Gemeinderat,
59. Sitzung vom 29.04.2010, Wörtliches Protokoll -
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offensichtlich eine gewisse Zeit-Raum-Verschiebung! Gerade die letzten
Entwicklungen, die wir jetzt umsetzen, waren nämlich Gegenstand von sehr
ausführlichen Diskussionen im Drogenbeirat. Auf Grund eines Wunsches des
Drogenbeirates wurde eine Studie über die Frage in Auftrag gegeben: Wie findet
Suchtkrankheit im öffentlichen Raum statt?
Ein ganz konkretes Ergebnis war, dass wir zu wenig Tagesbetreuungsplätze
haben. Daher ist vom Drogenbeirat der Auftrag an den Drogenkoordinator
gegangen, weitere Schritte zu überlegen und umzusetzen, die dieses Manko
beseitigen, das der Drogenbeirat auf Grund der Studie, die in Auftrag gegeben
wurde, festgestellt hat. Und genau das hat der Drogenkoordinator im Auftrag des
Drogenbeirates gemacht, weswegen es mit dem heurigen Frühjahr eine Verdoppelung
der Tagesbetreuungsplätze gibt.
Ich wiederhole jetzt absichtlich noch einmal: Der erste Schritt war,
sich genauer anzuschauen, was sich im öffentlichen Raum abspielt. Dann hat der
Drogenkoordinator eine Studie in Auftrag gegeben und über das Studienergebnis
berichtet. Ergebnis: Mangel an Tagesbetreuung. Der Drogenkoordinator wurde
beauftragt, sich dieses Themas anzunehmen. Jetzt gibt es eine Lösung. – Ich
sehe da also keinerlei Manko, sondern eine sehr gute Arbeit des Drogenbeirates!
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. Die
nächste Frage wird von GR Ing Peterka gestellt. – Bitte.
GR
Ing Christian Peterka (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Im öffentlichen
Diskurs ist in letzter Zeit die Sorge um die umfassende und niederschwellige
Versorgung von suchtkranken Menschen zu Tage getreten.
Welche Maßnahmen
werden seitens der Stadt Wien getroffen, um diese Maßnahmen in ausreichender
Kapazität zu setzen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte,
Frau Stadträtin!
Amtsf StRin
Mag Sonja Wehsely: Herr
Gemeinderat!
Nun setze ich gleich dort an, wo ich bei der letzten Frage aufgehört
habe: Diejenigen Suchtkranken, die sich zeitweilig im öffentlichen Raum
aufhalten, sind die Hauptzielgruppe des niederschwelligen Angebots. Sie
brauchen vor allem eine Tagesstruktur, eine Wohnversorgung und eine enge
Anbindung an das Wiener Sucht- und Drogenhilfenetzwerk, damit sie sozusagen
möglichst rasch begleitet und unterstützt werden können, um aus diesem
Teufelskreislauf herauszukommen oder sich zu stabilisieren.
Die Gruppe, deren Hilfebedarf nur teilweise abgedeckt ist, besteht laut
der Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und
Sozialforschung – die ich jetzt gerade zitiert habe und die das Ergebnis
einer Diskussion betreffend Notwendigkeiten im Drogenbeirat war – aus rund
200 bis 300 Leuten in Wien. Wir haben das auf Basis dieser Studie im
Drogenbeirat diskutiert und entschieden, dass es eine Erweiterung der Angebote
im Tagesbetreuungsbereich geben soll. Diese Kapazitätserweiterung findet jetzt
statt. Konkret gibt es mit dem TaBeNo Süd auf dem Wiedner Gürtel 16 eine
Verdoppelung der Notschlafplätze und der Tagesangebote.
TaBeNo Süd wird täglich rund um die Uhr geöffnet sein. Ab 9 Uhr
morgens können die Klientinnen und Klienten über den Tag verteilt die Angebote
in Anspruch nehmen, nämlich essen, trinken, Wäsche waschen. Es gibt aber
natürlich auch soziale und ärztliche Versorgung und Beratung. Und ab
18 Uhr beginnt die Aufnahme in die Notschlafstelle. 26 Personen haben die
Möglichkeit, dort auch zu schlafen, und werden von SozialarbeiterInnen und
ÄrztInnen betreut.
Als zweiter Teil der Erweiterung wird auch der Ganslwirt vergrößert und
ist dann ebenfalls von 9 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Insgesamt werden 26
Notschlafbetten und 100 Plätze in den Tageszentren zur Verfügung stehen, also
doppelt so viele wie bisher, womit auch die Betreuung von 200 Personen, die in
der erwähnten Studie als notwendig erachtet wurde, in Wien wirklich
gewährleistet ist und damit der Bedarf gedeckt ist, was ich für sehr wichtig
halte und was sehr gut ist. (Beifall bei
der SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die
nächste Zusatzfrage wird von GR Lasar gestellt. – Bitte schön.
GR David Lasar (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr Vorsitzender! Sehr
geehrte Frau Stadträtin!
Meine Frage betrifft auch den Karlsplatz,
aber nicht ganz Ihren Bereich.
Ich hoffe, dass, wenn die Westpassage jetzt
umgebaut wird, auch die Geschäftsleute dort bleiben können und nicht
abgesiedelt werden!
Zu meiner Frage: Da jetzt, wie gesagt, die
Westpassage umgebaut werden wird und dort natürlich in Zukunft kein
Spritzentausch mehr stattfinden wird, frage ich Sie: Wäre es jetzt nicht gleich
besser, wenn Sie in diesem Sinne auch Ihr Drogenkonzept für die Zukunft ändern?
Ich sage das heute nicht zum ersten, sondern, wie ich glaube, schon zum
hundertsten Mal: Wir haben in Wien zu wenig Therapieplätze. Daher auch meine
Frage: Werden Sie darauf achten, dass es in Zukunft weitaus mehr Therapieplätze
gibt als derzeit?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin!
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Herr Kollege Lasar!
In dieser Frage haben wir irgendwie immer eine kognitive Dissonanz. Sie
stellen mir oft diese Frage, und ich beantworte sie immer damit, dass Sie sich,
wenn Sie Fälle kennen sollten, in denen es ein Problem gibt, an mich wenden
sollen. Grundsätzlich haben wir aber eine ausreichende Anzahl an
Therapieplätzen in dieser Stadt. Das ist ganz besonders wichtig.
Der inhaltliche Unterschied zwischen uns besteht darin, dass Sie und
Ihre Partei der Meinung sind, dass man Menschen dazu zwingen kann, eine
Therapie in Anspruch zu nehmen, dass hingegen die Fraktion, der ich angehöre,
sowie alle Expertinnen und Experten, die mir bekannt sind, der Meinung sind,
dass das keinen Sinn macht.
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