsch. Das sagt auch ein unverdächtiger Zeuge, Gert Korentschnig: „Die Aktion in der Secession ist mindestens so banal wie die Debatte darüber." - Damit trifft er es. Vielleicht sollte man eine faktenorientierte, eine auf Fakten basierende Debatte führen. Dann wäre weder Erregung noch die Angst um die Freiheit der Kunst angesagt.

 

Meine Fraktion und ich geben ein eindeutiges Bekenntnis zur Freiheit der Kunst ab. Natürlich ist die Freiheit der Kunst notwendig, sie ist ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht und ist in einer demokratischen Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit, über die es nicht weiterer Diskussionen bedarf. Wir bekennen uns dazu. (GR Marco Schreuder: Aber?)

 

Aber genauso muss man sagen, dass natürlich auch die Freiheit der Kunst Grenzen hat, nämlich die Gesetze und die entsprechenden zivilrechtlichen, strafrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grenzen. Das muss dazu gesagt werden, das ist ja nichts Schlimmes, das ist völlig normal! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Wir werden wahrscheinlich einer Meinung sein – wenngleich ich bei Ihnen nicht so ganz sicher bin! –, dass die Politik Kunst zu ermöglichen hat. Unsere Aufgabe ist es, Kunst zu ermöglichen. Wir müssen der Gesellschaft Kunst ermöglichen. Kunst muss ermöglicht und subventioniert werden, wobei die Politik kein Geschmacksdiktat aussprechen darf, indem sie sagt, was Kunst ist und was nicht Kunst ist, und nur dementsprechend subventioniert. Das ist nicht die Aufgabe der Politik! (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Wir wollen keine Zensur. (Zwischenruf von StR Johann Herzog.) Ich komme schon dazu! Nicht so nervös sein!

 

Aufgabe der Kunst ist es, sich in Freiheit zu entwickeln, und Aufgabe der Politik ist es, diese Freiheit zu garantieren und somit Kunst zu ermöglichen.

 

Über Grenzen der Freiheit haben wir auch schon gesprochen, und jetzt komme ich zu dem Problem, vor dem wir stehen: Offenbar liegt das Elend der Avantgarde darin, dass sie langsam an die Grenzen der Grenzenlosigkeit stößt. Ich weiß, das ist ein bisschen kompliziert, aber genau dort liegt das Problem! Das könnte man in einer Debatte einmal theoretisch erörtern.

 

Ich zitiere noch einmal Gert Korentschnig, der im „Kurier“ sagt: „Man muss nicht prüde sein, um die Aktion spekulativ oder sogar kindisch zu finden. Sie missbraucht die Kunst zu eigenen PR-Zwecken und ist selbst voll mit jenen Klischees, gegen die anzukämpfen sie vorgibt. Im Grunde ist es eine Nichtaktion." – Das ist ein Ansatz, der die Debatte vielleicht entkrampfen könnte! Das Elend liegt nämlich offenbar darin, dass eine weithin anerkannte kulturelle Institution wie die Secession – immerhin entstanden aus dem Streit zwischen Historismus und Jugendstil – mit einer derartigen PR-Aktion ins Gespräch zu kommen glaubt, beziehungsweise diese offenbar setzen muss. Darin liegt das Elend, denn diese PR-Aktion ist nicht sehr toll, sondern eher ein bisschen peinlich!

 

Wenn man diese Institution zu derartigen PR-Aktionen sozusagen herabzieht, dann darf man sich nicht wundern, dass eine Debatte darüber entsteht. Allerdings ist die Analogie zwischen dem Klimt-Schiele-Pornographievorwurf und dem Swingerklubbetrieb im Keller der Secession einfach nicht stimmig. Das stimmt nicht!

 

Ein paar Worte zur Subvention: Bis zum Beweis des Gegenteils glaube ich, dass keine öffentlichen Mittel dafür eingesetzt werden, und daher geht der Vorwurf, dass hier Steuergelder verbraten werden, ins Leere. Wenn es aber nicht um öffentliche Gelder geht, dann hat auch die Aufregung keinen Sinn!

 

Es ist schon richtig, dass Subventionen, die Kunst und Kultur ermöglichen sollen, eine besonders heikle Angelegenheit sind: Es geht dabei um öffentliches Geld, um Geld der Steuerzahler, und daher ist dabei besondere Vorsicht geboten, keine Frage! Darauf müssen wir sehr genau schauen. Wenn es aber nicht zutrifft, dass Steuergelder eingesetzt werden, dann bricht die gesamte Erregung Ihrer Fraktion in sich zusammen. Dann haben sich nämlich private Sponsoren eine Aktion geleistet und es hat eine anerkannte Kulturinstitution eine Aktion gesetzt, die sich rechnet, die jedoch nach meiner Meinung und offenbar auch nach Meinung anderer eine billige PR-Aktion ist. – Also: Was soll es?

 

Nun noch ein Gedanke, der zu der Subventionsproblematik ganz gut passt. – Da gebe ich Kollegen Ebinger schon recht: Mit der unbegründeten Ablehnung einer Subvention im Kulturbereich wird natürlich qualifiziert. Zuerst sagt man: Du bekommst keine Subvention, weil ..., dann aber fehlt die objektive Begründung dafür. Im Hinblick darauf könnte jemand, der keine Subvention bekommt, sagen: Ich bekomme keine Subvention von der öffentlichen Hand, weil ich Kunstprojekte mache, die nicht die Zustimmung der Politik finden. – Da liegt in der Tat ein Problem, für welches ich auch keine einfache Lösung weiß. Eine Auflösung könnte aber sein, dass das Ganze transparent gemacht wird, dass jede Ablehnung einer Subvention genauso transparent dargestellt wird wie im Idealfall die Zustimmung zu einer Subvention. Das hat die Mehrheitsfraktion leider immer wieder abgelehnt, und ich lade Sie daher ein, darüber nicht nur nachzudenken, sondern einen entsprechenden Schritt zu setzen, denn er könnte ein Teilproblem, das in dieser grob geschnitzten Debatte untergeht, durchaus lösen.

 

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